Symbiose: Pilzduft lässt Pflanzenwurzeln sprießen
Duftstoffe sind betörend oder abstoßend. Sie können aber auch das Wurzelwachstum bei Pflanzen anregen, wie eine aktuelle Studie an Mykorrhizapilzen belegt.
Duftstoffe wirken auf vielfältige Weise. Sie können anziehend oder abstoßend sein. Die Natur bedient sich der Gerüche gar als Kommunikationsmittel. So können Pflanzen mit ihrem Duft Insekten zur Bestäubung anlocken oder natürliche Feinde mit übelriechenden oder gar giftigen Stoffen auf Distanz halten. Forscher der Universität Göttingen und Freiburg sowie vom Helmholtz Zentrum in München haben nun einen Zusammenhang zwischen den Duftstoffen von Pilzen und dem Wurzelwachstum bei Pflanzen aufgedeckt. Wie das Team im Fachjournal Nature Communications (2015, Online-Veröffentlichung) berichtet, ließen die Aromen des Mykorrhizapilzes auch die Wurzeln bei Pflanzen sprießen.
Mykorrhizapilze leben in Symbiose mit Pflanzen. Der enzymarme Bodenpilz dringt mit seinem fadenförmigen Wurzelgeflecht in Pflanzen- und Baumwurzeln ein und versorgt diese mit Nährstoffen und Wasser. Im Gegenzug erhält der Pilz durch die Photosynthese der Pflanze die ihm fehlende energiereiche Zuckernahrung. Diese besondere Kooperation hat ein Forscherteam nun genauer untersucht. Wissenschaftler der Universität Göttingen und Freiburg sowie vom Münchner Helmholtz Zentrum wollten wissen, welche Rolle Duftstoffe bei dieser Symbiose spielen. Denn nicht nur Blumen, sondern auch Pilze geben einen charakteristischen Geruch ab. „Wir wussten, dass Pflanzen ihre Beziehungen zu Tieren unter anderem über Düfte regulieren“, erklärt Leiterin der Abteilung Forstbotanik und Baumphysiologie der Universität Göttingen, Andrea Polle. „Für die Fitness von Pflanzen spielen aber nicht nur Bestäubung und Fraßabwehr eine Rolle, sondern auch ihre Symbiose mit Mykorrhizapilzen an ihren Wurzeln. Diese verbessern die Pflanzenernährung und stärken die Abwehr gegen Schadpilze.“
Im Rahmen der Studie gingen die Forscher der Frage nach, ob Pflanzen die Duftstoffe des Bodenpilzes auch wahrnehmen, ohne über ein Wurzelgeflecht direkt verbunden zu sein. Im Labor der Göttinger Universität wurden daher Pilz und Pflanze – zwar im gleichen Raum – aber getrennt von einander aufgezogen. Das Ergebnis: Obwohl kein direkter Kontakt bestand, zeigten sich bei der Pflanze zahlreiche neue Seitenwurzeln. Die Forscher lieferten damit den Beweis, dass allein die Duftstoffe des Mykorrhizapilzes die Wurzeln sprießen lassen.
Wurzelspitze der Pflanze reagiert auf Pilzduft
Wissenschaftler am Helmholtz Zentrum München entdeckten im Wurzelpilz zudem Inhaltsstoffe, die bislang eher bei Tieren für ihre Signalwirkung bekannt waren und dort für das Wachstum verantwortlich sein sollen. Dabei handelt es sich um das in der Natur selten vorkommende Sesquiterpen Thujopsen. Die Freiburger Forscher Klaus Palme und Franck Ditengou konnten schließlich zeigen, dass die Signalwege in der Wurzelspitze auf die Pilzdüfte reagieren und so das Wurzelwachstum anfeuern. „Die Pflanze bildet ein völlig neues Organ aus – das ist so, als würden Menschen einen neuen Arm bilden“, schildert Ditengou. Die Erkenntnisse des Forscherteams dürften sowohl ökologisch als auch biotechnologisch von Bedeutung sein. Denn je mehr Wurzeln eine Pflanze hat, um so mehr Nährstoffe können aufgenommen werden. Das wiederum hält die Pflanze fit.