Erdöl ist die Grundlage vieler Chemikalien. Und es wird knapp. Auf der Suche nach Alternativen treten nachwachsende Rohstoffe ins Rampenlicht. In Bioraffinierien sollen aus biologischem Material verschiedenste Produkte von Polymeren bis Pharmazeutika entstehen. Eine Schlüsselrolle spielen dabei optimierte Enzyme. Um die besten Konzepte zu erproben, unterstützt das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen der Förderinitiative „BioEnergie2021" ein deutschlandweites Verbundprojekt mit 7 Industrieunternehmen und 9 Forschungsinstituten. Bis 2014 wird das fünfjährige Projekt "Bioraffinerie2021", das von der Technischen Universität Hamburg-Harburg koordiniert wird, mit vier Millionen Euro gefördert.
Es ist eine erstaunlich kleine Palette von Grundchemikalien, aus denen die chemische Industrie von Polymeren bis Pharmazeutika alle Notwendigkeiten und Annehmlichkeiten der modernen Industriegesellschaft befriedigt. Jede einzelne von ihnen, ob Butadien, Xylol oder Toluol, stammt aus Erdöl. Und Erdöl wird knapp: Seit einem halben Jahrhundert schon gehen die jährlichen Ölfunde kontinuierlich zurück. Stattdessen soll Biomasse in Zukunft die Rolle des Schwarzen Goldes übernehmen. Bereits heute gewinnt man aus Pflanzenmaterialien unter anderem Ethanol und Biogas.
Unendliche Vielfalt an Molekülen
Aber viele der heute marktgängigen Biomassekonversionsverfahren sind – im Verlauf der gesamten Bereitstellungskette – hoffnungslos ineffizient; bei einigen Ketten wird beispielsweise nur ein kleiner Teil der insgesamt vorhandenen Biomasse genutzt. Zusätzlich können die Biomasseausgangsmaterialien für bestimmte Verfahren in direkter Konkurrenz stehen mit den Menschen, die diese Pflanzenteile für ihre Ernährung benötigen. Dringend sucht man daher nach Methoden, die gesamte Pflanze und insbesondere organische Abfallstoffströme möglichst effektiv zu verwerten. Großes Vorbild dabei ist die Petrochemie, die über die Jahrzehnte ihre Prozesse perfektioniert hat: Eine moderne Raffinerie macht aus dem hochkomplexen Chemikaliengemisch Rohöl in einer Abfolge von Trennstufen, Reaktoren und Destillationstürmen eine Vielzahl hoch spezialisierter Produkte für die chemische Industrie. Gesucht wird eine Anlage, die das gleiche Kunststück mit Biomasse vollführt – die Bioraffinerie.
Doch die Hindernisse auf diesem Weg sind ungleich größer als beim Vorbild. Zwar war auch Öl einst belebte Materie, aber nach Millionen von Jahren im Gestein ist ein Großteil der Komplexität verloren gegangen. Öl ist kaum mehr als ein Kohlenwasserstoffgemisch, das es zu trennen gilt. Biomasse dagegen enthält nicht nur eine unendlich größere Vielfalt an Molekülen, sondern auch zum Teil sehr komplexe Strukturen, welche die Verwertung zusätzlich erschweren. Deswegen ist Biomasse nicht gleich Biomasse, und statt „der" Bioraffinerie peilen Wissenschaftler verschiedene Typen unterschiedlich komplexer Bioraffinerien an, die jeweils für die Verwertung bestimmter Rohmaterialien wie Holz, Getreide oder Pflanzenöle optimiert sind. Solche Anlagen sollen ganz nach dem Vorbild der Ölraffinerien durch ausgeklügelte Verfahrenstechnik alle Bestandteile des Ausgangsmaterials zu hochwertigen Produkten veredeln.