Aktuelle Veranstaltungen

Rizinus schützt den Motor

Bauteile im Motorraum eines Autos müssen extremen Hitzebelastungen von über 200 Grad Celsius gewachsen sein. Daimler setzt bei der Mercedes-A-Klasse Motorabdeckungen aus Biopolyamiden ein. Während konventioneller Kunststoff aus Erdöl hergestellt wird, besteht die Abdeckung zu einem großen Teil aus Rizinusöl. Das Öl wird aus den Samen des Wunderbaums Ricinus communis gewonnen, der zur Familie der Wolfsmilchgewächse gehört. Der Baum wird unter anderem in den Tropen auf kargen Böden angebaut, die Früchte sind nicht essbar.

So wird die Haube grün

Aus dem Rizinusöl gewinnt der niederländische Chemiekonzern DSM einen Synthesebaustein namens Sebacinsäure. Zusammen mit weiteren – konventionell aus Erdöl gewonnenen – Bausteinen entsteht ein äußerst leistungsfähiger Biokunststoff. Das sogenannte Polyamid ist zu 70% biobasiert. Als Granulat wird das Kunststoffmaterial dann bei Daimler zu Motorabdeckungen verarbeitet. Es ist hitzestabil und rüttelfest.

Marktreife

Die Motorabdeckung aus Biopolyamiden auf Basis von Rizinusöl wird seit 2013 serienmäßig in der A-Klasse von Mercedes verbaut.

Castor oil protects the engine

Components in the engine compartment of a car must be able to withstand extreme heat loads of over 200 degrees Celsius. Daimler uses biopolyamide engine covers for the Mercedes A-Class. While conventional plastic is produced from crude oil, the cover consists largely of castor oil. The oil is extracted from the seeds of the castor oil plant Ricinus communis, which belongs to the spurge family. The tree is cultivated in the tropics on barren soils, among other places, and the fruits are not edible.

How the bonnet turns green

The Dutch chemical group DSM extracts a synthetic building block called sebacic acid from castor oil. Together with other building blocks - conventionally extracted from crude oil - an extremely efficient bioplastic is produced. The so-called polyamide is 70% biobased. The plastic material is then processed as granulate at Daimler to form engine covers. It is heat-stable and vibration-resistant.

Ready for the market

The engine cover made of biopolyamides based on castor oil has been fitted as standard in the Mercedes A-Class since 2013.

Phosphor ist ein entscheidendes Element für alle Lebewesen und Bestandteil vieler kleiner und großer natürlicher Phosphorverbindungen, in denen Phosphor hauptsächlich an Sauerstoff und Stickstoff gebunden ist. In der Zelle kommen sogenannte phosphorylierte Bausteine sehr häufig bei Zwischen- und Abbauprodukten des Stoffwechsels, den Metaboliten, vor.

Biochemikalien mit Phosphorgruppen sind sowohl in der Forschung als auch in Anwendungen von großem Interesse. Sie werden zum Beispiel als Enzymsubstrate für die Messung von Enzymaktivitäten, für die Entdeckung neuer biologischer Funktionen, als Referenzmaterialien in Analytik und Diagnostik oder als Bestandteil von definierten Zellkulturmedien eingesetzt.

In einem Forschungsverbundprojekt haben Biotechnologen aus Deutschland und der Schweiz nach neuen, industriell anwendbaren Möglichkeiten gesucht, um solche phosphorylierten Metabolite mithilfe von enzymatischen Verfahren zu gewinnen. Koordiniert hat das Projekt Roland Wohlgemuth von Sigma-Aldrich, ein Unternehmen, das seit November 2015 zum Darmstädter Pharma- und Chemiekonzern Merck gehört. „Phosphorylierte Metabolite und die dabei entwickelten neuen analytischen und präparativen Wege sind von großem Interesse, für die Grundlagenforschung und die angewandte Forschung in den Lebenswissenschaften, aber auch für nachhaltige Prozesslösungen“, sagt Wohlgemuth.

