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Pentylenglycol ist ein feuchtigkeitsspendender Wirkstoff, der in fast allen Cremes enthalten ist. Der zweiwertige Alkohol ist geruch- und farblos. Im Vergleich zum gewöhnlichen Alkohol Ethanol sorgt das sogenannte Diol dafür, dass die Haut Feuchtigkeit und Wirkstoffe optimal bindet. Zugleich wirkt es antimikrobiell und hält damit Bakterien fern. Pentylenglycol ist damit ein natürlicher Konservierungsstoff. Bisher wird Pentylenglycol jedoch fast ausschließlich aus Erdgas und Erdöl gewonnen. Ein neues Katalyseverfahren macht es möglich, den kosmetischen Inhaltsstoff nun auch nachhaltig herzustellen – aus einem Nebenprodukt der Zuckerrohrverarbeitung, aus der Bagasse.

Katalyseprozess umgestellt

Um den Inhaltsstoff gewinnen zu können, haben Forscher am Leibniz-Institut für Katalyse in Rostock (LIKAT) den Prozess der Katalyse umgestellt. „Dieses Zwischenprodukt der Bagasse besteht, wie alle Naturstoffe, aus unterschiedlichen Komponenten“, erläutert Angela Köckritz, unter deren Leitung die Arbeiten liefen. Diese Komponenten mussten die Wissenschaftler zunächst auftrennen und selektieren. Danach suchten sie nach einem geeigneten Edelmetall-Träger-Katalysator, der das Pentylenglycol umwandeln kann.

Die Schwierigkeit bestand Köckritz zufolge darin, aus den „hundert verschiedenen Sorten“ den passenden Edelmetall-Träger-Katalysator zu finden. In der Bagasse fanden die Forscher auf Anhieb eine Substanz, um Pentylenglycol auf nachhaltige Weise erzeugen zu können. Im Ergebnis besteht die aus Bagasse hergestellte Substanz aus den gleichen Bestandteilen wie die fossile Variante. Nur der Reaktionsweg ist anders.

Verfahren patentiert

Die nachhaltige Herstellung des kosmetischen Wirkstoffs ist das Ergebnis einer jahrelangen Kooperation der LIKAT-Forscher mit der Symrise AG in Holzminden. Das in Niedersachsen ansässige Unternehmen bietet unter anderem kosmetische Grund- und Wirkstoffe an. 2018 wurde das inzwischen patentierte Verfahren in den Pilotmaßstab überführt. Der aus Bagasse gewonnene Inhaltsstoff wird von Symrise unter dem Namen Hydrolite®5 green angeboten. Aufgrund der besonderen Eigenschaften von Pentylenglycol als natürlichem Konservierungsstoff seien auch andere Anwendungsmöglichkeiten denkbar, ergänzt Köckritz in einem Gespräch mit bioökonomie.de. Da der Wirkstoff sehr hautverträglich sei, könneer auch in Reinigungsmitteln, Duschgels und Lippenstiften eingesetzt werden.

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Pentylene glycol is a moisturizing agent that is contained in almost all creams. The divalent alcohol is odorless and colorless. Compared to the common alcohol ethanol, the so-called diol ensures that the skin optimally binds moisture and active agents. At the same time, it acts as an antimicrobial and thus keeps bacteria away. Pentylene glycol is therefore a natural preservative. To date, however, pentylene glycol has been obtained almost exclusively from natural gas and crude oil. A new catalytic process now makes it possible to produce the cosmetic ingredient sustainably - from a by-product of sugar cane processing, bagasse.

Catalytic process converted

In order to extract the ingredient, researchers at the Leibniz Institute for Catalysis in Rostock (LIKAT) have modified the catalysis process. "This intermediate product of bagasse, like all natural substances, consists of different components," explains Angela Köckritz, under whose direction the work was carried out. The scientists first had to break down and separate these components. Then they looked for a suitable catalyst that could convert the pentylene glycol.

The difficulty, according to Köckritz, was to find the catalyst with the right precious metal carrier material from the "one hundred different types". The researchers immediately found a substance in the bagasse that would enable them to produce pentylene glycol in a sustainable way. As a result, the substance produced from bagasse consists of the same components as the fossil variant. Only the reaction path is different.

Process patented

The sustainable production of the cosmetic active ingredient is the result of many years of cooperation between LIKAT researchers and Symrise AG in Holzminden. The company offers, among other things, basic and active cosmetic ingredients. In 2018, the process, which has since been patented, was transferred to pilot scale. The ingredient extracted from bagasse is offered by Symrise under the name Hydrolite®5 green. Due to the special properties of pentylene glycol as a natural preservative, other possible applications are also conceivable, Köckritz added in an interview with biooekonomie.de. As the active ingredient is very skin-friendly, it can also be used in cleaning products, shower gels and lipsticks.

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Praktisch alle Tiere und Pflanzen, ob an Land oder im Wasser, leben in Symbiose mit Mikroorganismen. Vor allem in extremen Lebensräumen wie in der Tiefsee ist diese symbiotische Gemeinschaft überlebenswichtig. Bathymodiolus-Muscheln, die an den heißen, mineralreichen Wassern von Schwarzen Rauchern am Meeresgrund leben, beherbergen sogar mehr als ein Dutzend Bakterienarten, wie Forscher vom Max-Planck-Institut (MPI) für Marine Mikrobiologie erst kürzlich herausfanden. Nun haben die Bremer Mikrobiologen die bakteriellen Untermieter dieser Tiefseemuscheln näher untersuchen können.

Bakterien in dieser Region zu erforschen ist oft schwer. Ein Team um Benedikt Geier und Manuel Liebeke hat eine neue Methode entwickelt, mit der nicht nur einzelne Bakterien genau bestimmt werden können, sondern auch, welche Metabolite in der Zelle vorhanden sind. Metabolite sind Stoffwechselprodukte von Organismen wie Eiweiße, Zucker und Fette. Sie geben Auskunft, welche Stoffe die Bakterien wozu genau nutzen und wie diese das Zusammenleben mit den Muscheln beeinflussen.

