Algenforschungszentrum geht in Jülich an den Start
Am Forschungszentrum Jülich ist das Algen Science Center eingeweiht worden. Hier werden die grünen Winzlinge unter anderem als Quellen für Kerosin herangezüchtet.
Treibstoff wird bislang überwiegend aus dem immer knapper werdenden und nicht nachhaltigen Energieträger Erdöl hergestellt. Alternativ könnten eines Tages Mikroalgen in Bioreaktoren die Basis für nachhaltigen Treibstoff und andere Rohstoffe liefern. Um diesen Ansatz auch wirtschaftlich lohnend verfolgen zu können, sind jedoch weitere Forschungsarbeiten nötig. Mitte Mai hat das „Algen Science Center“ im Forschungszentrum Jülich seinen Betrieb aufgenommen, in dem Forscher noch offene Fragen klären wollen. In der neuen Einrichtung werden Algen gezüchtet und drei Produktionssysteme für diese Biomasse miteinander verglichen. Gleich zu Beginn werden auch zwei vom Bundesforschungsministerium (BMBF) beziehungsweise Landwirtschaftsministerium (BMEL) geförderte Projekte bearbeitet.
Das BMBF unterstützt das Projekt „Optimal“, in dem Algen in Bezug auf ihre Produktivität und Lichtnutzung optimiert werden. Denn die heute verwendeten Algenstämme sind quasi Wildstämme und noch nicht an die Bedingungen in den Bioreaktoren angepasst. Insbesondere die Beleuchtung, die auf eine maximale Photosyntheseleistung der Algen abzielt, kann von den eigentlich auf geringe Lichtintensitäten ausgerichteten Algen nicht gut genutzt werden. Die optimierten Algen werden nachfolgend in den verschiedenen Produktionssystemen des Algen Sience Centers unter realen Bedingungen untersucht. Optimal wird mit 1,4 Millionen Euro drei Jahre vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert. "Mit der Entwicklung von Biokerosin aus Algen machen wir einen wichtigen Schritt weg vom Öl. Damit unterstützt die Bundesregierung die Perspektive einer nachhaltigen Mobilität durch die Stärkung der Bioökonomie", betonte der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesministerium für Bildung und Forschung Thomas Rachel im Rahmen der Eröffnungszeremonie.
Aufwind für grünes Flugzeugkerosin
Das Schwesterprojekt „Aufwind“ (Algenproduktion und Umwandlung in Flugzeugtreibstoffe: Wirtschaftlichkeit, Nachhaltigkeit, Demonstration) dreht sich im Kern um die Frage, wie sich Algen zur Biomasseproduktion nutzen lassen. Das Verbundprojekt wird vom Forschungszentrum Jülich koordiniert. Insgesamt sind elf Partner daran beteiligt – unter anderem der Luft- und Raumfahrtkonzern Airbus Group und das internationale Öl- und Gasunternehmen OMV. "Im Luftverkehr gibt es zu flüssigen Treibstoffen mittelfristig keine Alternative. Elektromotoren oder Brennstoffzellen – wie sie in Autos erprobt werden – kommen aus Gewichts- und Sicherheitsgründen für Flugzeuge nicht in Frage", erklärt Siegfried Knecht, Vorstandsvorsitzender des Interessenverbandes Aireg (Aviation Initiative for Renewable Energy in Germany).
Das BMEL fördert die Arbeiten mit 5,75 Millionen Euro über zweieinhalb Jahre. In Jülich gehen dazu auf je 500 Quadratmetern Fläche drei Bioreaktorsysteme zur Algenproduktion in Betrieb. „Es gibt zwar schon viele Publikationen, die die Herstellung von Treibstoff aus Mikroalgen beschreiben. Aber es fehlt ein unabhängiger Vergleich, welche aktuell verfügbaren Anlagen unter ökologischen und ökonomischen Aspekten die besten Ergebnisse liefern", sagte Andreas Müller vom Jülicher Institut für Bio- und Geowissenschaften (IBG-2).
Vollständige Nutzung der Biomasse
Im Rahmen der Algenprojekte werden aber nicht nur geeignete Aufschluss- und Extraktionsverfahren sowie die Umwandlung und Raffinierung der Biomasse zu Treibstoff untersucht. Es sollen auch die dabei entstehenden Nebenprodukte identifiziert und in Bezug auf ihre Verwertbarkeit analysiert werden. Denn wenn es gelingt, aus den Algen neben Kerosin weitere attraktive Produkte zu gewinnen, könnte das derzeit noch teure nachhaltige Kerosin aus dem Bioreaktor konkurrenzfähig werden. Da die Algen Vitamine und Farbpigmente, Aminosäuren und Zucker beinhalten, wäre zum Beispiel die Gewinnung von Lebensmittelzusatzstoffen und von hochwertigen Produkten für die Kosmetik- und Chemieindustrie denkbar. Was dann noch übrig bliebe, könnte als Viehfutter Verwendung finden oder in Kraftwerken verbrannt werden. So würde die gesamte Biomasse nachhaltig verwendet und eine Algen-basierte Bioraffinerie aufgebaut werden können.
bb