Stoffwechselprodukte synthetisch herstellen

Im Rahmen des Clusters „Biokatalyse2021: Biokatalyse auf neuen Wegen“ der Förder-initiative Bioindustrie 2021 wurde das Projekt mit dem Titel „Neue biokatalytische Phosphorylierungen von Metaboliten“ vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) von 2012 bis 2015 über eine Laufzeit von dreieinhalb Jahren mit insgesamt knapp 400.000 Euro gefördert.

Das Verbundprojekt teilte sich in drei übergreifende Teilprojekte auf, innerhalb derer die unterschiedlichen Arbeitsbereiche von den Partnern des Projekts bearbeitet wurden: Im Teilprojekt „Screening“, geleitet von Wolfgang Streit von der Universität Hamburg, wurden verschiedene Methoden und Strategien entwickelt, um für die gewünschten Umsetzungen neuartige phosphorylierende Enzyme aus Bakterien und Archaeen zu finden und zu charakterisieren. Dabei wurde das Potenzial unkultivierbarer Mikroorganismen und deren Metagenom als auch das Potenzial bereits bekannter Organismen erschlossen. Die gesuchten Enzyme mit hoher Aktivität wurden anschließend mithilfe der gut bekannten Labormikrobe Escherichia coli produziert, um damit die Bioverfahren zur Herstellung der phosphorylierten Metaboliten zu entwickeln.

Im Teilprojekt „Biokatalyse“, geleitet von Andreas Liese von der Technischen Universität Hamburg wurden die Anwendung der Enzyme unter Einbezug der Phosphor-Donoren und deren Regeneration, die Bioverfahrenstechnik und die Charakterisierung der enzymatischen Reaktionsschritte bearbeitet, um sie für zukünftige Produktionsverfahren zu etablieren. In dem von Roland Wohlgemuth geleiteten Teilprojekt „Scale Up“ ging es im Hinblick auf industrielle Anwendungen um analytische und technologische Methoden bei der Biokatalyse sowie der Aufreinigung der Produkte im vergrößerten Produktionsmaßstab.

Milde und genaue Einführung von Phosphor

Obwohl phosphorylierte Metabolite und Phosphor übertragende Enzyme in der Natur weit verbreitet sind und in vielen zentralen Stoffwechselprozessen, wie etwa der Glykolyse, eine wichtige Rolle spielen, waren wichtige phosphorylierte Metabolite für Anwender bisher nicht in reiner und stabiler Form verfügbar. Es fehlte sowohl an schonenden und selektiven Syntheseverfahren, wie auch an einer entsprechenden Hochleistungsanalytik.

Die Entwicklung von neuen leistungsfähigen Analyse-Verfahren war zu Beginn des Projekts ein wichtiger Erfolgsfaktor, um Herausforderungen zu erkennen und zu meistern. Ein besonderes Augenmerk legten die Forscher dabei auf die Stabilität der Moleküle – also die Enzyme, die Ausgangs- und Zwischenprodukte und die phosphorylierten Metabolite.Die Analysen der Reaktionen mittels NMR-Spektroskopie und Dünnschichtchromatographie (TLC), auch in Kombination mit der Massenspektroskopie, stellten sich dabei als besonders ergiebig heraus. Sie wurden im Forschungsverbund entsprechend weiterentwickelt, bis nach einigen Feinjustierungen die gewünschten Entwicklungen zur Synthese der Zielmetaboliten gelang.    

Spiegelbilder auseinanderhalten

Da die Zielmoleküle in unterschiedlichen räumlichen Strukturen, die sich bildlich gesprochen wie linke und rechte Hand verhalten, standen die Forscher noch vor der Herausforderung der Produktion von genau einer räumlichen Struktur der Zielmetaboliten, was als asymmetrische Synthese bezeichnet wird.