Schnappschuss im Schockzustand

„Wir nutzen für unsere Analysen schockgefrorenes Muschelgewebe, das wir in gefrorenem Zustand hauchdünn schneiden“, erklärt Geier. „Von diesen Schnitten machen wir mit einer besonderen Massenspektrometrie-Technik, dem MALDI-MS-Imaging, einen Schnappschuss der chemischen Verbindungen der Zellen. Wenn wir diesen Schnappschuss dann im Detail analysieren, können wir sehr viele verschiedene Metabolite auf kleinstem Raum erkennen.“

DNA ist nicht nur Träger der Erbinformation. Für manche Biotechnologen ist das Biomolekül auch ein Werkstoff mit faszinierenden Eigenschaften. So etwa für Bioingenieure, die sich mit DNA-Origami beschäftigen. Biomechaniker der TU München haben jetzt eine vielversprechende Anwendung für die Pharmazie geschaffen.

Wenn bei einer medikamentösen Therapie mehrere Wirkstoffe in einer bestimmten Reihenfolge eingenommen werden müssen, kann das leicht zu Fehlern in der Anwendung führen – erst recht, wenn zwei dieser Wirkstoffe nicht gleichzeitig aktiv sein dürfen. Zwar hat die Pharmaindustrie inzwischen Wege gefunden, Wirkstoffe nach der Einnahme erst zeitversetzt aktiv werden zu lassen. Doch Gewissheit, dass dadurch alle Komponenten der Therapie nacheinander und in der richtigen Reihenfolge freigesetzt werden, herrscht dadurch noch nicht. Die Münchner Forscher um Oliver Lieleg berichten nun im Fachmagazin „Journal of Controlled Release“ von einem neuen Ansatz, mit dem dieses Ziel erreicht werden könnte.

Bedingungen des menschlichen Körpers simuliert

Als Machbarkeitsbeweis haben die Forscher anstelle dreier Wirkstoffe Gold-, Silber- und Eisenoxidpartikel verwendet. Diese haben sie mit bestimmten Molekülen aus künstlicher DNA verbunden und in ein Hydrogel eingebettet. Aufgrund seiner Größe kann sich der „Wirkstoffkomplex“ nicht mehr im Gel bewegen. Wird jedoch eine Kochsalzlösung hinzugefügt, lösen sich die Silberpartikel aus dem Gel. „Da die Kochsalzlösung ungefähr denselben Salzgehalt hat wie der menschliche Körper, konnten wir so simulieren, dass die Wirkstoffe erst bei Anwendung des Präparats frei werden“, erläutert TU-Forscherin Ceren Kimna.

DNA als Schlüssel zur Freisetzung

Mit den Silberpartikeln werden auch bestimmte künstliche DNA-Moleküle freigesetzt. Diese wirken wie ein Schlüssel auf andere künstliche DNA, die die Eisenoxidpartikel blockiert und vor dem Einfluss der Salzlösung schützt. Der „Schlüssel“ bricht diese Blockade jedoch auf und setzt nun die Eisenoxidmoleküle frei. Mit diesen wird eine dritte Gruppe künstlicher DNA freigesetzt, die ihrerseits als Schlüssel für die Freisetzung der Goldpartikel fungiert. Künstliche DNA ist für derartige Anwendungen besonders geeignet, weil ihre Strukturen und ihr Bindungsverhalten gut verstanden und vorhersagbar sind.

Zwar ist es von der Machbarkeitsstudie bis zu einer ersten Anwendung noch ein weiter Weg. Konkrete Produkte haben die Wissenschaftler trotzdem schon im Blick. „So könnte zum Beispiel eine Salbe, die auf eine Operationswunde aufgetragen wird, Schmerzmittel, Entzündungshemmer und abschwellend wirkende Mittel nacheinander freisetzen“, schildert TU-Forscher Lieleg künftige Anwendungsmöglichkeiten. Zwar seien Salben oder Cremes, die ihre Wirkstoffe verzögert abgeben, nicht an sich neu. In heute verwendeten Präparaten könne allerdings nicht garantiert werden, dass nicht zeitweise mehrere Wirkstoffe gleichzeitig in den Organismus gelangen.

Salben und Tabletten denkbar

Außerdem sieht Lieleg in Salben nicht das einzige Anwendungsgebiet: „Salben sind durch ihre Konsistenz für unseren Hydrogel-basierten Ansatz die naheliegendste Anwendung. Das Prinzip könnte in Zukunft aber auch in Tabletten zum Einsatz kommen, die im Körper mehrere Wirkstoffe nacheinander abgeben.“

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DNA is not only the carrier of genetic information. For some biotechnologists, the molecule is also a material with fascinating properties - for example, for bioengineers working with DNA origami. Biomechanics at the TU Munich have now created a promising application for pharmaceutical development.

If several drugs have to be taken in a certain order during a drug therapy, this can easily lead to errors in application. This holds doubly true if two of these drugs are not allowed to be active at the same time. It is true that the pharmaceutical industry has found ways of allowing substances to become active with a time delay. However, this does not guarantee that all components of the therapy will be released one after the other and in the correct order. The Munich researchers led by Oliver Lieleg now report in the specialist journal "Journal of Controlled Release" on a new approach to achieve this goal.

Conditions of the human body simulated

As proof of feasibility, the researchers used gold, silver and iron oxide particles instead of three active ingredients. They combined these with certain molecules from artificial DNA and embedded them in a hydrogel. Due to its size, the "active ingredient complex" can no longer move in the gel. However, if a saline solution is added, the silver particles are released from the gel. "Since the saline solution has approximately the same salt content as the human body, we were able to simulate that the active ingredients are only released when the preparation is used," explains TU researcher Ceren Kimna.

DNA as the key to release

The silver particles also release certain artificial DNA molecules. These act as a key to other artificial DNA, which usually blocks the iron oxide particles and protects them from the influence of the salt solution. However, the "key" breaks this blockade and releases the iron oxide molecules. These release a third group of artificial DNA, which in turn acts as the key to the release of the gold particles. Artificial DNA is particularly suitable for such applications because its structures and binding behaviour are well understood and predictable.

There is still a long way to go from the feasibility study to the first application. Nevertheless, the scientists are already focusing on specific products. "For example, an ointment applied to a surgical wound could release painkillers, anti-inflammatories and decongestants one after the other," explains Lieleg. It is true that ointments or creams that release their active substances with a delay are not new in themselves. However, in preparations used today it cannot be guaranteed that several active substances will not enter the organism at the same time.