Diese Zielmetaboliten sind wie „Bild“ und „Spiegelbild“, ein Phänomen, das Chemiker Chiralität nennen. Liegen Moleküle nur als „Bild“ oder nur als „Spiegelbild“ vor, bezeichnet man diese als enantiomerenrein. Das Ideal enantiomerenreiner Produkte ist ein hochaktuelles Ziel der asymmetrischen Synthese.

Enzyme als Biokatalysatoren sind darauf spezialisiert, nur eines der beiden Enantiomere herzustellen, was aber in den Synthesen durch entsprechende Analysen auch gezeigt werden muss. Obwohl die beiden Strukturen aus den exakt gleichen Elementen und Bindungen bestehen, können sie sehr unterschiedliche biologische Funktionen ausüben, wie z.B. unterschiedliche Wirkungen von Pharmazeutika auf den Menschen oder unterschiedliche Geruchswahrnehmung von Aromastoffen.

Auf der Suche nach verlässlichen Detektionsmethoden für die Enantiomere haben die Biotechnologen eine Reihe unterschiedlicher Methoden für die verschiedenen Aufgabenstellungen entwickelt, vor allem 31P-NMR-Spektroskopie und die Hochleistungsflüssigkeitschromatographie (HPLC) in Kombination mit der Massenspektroskopie.

Wirtschaftliche und wissenschaftliche Ziele

Die Bilanz der Zusammenarbeit lässt sich sehen: es stehen nun wesentlich mehr Enzyme für biokatalytische Phosphorylierungen von Molekülen zur Verfügung, es wurden Verfahren entwickelt sowohl für das Auffinden und Herstellen dieser Enzyme, deren Analyse, als auch für die präparative Phosphorylierung von Metaboliten.

In dem Konsortium wurden in Konsequenz industrielle Prozesse zur Synthese der als Zielmoleküle definierten Phosphor-enthaltenden Stoffwechselprodukte etabliert und die gewonnenen Erkenntnisse wurden in wissenschaftlichen Fachzeitschriften veröffentlicht.

Roland Wohlgemuth erklärt: „Die neuen Erkenntnisse können auch stimulierend wirken für die Entwicklung vieler weiterer neuer Bioprozesse im Zusammenhang mit sicheren, gesunden und umweltfreundlichen industriellen Phosphorylierungen und nachhaltigen Phosphor-Kreisläufen.“

Autorin: Judith Reichel

Die Schallplatte hat eine lange Tradition. Doch seit die ersten CDs Anfang der 1990iger Jahre den Markt eroberten, fristet die Musikscheibe ein Nischendasein. Durch das Aufkommen neuer digitaler Tonträger ist die Platte zu einem Kultobjekt geworden. Die alte Musikscheibe könnte jedoch schon bald in einem zeitgemäßen Gewand ein nachhaltiges Comeback erleben. Alexander Rex von der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle forscht seit Jahren an einer neuen umweltfreundlichen Alternative zu den erdölbasierten Vinylscheiben.

PLA statt Vinyl

Im Rahmen eines Projektes an der Hochschule bekam der Student die Chance, sich mit seinen Design-Kommilitonen  mit dem Thema Musikwiedergabe auseinandersetzen. Sein Projekt „Vinyl 2.0“ zielt darauf ab, Biokunststoffe für die Schallplattenherstellung zu finden. Dabei setzt er auf Polylactide. Doch mit dem Biokunststoff Polymilchsäure (PLA) ist es nicht getan. „Für den Einsatz solcher Kunststoffe müssten Maschinen umgerüstet, Abläufe verändert werden“, sagt Rex.

Protein-, vitamin- und mineralstoffhaltig

Die Weltbevölkerung nimmt zu, die Ressourcen werden knapp. Ein wichtiger Beitrag zur Ernährungssicherung könnte es sein, Insekten zu züchten statt Rinder, Schweine und Geflügel. Insekten sind reich an Proteinen, Vitaminen, Mineralstoffen und ungesättigten Fettsäuren. Insekten verbrauchen außerdem deutlich weniger Ressourcen als ihre vierbeinigen Gegenstücke. Laut Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) wird, um ein Pfund Rindfleisch zu erzeugen bis zu zwölfmal mehr Futter verbraucht als für die äquivalente Menge Insekten. Sowohl der Wasser- als auch der Flächenverbrauch wird also deutlich verringert und auch der CO2-Ausstoß um ein Hundertfaches reduziert.

Gesund, schmackhaft und nachhaltig

Diese Überlegungen nahmen die Gründer des Start-ups Bugfoundation zum Anlass, Nahrungsmittel aus Insekten zu entwickeln. Ihr Burger sollte nicht nur gesund und schmackhaft sein, sondern auch massentauglich. Gemeinsam mit dem Deutschen Institut für Ernährung, der Hochschule Osnabrück und anderen Partnern wurde an der optimalen Textur, an Geruch und Optik gearbeitet. Entstanden ist der Bux Burger – er besteht zu 43% aus Buffalo-Würmern (alphitobius diaperinus), sowie diversen vegetarischen Zutaten. Um den Konsumenten die Scheu vor dem Verzehr der überaus nachhaltigen und gesunden Insekten zu nehmen, wurde auch an Kommunikation und Marketingstrategie gefeilt.

Marktreife

In Belgien und den Niederlanden sind die Burger bereits seit 2015 zu haben. Laut einer EU-Verordnung sind Insekten seit dem 1. Januar 2018 Lebensmittel. Seither stehen die Burger auch in den Kühlregalen deutscher Lebensmittelmärkte.

Containing protein, vitamins and minerals

The world population is growing and resources are becoming scarce. An important contribution to food security could be breeding insects instead of cattle, pigs and poultry. Insects are rich in protein, vitamins, minerals and unsaturated fatty acids. Insects also consume significantly less resources than their four-legged counterparts. According to the Food and Agriculture Organization of the United Nations (FAO), producing one pound of beef consumes up to twelve times more feed than producing the equivalent amount of insects. Both water and land consumption are thus significantly reduced and CO2 emissions are also reduced a hundredfold.

Healthy, tasty and sustainable

These considerations prompted the founders of the start-up Bugfoundation to develop food from insects. Their burger should not only be healthy and tasty, but also suitable for mass consumption. Together with the German Institute of Nutrition, Osnabrück University of Applied Sciences and other partners, work was carried out on the optimal texture, smell and appearance. The result is the Bux Burger - 43% of which consists of Buffalo worms (alphitobius diaperinus) and various vegetarian ingredients. In order to relieve consumers of their fear of eating the extremely sustainable and healthy insects, communication and marketing strategy were also refined.

Ready for the market

In Belgium and the Netherlands, burgers have been available since 2015. According to an EU regulation, insects have been defined as food since 1 January 2018. Since then, burgers have also been on the refrigerated shelves of German food markets.

Milch-, Fleisch- oder Fischwaren werden ungenießbar, wenn sie nicht kühl gelagert werden. In den warmen Entwicklungs- und Schwellenländern gehört dies aber zum Alltag. Ein Drittel der Lebensmittel verderben dort, weil es an Transport, Lager- und Kühlmöglichkeiten mangelt. Hinzu kommt, dass die verdorbene Ware nicht richtig entsorgt wird, was wiederum hygienische und gesundheitliche Probleme nach sich zieht.

Kälte aus biogenen Abfällen erzeugen

Forscher vom Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik UMSICHT haben für die drängenden Probleme der Lebensmittelkühlung und Abfallentsorgung nun eine effiziente Lösung gefunden. Sie entwickelten für Partner in Indien eine „Bio-Kälte-Anlage“, die Reststoffe aus Fischverarbeitung und Landwirtschaft nutzt, um damit Kälte zur Kühlung von Lebensmitteln zu erzeugen. „Die Idee zur Bio-Kälte-Anlage entstand im Rahmen eines Fraunhofer-Ideenwettbewerbs 2015. Mithilfe einer Anschubfinanzierung konnten wir schließlich das technische Konzept für die Anlage ausarbeiten“, erzählt Clemens Pollerberg, der gemeinsam mit Michael Joemann das Projekt „BioKälte“ bei Fraunhofer UMSICHT betreut.