Ointments and tablets conceivable

Furthermore, Lieleg does not see ointments as the only application area: "Ointments are the most obvious application for our hydrogel-based approach due to their consistency. In the future, the principle could also be used in tablets that release several active substances in the body one after the other."

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Meere & Ozeane, Arbeitswelten der Zukunft, Künstliche Intelligenz: Um diese Themen drehten sich die vergangenen Wissenschaftsjahre, die das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) als zentrale Initiative für Wissenschaftskommunikation ausrichtet. Unverzichtbar für die Gestaltung der Wissenschaftsjahre sind Partner aus Wissenschafts-, Bildungs- und Kultureinrichtungen sowie Akteure aus Politik, Zivilgesellschaft, Wirtschaft und Medien.

Thema Bioökonomie veranschaulichen und diskutieren

2020 steht das Wissenschaftsjahr im Zeichen der Bioökonomie – also einer nachhaltigen, biobasierten Wirtschaftsweise. Hier werden biologische Ressourcen und biologisches Wissen genutzt, um unseren Bedarf an Rohstoffen, Produkten und Dienstleistungen zu decken. Es geht darum, fossile und mineralische Rohstoffe zu ersetzen, Produkte umweltverträglicher herzustellen und gleichzeitig biologische Ressourcen zu schonen. Innovationen sind die Grundlage dafür, dass die Bioökonomie eine ökologisch, ökonomisch und sozial nachhaltige Wirtschaftsform ist. News, Porträts, Hintergründe und Videos liefert die vom BMBF geförderte Website bioökonomie.de – das Informationsportal zur Bioökonomie in Deutschland.

Trotz seiner Relevanz ist das Thema Bioökonomie noch vielen Menschen unbekannt. Das Wissenschaftsjahr 2020 rückt das Thema nun prominent ins Rampenlicht. Es soll anschaulich werden, welche Ziele das Konzept Bioökonomie verfolgt, welche Potenziale sie für die Zukunft bietet, welche Rolle Wissenschaft und Forschung dabei spielen und wie die Gesellschaft zum Wandel in Richtung einer nachhaltigen, biobasierten Wirtschaftsform beitragen kann.

Ideen für Kommunikationsprojekte gefragt

Alle, die sich an der Vermittlung des Themas beteiligen wollen, sind nun aufgerufen, sich mit Ideen für kommunikative Projekte und Veranstaltungen im „Wissenschaftsjahr 2020 – Bioökonomie“ um eine Förderung durch das BMBF zu bewerben.

Meere und Ozeane bedecken rund 72% der Erdoberfläche. Sie bilden die Lebensräume für eine Vielzahl von Lebewesen wie Algen, Fische, Korallen, Schwämme und Mikroorganismen, die sich auf komplexe Weise gegenseitig beeinflussen. Die marine Biodiversität stellt eine noch in weiten Teilen unerforschte Schatzkiste an Naturstoffen dar, die sich für eine Nutzung durch den Menschen eignen. Marine Bioressourcen wie Fisch und andere Meeresfrüchte sind nicht nur unverzichtbare Nahrungs- und Futtermittel, sondern auch Quellen für Kosmetikzusatzstoffe, Energieträger oder Wirkstoffe.

Die marine Bioökonomie beschäftigt sich mit der nachhaltigen und an Kreisläufen orientierten Erschließung und Nutzung dieser Ressourcen. So können gleichzeitig die lebenswichtigen Ökosystemleistungen des Meeres gewahrt und die Biodiversität geschützt werden. Schon heute ist die marine Bioökonomie ein enorm wichtiger Wirtschaftsfaktor: laut Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) mit einem jährlichen Beitrag zur weltweiten Wertschöpfung von weit mehr als 100 Mrd. US-Dollar für Fischerei, Aquakultur und verarbeitende Industrien.

Dieses Dossier gibt einen Überblick über das Potenzial mariner Ressourcen für die Bioökonomie. Ein Fokus liegt auf biotechnischen Anwendungen. Zudem werden Akteure aus Wissenschaft und Wirtschaft vorgestellt und nationale und internationale Forschungs- und Förderaktivitäten beleuchtet.

Wie kann der Wechsel von einer erdölbasierten hin zu einer kreislaufbasierten Wirtschaft mit nachwachsenden Rohstoffen aussehen? Mit einer Ausstellung zum Anfassen und Mitmachen geht die MS Wissenschaft dieser Frage auf den Grund. Im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) schippert das umgebaute Frachtschiff von Juli bis Oktober über Rhein, Main und Donau, um die Facetten der Bioökonomie einer breiten Öffentlichkeit näherzubringen.

Umgesetzt wird das Projekt von der Initiative Wissenschaft im Dialog, die in Zusammenarbeit mit Forschern Mitmach-Exponate entwickelt, welche den Besuchern auf spielerische und unterhaltsame Weise Einblicke in bioökonomische Forschungsarbeit geben. Auf dem schwimmenden Science Center können sich die Besucher bei Umfragen und Ratespielen selbst einbringen oder spielerisch an den Exponaten ausprobieren. So wird nicht nur über die Bioökonomie informiert, sie wird für die Besucher auch erlebbar.

Der Wandel zur biobasierten Wirtschaft

„Wir wollten schon beim Betreten der MS Wissenschaft den Wandel hin zu einer biobasierten Wirtschaft erlebbar machen“, so Maren Grüber,  Projektmanagerin für die MS Wissenschaft. „Im Eingangsbereich und Café kommen die Besucher zunächst im Erdölzeitalter an. Plastiktische, allerlei Alltagsgegenstände aus Plastik und eine Wand aus Ölfässern machen die aktuelle Situation deutlich. Nur wenige Schritte weiter zeigen wir eine Welt, die von einer biobasierten Wirtschaft geprägt ist, mit zahlreichen Zukunftstechnologien, an denen geforscht wird und die teilweise sogar schon Gegenwart sind.“  

Innovationen in Landwirtschaft und Ernährung

Ganz entscheidend zum Erreichen dieser Zukunft sind Entwicklungen in der Landwirtschaft und der Ernährung – Themen, denen auf der MS Wissenschaft viel Raum gegeben wird. Derzeit wird nicht nur daran gearbeitet, durch Digitalisierung und Züchtungstechnologien die Landwirtschaft effizienter zu machen, sondern stetig nach innovativen und nachhaltigeren Ressourcen gefahndet. Denn bei wachsender Weltbevölkerung, der Verknappung von Ackerflächen und den Auswirkungen des Klimawandels kommt es darauf an, neue Lösungen zu entwickeln, wie beispielsweise die Exponate des Forschungsprogramms „Agrarsysteme der Zukunft“ veranschaulichen.