Mobile Kühlcontainer

Die im Projekt entwickelte Anlage besteht aus Fermenter, Gasbrenner, Absorptionskältemaschine und Rückkühlwerk, die zusammen mit dem Lagerraum für Lebensmittel in zwei mobilen etwa 12 Meter großen Containern untergebracht sind. Abhängig von der Zusammensetzung der Biomasse kann die Bio-Kälte-Anlage zwischen drei und fünf Tonnen Bioabfälle pro Tag verarbeiten. Ein entscheidender Vorteil: Das System funktioniert auch ohne Stromnetz. Es kann mit Solarpanelen und Wärme-Kopplungsanlagen kombiniert und somit überall aufgestellt werden. Außerdem können die bei der Fermentation anfallenden Reststoffe zu Düngemitteln für die Landwirtschaft weiterverarbeitet werden.

Demonstrationsanlage in Indien

Seit April 2017 laufen bereits die Vorbereitungen zum Bau einer Demonstrationsanlage in Indien. „Derzeit planen wir mit unseren Industriepartnern den Bau der wichtigsten Anlagenkomponenten – also die Entwicklung eines Fermenters in Containerbauweise zur Nutzung verschiedener Biomassen, sowie die Entwicklung einer Absorptionskältemaschine für die spezifischen Rahmenbedingungen in Indien“, erklärt Pollerberg. Dafür stehen den Forschern und ihren indischen Partnern im Rahmen eines weiterführenden Projektes, dem sogenannten „BIGASTORE“, 325.000 Euro zur Verfügung. Die Finanzierung erfolgt im Rahmen der Strategie der Bundesregierung zur Internationalisierung von Wissenschaft und Forschung – Richtlinie zur Förderung der Wissenschaftlich-Technologischen Zusammenarbeit in Indien. Bau, Installation und Inbetriebnahme der Demonstrationsanlage werden durch die indischen Partner umgesetzt. Wo genau die Bio-Kälte-Anlage gebaut werden soll, wollen die Fraunhofer-Forscher Ende des Jahres gemeinsam mit ihren indischen Partnern bei einem Treffen vor Ort entscheiden.

bb

Häuser und andere Bauwerke müssen nicht nur stabil sein, sondern auch die Nachhaltigkeit ihrer Bauweise rückt immer mehr in den Fokus von Architekten und Konsumenten. Wissenschaftler des Karlsruher Instituts für Technologie KIT im Fachgebiet Nachhaltiges Bauen suchen deshalb nach Alternativen zu konventionellen Baumaterialien.

Eine interessante Alternative stellt das Wurzelwerk von Pilzen dar. Noch bis zum 5. November präsentieren die Forscher unter dem Titel „Beyond Mining – Urban Growth“ bei der Seoul Biennale of Architecture and Urbanism 2017 ihren „MycoTree“: eine Struktur aus Pilzmyzelium und Bambus, deren Geometrie sie mittels grafischer Statik in 3D optimiert und tragfähig gemacht haben.