Ob SUV mit ihrer großen Karosserie oder Elektroautos mit ihren Akkus: Moderne Fahrzeuge haben ein weit höheres Gewicht als die Modelle vor ein bis zwei Jahrzehnten. Doch das Gewicht kostet Reichweite, erhöht den Verbrauch und lässt je nach Antriebsart die CO2-Emissionen steigen. Hersteller setzen daher zunehmend auf Leichtbauteile, doch die haben meist ökologische oder ökonomische Schattenseiten. Eine vielversprechende Alternative haben Wissenschaftler des Fraunhofer-Instituts für Holzforschung entwickelt, die Porsche jetzt in Kleinserie bringt.

Bisheriger Leichtbau ist energieintensiv

Beim bisherigen Leichtbau setzen die Autohersteller meist entweder auf besondere Stähle oder kohlenstofffaserverstärkte Kunststoffe. Beide Werkstoffe sind technologisch anspruchsvoll und in der Herstellung sehr energieintensiv. Die Fraunhofer-Forscher haben deshalb nach ökologischen Alternativen gesucht und sind bei Pflanzenfasern fündig geworden. Naturfasern aus Flachs, Hanf, Holz oder Jute sind ähnlich leicht wie Carbonfasern, aber günstiger, und benötigen weniger Energie bei der Herstellung. Das Naturfasergewebe ist zudem gut verfügbar, zugfest, besonders fein, homogen und drapierfähig. Darüber hinaus weist das Material gute akustische Dämpfungseigenschaften auf und hat eine geringe Splitterneigung bei Unfällen.

Praxistest im Motorsport

In Form von biofaserverstärkten Kunststoffen hatte der Autohersteller Porsche das Material 2015 in sein „Bioconcept Car“ verbaut, ein Cayman GT4 Clubsport, der im Motorsport im Einsatz ist. Auf Grundlage der Erfahrungen mit diesem Fahrzeug haben die Forscher das Biomaterial nun weiter verbessert. „Die Untersuchungen verbinden dadurch den Vorteil extremer Belastungen mit einem Fahrzeug, das modifiziert auch für die Straße zugelassen ist“, erläutert Projektleiter Ole Hansen.

Erstes Serienfahrzeug mit Biofaserverbundwerkstoffen

Jetzt hält das Material Einzug in den in Kleinserie produzierten 718 Cayman GT4 Clubsport, das erste Serienfahrzeug mit Bauteilen aus Biofaserverbundwerkstoffen. Fahrer- und Beifahrertür sowie der Heckflügel sind aus einem Naturfasermix hergestellt, der gegenüber Leichtbaustahl rund 60% Gewicht einspart. So bringt der Cayman nur 1.320 Kilo auf die Waage. „Nach den ausgiebigen Tests unter Extrembedingungen auf der Rennstrecke haben wir unsere Komponenten immer weiter evaluiert – mit dem Ergebnis, dass die ökologisch vorteilhaften Biowerkstoffe das Potenzial einer Serienherstellung erfüllen“, resümiert Hansen. Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft hat die Entwicklung biogener Leichtbauteile im Förderprogramm „Nachwachsende Rohstoffe“ unterstützt.

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SUVs have large bodies and electric cars have rechargeable batteries: modern vehicles weigh far more than models one to two decades ago. But the weight costs range, increases fuel consumption and increases CO2 emissions. Manufacturers are therefore increasingly focusing on lightweight components, but these usually have ecological or economic drawbacks. Scientists at the Fraunhofer Institute for Wood Research have developed a promising alternative, which Porsche is now bringing into low-volume production.

Lightweight construction to date is energy-intensive

In the case of lightweight construction to date, car manufacturers usually rely either on special steels or carbon fiber-reinforced plastics. Both materials are technologically sophisticated and very energy-intensive to manufacture. The Fraunhofer researchers have therefore searched for ecological alternatives and found them in plant fibers. Natural fibers made of flax, hemp, wood or jute are as light as carbon fibers, but cheaper, and require less energy to manufacture. The natural fiber fabric is also readily available, tensile, particularly fine, homogeneous and drapable. In addition, the material has good acoustic damping properties and has a low tendency to splinter in accidents.

Test drive on the race course

In the form of biofiber reinforced plastics, the car manufacturer Porsche used the material in its "Bioconcept Car" in 2015, a Cayman GT4 Clubsport that is used in motor sports. Based on their experience with this vehicle, the researchers have now further improved the biomaterial. "The tests combine the advantage of extreme stress with a vehicle that is also street-legal after modifications," explains project manager Ole Hansen.

First production vehicle with biofiber composites

The material is now being used in the small-series production of the 718 Cayman GT4 Clubsport, the first production vehicle to feature components made of biofiber composites. The driver's and passenger doors as well as the rear wing are made of a natural fiber mix that reduces weight by around 60% compared to lightweight steel. The Cayman weighs in at just 1,320 kilos. "After extensive testing under extreme conditions on the race track we continued to evaluate our parts, which ultimately led to the conclusion that these ecologically benefi-cial organic materials fulfill the criteria for volume production," Hansen sums up. The Federal Ministry of Food and Agriculture has supported the development of biogenic lightweight components in the "Renewable Resources" funding program.

bl/um

Sie stammen aus der Frühzeit des zellularen Lebens, doch erst seit einigen Jahren sind sie im Fokus der Mikrobiologen: sogenannte Elektromikroben. In ihrem Stoffwechsel entstehen überschüssige Elektronen, die die Einzeller an ihre Umgebung, beispielsweise positiv geladene Metallionen abgeben. Ein interdisziplinäres studentisches Team der TU Berlin möchte diese Fähigkeit in Bakterien übertragen, die Photosynthese betreiben. „Unser Ziel ist eine biologische Batterie“, erläutert Franziska Graeger, Masterstudentin der Biologischen Chemie.