Regenerative Materialien in der Architektur

Bisher gibt es einige wenige Baustoffe, die fast immer und überall eingesetzt werden. Doch die Ressourcen sind endlich: Sand, ein wichtiger Zuschlagstoff für Beton, könnte in manchen Regionen bald ausgehen, und der Einsatz von Stahlbeton macht viele Länder von Importen abhängig. Die Forscher des KIT ergründen deshalb gemeinsam mit der Block Research Group (BRG) an der ETH Zürich den Einsatz regenerativer Materialien in der Architektur. Das interdisziplinäre Karlsruher Team aus Architekten, Bau- und Bioingenieuren, Material- und Energiewissenschaftlern wird von Karsten Schlesier und Felix Heisel angeleitet. Der Leiter des Fachgebiets Nachhaltiges Bauen, Dirk Hebel, erklärt die Idee hinter dem Projekt: „Unsere Vision ist, Häuser künftig sozusagen wachsen zu lassen und nach Ende ihrer Nutzung die Baustoffe wiederzuverwerten.“

Leichte, gut isolierende Bausteine

Bei dem „MycoTree“ den die Forscher in Seoul präsentieren, handelt es sich um eine Struktur aus Pilzmyzelium und Bambus. Ein Myzel ist das Wurzelwerk von Pilzen, ein schnell wachsendes feines Geflecht aus fadenförmigen Zellen. Die Pilze ernähren sich von Cellulose, dem Hauptbestandteil pflanzlicher Zellwände, und wandeln diese in Chitin um.

Um Bausteine aus Myzelien herzustellen, verwenden die Forscher aus Karlsruhe und Zürich den Pilz Ganoderma lucidum (Glänzender Lackporling) und mischen Pilzgewebe mit Holzspänen oder anderen pflanzlichen Abfällen. Unter Aufsicht des Industriepartners Mycotech in Indonesien kann in wenigen Tagen eine dichte, schwammähnliche Substanz aus miteinander verflochtenen Zellfäden wachsen. Diese Masse lässt sich in fast jede Form füllen, wo sie sich über einige Tage weiter verdichtet.

Abschließend wird sie getrocknet, um das Wachstum zu stoppen und den Pilz abzutöten. Das Ergebnis sind leichte Bausteine, die gut isolieren und sich zu selbsttragenden Strukturen aufeinander schichten lassen. Das Team um Hebel arbeitet außerdem an neuartigen Verbundwerkstoffen mit Bambus. Dieser besitzt lange, stabile Fasern und wächst deutlich schneller als Holz.

Durch grafische Statik Belastbarkeit erhöhen

Ein Nachteil vieler nachhaltiger und ökologischer Materialien war bisher, dass ihre Druck- und Zugbelastbarkeit relativ gering war. Durch gezielte Gestaltung der geometrischen Form und des inneren Kräfteflusses lassen sich diese Eigenschaften jedoch wesentlich verbessern.

Die Wissenschaftler am KIT und der ETH Zürich greifen dabei auf Methoden grafischer Statik zurück, bei der statische Aufgaben zeichnerisch gelöst werden. Mithilfe moderner Software erweitern sie die traditionell zweidimensionale grafische Statik auf die dritte Dimension. „Nachwachsende Baustoffe erhalten so das Potenzial, konventionelle Materialien in vielen architektonischen Strukturen zu ersetzen“, erklärt Hebel.

jmr

Buildings have to be much more than four walls and a roof. They have to withstand rain and wind and provide shelter. But more recently another aspect has come into focus as well: they have to be made of sustainable material. Therefore, researchers at the Karlsruhe Institute of Technology (KIT) are looking for alternative building materials.

They found that the root system of fungi offers an excellent alternative option. The researchers are presenting their “MycoTree” at the Seoul Biennale of Architecture and Urbanism 2017 until November 5. The structure is made of mycelia, the largely underground filaments of fungi, and bamboo. Using graphical, three-dimensional static overlays the researchers were able to optimise the structure and make it viable and stable.

Renewable materials for the building trade

Until now there have only been a limited number of building materials available, which were therefore used almost ubiquitously. However, these resources are limited: for instance, sand, an important aggregate for concrete, is already becoming sparse in some regions; moreover, the usage of reinforced concrete binds many countries to import trade deals.

Together with the Block Research Group at ETH Zurich, researchers at KIT are investigating the use of renewable materials in architecture. Karsten Schlesier and Felix Heisel head the multidisciplinary team, which consists of architects, civil- and bioengineers, as well as researchers from the field of material- and energy sciences.