Mit ihrem Projekt wollen die Studierenden beim BIOMOD-Wettbewerb (Biomolecular Design Competition) für Studenten aus aller Welt in San Francisco an den Start gehen. Ähnlich wie beim internationalen iGEM-Wettbewerb zur Synthetischen Biologie kommen hier jährlich Hochschulteams aus aller Welt zusammen, um aus Biomolekülen Roboter, molekulare Computer oder Nano-Therapeutika zu entwerfen und zu konstruieren.

Fähigkeiten zweier Organismen verschmelzen

Im Fokus der Berliner Tüftler stehen das Bakterium Shewanella und Cyanobakterien. „Das Bakterium Shewanella besitzt ein spezielles Proteinkonstrukt in seiner Membran, um Elektronen gezielt an Eisen oder Mangan in der Umgebung abzugeben. Unser erster Schritt ist es, dieses Protein gentechnisch in Cyanobakterien einzubringen“, beschreibt Graeger das Vorhaben. Cyanobakterien bilden aus Kohlendioxid und Sonnenlicht Glukose und Sauerstoff. Gelingt es, dass die Cyanobakterien die speziellen Proteine aus Shewanella produzieren, könnten die bei der Photosynthese erzeugten Elektronen von diesen Proteinen weitergeleitet und an eine Elektrode abgegeben werden. So könnte ein Stromfluss erzeugt werden“, erklärt Graeger.

Bakterien auf Elektroden drucken

Gelingt dieser Schritt, weiß das Team „Smart B.O.B.“ (Smart Biologically Optimized Battery) der TU Berlin auch schon, wie es auf dem Weg zur Biobatterie weitergehen soll: „Diese speziellen Bakterien könnten dann mit Hilfe eines konventionellen Druckers direkt auf die Elektroden aufgebracht werden, so dass ein unmittelbarer Austausch der Elektronen entsteht und die Ausbeute optimiert wird“, schildert Graeger.

Unterstützer gesucht

Mit diesem komplett selbst organisierten Projekt wollen die Studenten beim BIOMOD-Wettbewerb punkten. Wie beim internationalen iGEM-Wettbewerb kümmern sich die Studenten nicht nur um die Forschung, sondern auch um Präsentation und Finanzierung ihres Forschungsvorhabens. Dementsprechend wirbt Graeger: „Daher sind wir auch immer noch auf der Suche nach neuen Unterstützern.“

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Auf 4.900 Quadratmetern entsteht ab dem kommenden Jahr in Jena das „Microverse Center Jena“ (MCJ). Das hat die Gemeinsame Wissenschaftskonferenz – neben sieben weiteren Forschungsneubauten in der Bundesrepublik – jetzt beschlossen. Jeweils rund 20 Mio. Euro wollen der Bund und der Freistaat Thüringen dazu investieren. Die Baukosten einschließlich Erstausstattung belaufen sich voraussichtlich auf 44,9 Mio. Euro. Im kommenden Jahr startet die Errichtung des Gebäudes, 2024 soll der Neubau fertig sein. Das Forschungsgebäude auf dem Beutenberg-Campus der Universität Jena soll das räumliche Herzstück des Exzellenzclusters „Gleichgewicht im Mikroversum“ (Balance of the Microverse) werden. Im Fokus stehen die Zusammensetzung sowie Kommunikation und Interaktion mikrobieller Gemeinschaften untereinander und mit ihrer Umwelt – bei Pflanzen, Tieren und Menschen.

Zentrum der Mikrobiomforschung

Im September 2018 hatte die Friedrich-Schiller-Universität Jena den Zuschlag für den Exzellenzcluster erhalten. „Der Neubau ist Voraussetzung, um das Forschungsprogramm des Exzellenzclusters langfristig erfolgreich umzusetzen“, sagte Thüringens Wissenschaftsminister Wolfgang Tiefensee anlässlich der Empfehlung durch den Wissenschaftsrat im Mai. Weiter lobte Tiefensee: „Keine andere Universität in Deutschland verfolgt den Schwerpunkt, die Bedeutung des Mikrobioms für die menschliche Gesundheit herauszuarbeiten, so konsequent und so umfassend.“ Mit seiner modernen Geräteausstattung und der strikten Ausrichtung auf eine enge interdisziplinäre Zusammenarbeit biete der Neubau beste Voraussetzungen, um Jena als Zentrum der Mikrobiom-Forschung in Deutschland zu etablieren.

170 Wissenschaftler aus vielen Disziplinen

Im MCJ will die Universität bestehende und neue Forschungsgruppen auf dem Gebiet der mikrobiellen Kommunikation zusammenführen. Interdisziplinarität wird dabei großgeschrieben, denn die Gruppen umfassen die Fachgebiete Mikrobiologie, Infektionsbiologie, Bioinformatik, Medizin, chemische Biologie, Ökologie sowie Optik/Photonik und Materialwissenschaften. Insgesamt wird das MCJ für 170 Wissenschaftler und 30 nichtwissenschaftliche Mitarbeiter ausgelegt. Außerdem bietet das Gebäude die notwendige Infrastruktur für drei bestehende und vier neu zu schaffende Professuren, vier Nachwuchsforschergruppen sowie das Microverse Imaging Center und die Geschäftsstelle des Exzellenzclusters. Darüber hinaus sieht das Konzept 35 Arbeitsplätze für Promovierende und Gastwissenschaftler vor.

Spitzenforschungszentrum in Jena

„Wir sind wirklich sehr froh, dass wir durch diese großzügige Unterstützung des Bundes, des Freistaats Thüringen und der Friedrich-Schiller-Universität die Chance erhalten, für unseren Microverse-Exzellenzcluster ein strukturelles Zentrum zu schaffen. Dadurch wachsen Universität und außeruniversitäre Institute weiter zusammen und bilden die Basis für ein weltweit sichtbares Zentrum der Spitzenforschung“, sagt Axel Brakhage, Sprecher des Exzellenzclusters.

bl/pg

Landpflanzen erzeugen aus Kohlendioxid und Sonnenenergie Biomasse, in der sich wertvolle Bausteine für die Bioökonomie befinden. Leicht übersehen wird dabei, dass auch Algen enorme Mengen Kohlendioxid aus der Atmosphäre entfernen – etwa so viel wie die gesamte Landvegetation. Die Algen produzieren auf diesem Weg vor allem Mehrfachzucker, deren Abbauprodukte wichtige Nahrungsquellen für zahlreiche marine Organismen sind. Einen dieser Abbauprozesse hat ein internationales Forscherteam unter deutscher Leitung nun aufgeklärt.

Zwölf Enzyme am Abbau beteiligt

Die Wissenschaftler der Universität Greifswald, des Max-Planck-Instituts für Marine Mikrobiologie in Bremen sowie der Universität Bremen, der Technischen Universität Wien und der Biologischen Station in Roscoff (Frankreich) berichten im Fachjournal „Nature Chemical Biology“, wie der Mehrfachzucker Ulvan aus der Alge Ulva von dem marinen Bakterium Formosa agariphila abgebaut wird. Demnach sind an dem komplexen Abbauweg zwölf Enzyme beteiligt. Die Arbeit ist Teil des DFG-Forschungsprojekts „Proteogenomik des marinen Polysaccharid-Abbaus“.

Hochwertige Zuckerbausteine zugänglich machen

„Damit verstehen wir nicht nur, wie Mikroorganismen Zugang zu ihrer Nahrungsquelle erhalten. Mittels der neu entschlüsselten Biokatalysatoren kann das komplexe marine Polysaccharid gezielt als Rohstoffquelle für Fermentationen verwendet oder hochwertige Zuckerbausteine wie Iduronsäure und auch Rhamnosesulfat können aus der bislang nicht zugänglichen Ressource mariner Algen erschlossen werden“, schildert der Biochemiker Uwe Bornscheuer von der Universität Greifswald.

Großes Potenzial für die Biotechnologie

Sein Kollege Jan-Hendrik Hehemann, Mikrobiologe an der Universität Bremen und am Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie, erläutert die Bedeutung der Studie: „Polysaccharide aus marinen Algen unterscheiden sich chemisch von denen terrestrischer Pflanzen. Wie Algenpolysaccharide von marinen Bakterien abgebaut werden, ist bisher weitestgehend unbekannt.“ Die detaillierte Aufklärung der beteiligten Enzyme am Ulvan-Abbau sei nicht nur von großem Wert für zukünftige biotechnologische Anwendungen, sondern auch für zentrale ökologische Fragen zum marinen Kohlenstoffkreislauf.

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Out of carbon dioxide and solar energy, land plants produce biomass, which contains valuable building blocks for the bioeconomy. It is easy to forget that algae also remove enormous amounts of carbon dioxide from the atmosphere - about as much as the entire land vegetation. Algae primarily produce multiple sugars, whose degradation products are important food sources for numerous marine organisms. One of these degradation processes has now been investigated by an international team of researchers.

Twelve enzymes involved in degradation

Scientists from the University of Greifswald, the Max Planck Institute for Marine Microbiology in Bremen, the University of Bremen, the Technical University of Vienna and the Biological Station in Roscoff (France) report in the journal "Nature Chemical Biology" how the multiple sugar Ulvan from the alga Ulva is degraded by the marine bacterium Formosa agariphila. Twelve enzymes are involved in the complex degradation pathway. The work is part of the DFG research project "Proteogenomics of marine polysaccharide degradation".

Making high-quality sugar building blocks accessible

"In our study we can show, for the first time, how marine bacteria completely decompose the highly complex polymer Ulvan from marine algae into its building blocks. These insights not only enhance our understanding of how microorganisms gain access to their food source. Using the newly decoded biocatalysts, the complex marine polysaccharide Ulvan can now also be used as a raw material for fermentations; and high-quality sugar components such as iduronic acid or rhamnose sulfate can be produced from the previously inaccessible resource provided by marine algae," says biochemist Uwe Bornscheuer from the University of Greifswald.

Great potential for biotechnology

His colleague Jan-Hendrik Hehemann, microbiologist at the University of Bremen and at the Max Planck Institute for Marine Microbiology, explains the significance of the study: "Polysaccharides from marine algae are chemically different from those of terrestrial plants. It is largely unknown how marine bacteria degrade algal polysaccharides." The detailed understanding of the enzymes involved in the degradation of Ulvan is not only of great value for future biotechnological applications, but also for central ecological questions concerning the marine carbon cycle.

bl/um

Nur 0,04 % der Atmosphäre bestehen aus Kohlendioxid. Trotzdem genügt das Pflanzen, um mittels Photosynthese den Kohlenstoff zu binden und in andere Moleküle umzusetzen. Um den Klimawandel zu verzögern, würden auch Chemiker gerne das Kohlendioxid aus der Atmosphäre entfernen und als Rohstoff verwenden. Doch bisherige Prozesse, die Kohlendioxid verwerten, benötigen das Gas in einer weit höheren Konzentration. Forscher um Tobias Erb vom Max-Planck-Institut für terrestrische Mikrobiologie in Marburg haben jetzt ein Enzym im Detail untersucht, das sehr effizient Kohlendioxid binden kann. Details der Bindungsreaktion berichten die Mikrobiologen im Fachjournal „PNAS“.

Bei einem bakteriellen Enzym abgeschaut

Das wichtigste Enzym der Photosynthese – vielleicht das häufigste Enzym auf der Erde – ist RuBisCO, doch dessen Effizienz bei der CO2-Fixierung beträgt nur etwa 25%, weil es in den anderen Fällen Sauerstoff aus der Atmosphäre bindet. Weit effizienter sind Enzyme der Klasse der Enoyl-CoA-Carboxylasen/Reduktasen (ECR). Die schnellsten bekannten ECR besitzt das Bakterium Kitasatospora setae. Wie dessen Enzyme das schaffen, konnten die Max-Planck-Forscher in umfangreichen Analysen aufklären. „Drei Aminosäuren – Asparagin, Glutamat und Histidin – verankern gemeinsam das Kohlendioxid von zwei Seiten. Eine weitere Aminosäure, ein Phenylalanin, schirmt das gebundene Kohlendioxid wie ein Schutzschild gegen Wasser ab, das die Reaktion hemmen würde“, erläutert Gabriele Stoffel.