Lightweight building blocks

The “MycoTree” that the scientists are presenting in Seoul is made of mycelia, the underground fibre network of fungi, and bamboo. The mycelia are a fast growing network of filamentous cells. Fungi are feeding on cellulose, the main component of plant cells, and convert this into chitin. In order to produce building blocks out of the mycelia the research team used the fungi Ganoderma lucidum and mixed the fungi network with woodchips and other plant-based waste materials.

Mycotech, an industry partner in Indonesia, can grow a thick, sponge-like substance within a few days. Subsequently, this substance can be transferred into almost any form, where it will continue to grow for a few more days. Following this the substance is dried in order to stop the growth and to kill the fungi. The end results are lightweight building blocks that have great insulation capacities and can be applied in stable and self-sufficient layers.

Graphical static modelling improves load-bearing

Thus far, one disadvantage of many sustainable and eco-friendly building materials has been their relative lack of mechanical strength. However, by specifically designing the geometric form and thus the intrinsic forces, these qualities can be greatly improved.

For this the researchers at KIT and ETH employ graphical static techniques that solve problems at the drawing board. By using this new technology they broadened the traditionally two-dimensional graphical static to include the third dimension. This combination of techniques could allow for renewable and sustainable materials to replace conventional building methods and materials.

jmr

10 % des bisherigen Grundkapitals der Brain AG gehen damit an den neuen Investor, die DAH Beteiligungs GmbH über. Dem Bioökonomie-Unternehmen fließen damit rund 28 Mio. Euro brutto zu. Hinter dem Mannheimer Finanzier steht Daniel Hopp. Der Sohn von SAP-Gründer und Multimilliardär Dietmar Hopp hat sich vor allem als Manager des Eishockey-Clubs Adler Mannheim, den er von der Beinahe-Pleite zum wirtschaftlichen Erfolg führte, einen Namen gemacht. Hopps Beteiligungsfirma zeichnete Anfang September 1.641.434 neue Stückaktien. Infolge der Kapitalerhöhung beläuft sich das Grundkapital der Brain AG nun auf rund 18 Mio. Euro. Durch die Maßnahme fließt der Gesellschaft ein Bruttoemissionserlös in Höhe von rund 28 Mio. Euro zu.

Jürgen Eck, Vorstandsvorsitzender der Brain AG, verweist auf Langfristigkeit und Nachhaltigkeit von Hopps Investmentstrategie: „Der Einstieg der DAH Beteiligungs GmbH, eineinhalb Jahre nach unserem erfolgreichen Börsengang, ist ein weiterer wichtiger Meilenstein in unserer Wachstumsstrategie.“ Dabei setzt die Brain AG auf die Biologisierung von klassischen Industrieverfahren und die Entwicklung neuer ressourcenschonender Produkte, zugunsten von mehr Nachhaltigkeit, Natur- und Klimaschutz. Ein Beispiel dafür ist auch die im vergangenen Jahr geschlossene "Dolce-Allianz", die natürliche Süßstoffe und Geschmacksverstärker entwickeln will.

Akquisitionen ausbauen

Finanzvorstand Frank Goebel will mit dem Kapital Brains Wachstumsstrategie fortführen und besonders in kleine und mittelgroße Akquisitionen investieren: „Ziel dabei ist es, neben der Intensivierung von Forschungskooperationen mit Industriepartnern auch eigene biotechnologische Produktkandidaten zu entwickeln und zu vermarkten.“

ml/bb

Die Ernährungsgewohnheiten der Menschen sind sehr verschieden. Die einen bevorzugen Fleisch, andere mögen lieber Fisch und manch einer lehnt jegliche tierische Kost ab. Doch der Verzicht auf bestimmte Lebensmittel birgt auch das Risiko, dass der Körper nicht im ausreichenden Maße mit Nährstoffen versorgt wird. So müssen Veganer beispielsweise den Mangel an Vitamin B12 ausgleichen, der ihnen durch den Verzicht auf tierische Lebensmittel entsteht. Ob Nahrungsergänzungsmittel die Nährstofflücken in jedem Fall schließen, ist bisher nicht bewiesen.