Abschirmung gegen Wasser war der Schlüssel

Um mehr Flexibilität bei der Erzeugung einer künstlichen Photosynthese zu haben, wollten die Forscher die Funktion der ECR in zwei andere Enzyme einbauen – die Propionyl-CoA-Synthase (PCS) und die Archaeal-Enoyl-CoA-Reductase (AER). Nach mehreren Optimierungsschritten erreichte das Team schließlich eine Bindungseffizienz von 90 % für AER und 95 % für PCS. Dazu mussten die Forscher nicht nur die beteiligten Aminosäuren korrekt im Raum ausrichten, sondern außerdem die Abschirmung des Kohlendioxids gegen Wasser hinbekommen. Damit haben die Wissenschaftler eine wichtige Grundlage geschaffen, um CO2 industriell aus der Atmosphäre zu binden und der Wertschöpfungskette zuzuführen.

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Auf 900 Millionen Hektar der Erde könnten 500 Milliarden Bäume gepflanzt werden. Das haben Forscher um Jean-Francois Bastin von der ETH Zürich errechnet. Weil diese Bäume im Laufe ihres Lebens etwa 205 Gigatonnen Kohlenstoff aus der Atmosphäre entfernen und in ihren Zellen speichern könnten, sehen die Autoren der im Fachjournal „Science“ veröffentlichten Studie darin den effektivsten Weg, um den Klimawandel zu begrenzen. Man müsse jedoch schnell beginnen, da der fortschreitende Klimawandel die zur Aufforstung geeigneten Flächen verringert. Andere Experten loben die Qualität der Studie, äußern sich jedoch deutlich skeptischer.

Kohlendioxid aus der Atmosphäre entnehmen

Unzweifelhaft ist unter Fachleuten, dass der viel zu spät ernst genommene Klimaschutz nicht mehr genügen wird, um die CO2-Konzentration in der Atmosphäre auf ein akzeptables Maß zu begrenzen. Maßnahmen, die das Treibhausgas aus der Atmosphäre zurückholen, werden deshalb intensiv diskutiert. Derzeit allerdings emittiert die Menschheit noch 37 Gigatonnen Kohlendioxid und damit zehn Tonnen Kohlenstoff pro Jahr (Daten für 2018). Können Bäume da einen hinreichenden Beitrag leisten?

Wie deutsche Experten auf die Schweizer Aufforstungsstudie reagiert haben, fasst bioökonomie.de kompakt zusammen. Wir haben uns hierbei auf das umfangreiche Zitatematerial des Science Media Center Germany gestützt.

„Grundsätzlich ist zu bedenken, dass forstliche Klimaschutzmaßnahmen allein viel zu gering sind, um ambitionierte Klimaschutzziele zu erreichen“, kritisiert beispielsweise der Geoökologe Markus Lindner vom European Forest Institute. Wichtig sei aber, den Nutzen der Aufforstung als einen Baustein der Klimapolitik zu erkennen. „Es hat sich gezeigt, dass die CO2-Speicherung in Sekundärwäldern lange deutlich unterschätzt worden ist.“ Zweifel hat der Wissenschaftler dennoch an der praktischen Umsetzung: „Es geht in der Studie um Wiederbewaldung und die größten Potenziale wurden in Russland identifiziert. Dort haben in den letzten Jahren riesige Waldbrände gewütet und die betroffenen Flächen bieten sich zur Wiederbewaldung an.“ Es sei allerdings fragwürdig, inwieweit gerade in Russland eine aktive Wiederbewaldung gefördert werden könne, da dort die technischen Mittel, Arbeitskräfte und auch eine verlässliche institutionelle Unterstützung für solche Maßnahmen fehlten – anders als beispielsweise in China.

Aufforstungspotenzial wohl überschätzt

Kritik an den Berechnungen der Studie äußert Klimaforscherin Almuth Arneth vom Karlsruher Institut für Technologie: Die Studie berücksichtige weder, dass durch Brände, Stürme oder Schädlinge große Waldflächen verlorengehen können. „Dadurch entstehen Kohlenstoff-‚Verluste‘, die das Potenzial reduzieren, CO2 langfristig zu binden.“ Noch sei das Bevölkerungswachstum einkalkuliert und damit der steigende Bedarf an Ackerflächen. Außerdem warnte sie: „Wenn man Wälder zu reinen Kohlendioxid-Senken reduziert, dann läuft man natürlich Gefahr, dass Aufforstungsprogramme nicht nachhaltig sind. Monokulturen nutzen zum Beispiel der Biodiversität ganz und gar nicht und können auch durchaus negative Effekte auf den lokalen Wasserhaushalt haben.“

Eine weitere Einschränkung hebt die Agrarökonomin Ruth Delzeit von der Universität Kiel hervor: „In der Studie nimmt das Autorenteam Schutzflächen stellvertretend für Flächen mit wenigen menschlichen Aktivitäten, sprich: Die Flächen gehen in die Berechnung des Flächenpotenzials zur Aufforstung – die sogenannte Restoration – ein.“ Allerdings werde ein Drittel der Schutzflächen derzeit intensiv bewirtschaftet, weshalb die potenziellen Aufforstungsflächen in der Studie überschätzt sein dürften.

Aufforstung kann nur ein Teilaspekt des Klimaschutzes sein

Klimaforscher Stefan Rahmstorf vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung lenkt zudem den Blick auf die Zahlen in der Studie: Wenn die maximal mögliche Aufforstung pro Jahr zwei bis vier Gigatonnen Kohlenstoff binde (ca. 200 Gt in 50 bis 100 Jahren), dann könne das angesichts der Emissionen von fast elf Gigatonnen pro Jahr nur ein Teilaspekt sein – insbesondere in den ersten Jahren, in denen der Aufforstungseffekt noch klein ist.

Konsens der Experten, die zur Aufforstungsstudie befragt wurden, ist daher, dass die wichtigste Aufgabe in der Vermeidung von Treibhausgasen liegt: „Wir kommen nicht umhin, Emissionen aus der Verbrennung fossiler Brennstoffe schnellstens und umfassend zu reduzieren. Dies hätte schon vor Jahrzehnten stattfinden sollen und die Zeit rennt einfach davon“, argumentiert Arneth. Ähnlich äußert sich Felix Creutzig, vom Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change: „Die Aufforstung kann trotz allen Potenzials nur eine von vielen Maßnahmen für den Klimaschutz sein. Eine rasche Abkehr vom fossilen Wirtschaftsmodell ist notwendig und kann mit Hilfe eines sektorübergreifenden CO2-Preises am besten erreicht werden.“

Lokale Effekte der Wälder nicht unterschätzen

Bei allen Bedenken, was das Ausmaß des globalen Klimaschutzpotenzials durch Aufforstung betrifft, betonen viele Experten die lokale und regionale Bedeutung der Wälder. So erläutert die Geografin Julia Pongratz von der LMU München: „Mehrere neuere Analysen von Beobachtungsdaten und Modellsimulationen zeigen, dass Wälder in vielen Regionen – insbesondere der mittleren Breiten und der Tropen – über die biogeophysikalischen Effekte die Lufttemperatur abkühlen, mitunter um mehrere Grad. Auch Temperaturextreme werden mitunter abgemildert.“ Aufforstung und andere Landnutzungsänderungen könnten somit wichtige Maßnahmen zur Adaption sein, der Anpassung an den Klimawandel. „Im Idealfall dienen Wälder gleichzeitig der Adaption vor Ort und der Minderung des globalen Temperaturanstiegs.“

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Kohlendioxid bildet für viele Organismen die Grundlage, um durch ihren Stoffwechsel Kohlenstoffverbindungen zu erzeugen. Pflanzen und bestimmte Bakterien nutzen dazu die Photosynthese, andere Bakterien die Chemosynthese. Tiere besitzen diese Fähigkeit jedoch nicht und haben deshalb Symbiosen mit entsprechenden Einzellern gebildet. Auch das Bakterium Kentron galt bislang als chemosynthetischer Symbiont des Wimperntierchens Kentrophoros. Die Wahrheit ist jedoch viel interessanter, wie Forscher des Bremer Max-Planck-Instituts für marine Mikrobiologie gemeinsam mit internationalen Kollegen im Fachjournal „mBio“ berichten.

Unfähig, Kohlendioxid zu fixieren

„Entgegen unseren Erwartungen haben wir keines der bekannten Gene entdeckt, die für die Fixierung von CO2 erforderlich sind“, berichtet Erstautor Brandon Seah. „Aus seinen Genen zu schließen, verwendet Kentron kleine organische Verbindungen und verwandelt diese in Biomasse“, erklärt Nicole Dubilier, Direktorin am Max-Planck-Institut für marine Mikrobiologie und leitende Autorin der Studie. „Kentron wandelt höchstwahrscheinlich Abfallprodukte aus der Umwelt und von ihren Wirten in höherwertige Biomasse um, um seinen Wirt zu ernähren. So gesehen betreibt Kentron ein Upcycling, es wertet den Abfall auf.“ Der Wirt, das Wimperntierchen, ist so sehr von seinem Symbionten abhängig, dass er nicht einmal mehr einen Mund besitzt.

Deutlicher Unterschied zu anderen Symbionten

Isotopen-Analysen der Proteine des Bakteriums bestätigten, was die Gene nahelegten: Der sogenannte Stabile-Isotopen-Fingerabdruck von Kentron unterscheidet sich stark von dem anderer chemosynthetischer Symbionten. „Das zeigt deutlich, dass Kentron seinen Kohlenstoff anders bekommt als andere Symbionten“, so Seah. Welche Vor- oder Nachteile diese Strategie dem Bakterium bietet, wollen die Forscher als nächstes untersuchen.

Konsequenzen für Modelle des Kohlenstoffkreislaufs

Die Entdeckung könnte aber schon jetzt weitreichende Konsequenzen haben: „Organische Substrate aus der Umwelt aufzunehmen und Abfälle ihrer Wirte zu recyceln, könnte in diesen Symbiosen wichtiger sein, als bisher vermutet“, schließt Mitautor Harald Gruber-Vodicka vom Max-Planck-Institut für marine Mikrobiologie. Es könne somit nötig sein, die ökologischen Modelle des Kohlenstoffkreislaufs anzupassen.

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Carbon dioxide forms the basis for many organisms to produce carbon compounds through their metabolism. Plants and certain bacteria use photosynthesis, other bacteria use chemosynthesis. However, animals do not possess this ability and have therefore formed symbioses with protozoa. The bacterium Kentron has also been regarded as a chemosynthetic symbiont of the ciliate Kentrophoros. However, the truth is much more interesting, as researchers from the Max Planck Institute for Marine Microbiology and international colleagues report in the scientific journal "mBio".

Incapable of fixating carbon dioxide

"Con­trary to our ex­pect­a­tions, we could­n’t find any of the known genes for the fix­a­tion of CO2," reports first author Brandon Seah. "From their genes, it seems that Kentron uses small or­ganic com­pounds and turns those into bio­mass," explains Nicole Dubilier, director at the Max Planck Institute for Marine Microbiology and lead author of the study. "In this sense, Ken­tron is up­cyc­ling the garbage. It most prob­ably re­cycles waste products from the en­vir­on­ment and from their hosts into ‘higher value’ bio­mass to feed their hosts." The host, the ciliate, is so dependent on its symbiote that it no longer even has a mouth.

Clear difference to other symbionts

Isotope analyses of the bacterium's proteins confirmed what the genes suggested: Kentron's stable isotope fingerprint differs greatly from that of other chemosynthetic symbionts. "This clearly shows that Ken­tron is get­ting its car­bon dif­fer­ently than other sym­bionts," says Seah. The researchers will now investigate the advantages and disadvantages of this strategy for the bacterium.

Consequences for models of the carbon cycle

However, the discovery could already have far-reaching consequences: "Up­take of or­ganic sub­strates from the en­vir­on­ment and re­cyc­ling waste from their hosts might play a big­ger role in these sym­bi­oses than pre­vi­ously thought," concludes co-author Harald Gruber-Vodicka of the Max Planck Institute for Marine Microbiology. It might therefore be necessary to adapt the ecological models of the carbon cycle.

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