Ernährungskonzepte mit Humanstudien validieren

Ernährungswissenschaftler der Friedrich-Schiller-Universität Jena wollen in den kommenden fünf Jahren nun gezielt Ernährungskonzepte für die jeweiligen Ernährungstypen erarbeiten und deren Wirksamkeit in einjährigen Humanstudien prüfen. Zur Durchführung dieser ernährungsassoziierten Studien wird am Institut für Ernährungswissenschaften in Jena extra ein neues Studienzentrum eingerichtet. „Unser Ziel ist es, Ernährungskonzepte für gesunde Personen mit unterschiedlichen Ernährungsgewohnheiten zu entwickeln, mit denen sichergestellt werden kann, dass sie alle notwendigen Nährstoffe in ausreichender Menge aufnehmen“, erklärt die Leiterin der neugegründeten Nachwuchsforschergruppe „Nutritional Concepts“, Christine Dawczynski.

Biomarker als "Fingerabdruck" der Ernährung

Bei einem Screening sollen zunächst die Essgewohnheiten der Probanden erfasst und dann Biomarker identifiziert werden, die bestimmte Ernährungsmuster zuverlässig beschreiben. „Wir wollen Biomarkerprofile als eine Art Fingerabdruck des Ernährungsmusters etablieren, um dadurch Probandengruppen besser charakterisieren zu können und den Einfluss der Ernährungsmuster stärker in der Auswertung der Studienergebnisse berücksichtigen zu können“, erklärt die Jenaer Ernährungswissenschaftlerin. Mit Hilfe des Fingerabdrucks wollen die Wissenschaftler Zusammenhänge zwischen der Nährstoffzufuhr und dem Gesundheitszustand sichtbar machen. Schon heute lassen sich etwa Omega-3-Fettsäuren marinen Ursprungs, beispielsweise aus Fisch, im Blut nachweisen. Vergleichbare Biomarker will das Jenaer Team auch für ballaststoffreiches Getreide, Fleisch, Milchprodukte, Schokolade, Fast Food, Gemüse und Obst etablieren.

Die Nachwuchsforschergruppe ist am Kompetenzcluster für Ernährung und kardiovaskuläre Gesundheit (nutriCARD) der Universitäten Jena, Halle und Leipzig angesiedelt und wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit knapp 2,7 Millionen Euro unterstützt.

bb

Auf dem Weg zu einer biobasierten Wirtschaft gewinnen Nutzpflanzen zunehmend an Bedeutung. Bevölkerungswachstum und Klimawandel sind gleichfalls Faktoren, welche die Forderung nach neuen ertragreichen und schädlingsresistenten Sorten unterstreichen. Um die Entwicklung voranzutreiben, investieren Bund und Länder verstärkt in entsprechende Forschungsprojekte und Einrichtungen. So wird das Land Hessen den Bau einer neuen Pflanzenforschungsanlage an der Justus-Liebig-Universität (JLU) in Gießen mit einer millionenschweren Investition unterstützen. Mit dem feierlichen Spatenstich wurde Anfang September der Bau eingeleitet.

Leuchtturmprojekt für Hessens Pflanzenforschung

Die Baukosten von insgesamt 5,8 Mio. Euro werden zum Großteil über das HEUREKA-Investitionsprogramm des Landes Hessen finanziert. Der Gebäudekomplex soll im ersten Quartal 2019 fertig sein. „Unserer Auffassung nach wird hier ein Projekt entstehen, das mit seinen vielfältigen Funktionen für die Pflanzenforschung beispielgebend für die deutsche Universitätslandschaft sein wird“, sagte Finanzstaatssekretär Martin Worms bei dem Festakt.

Neue Gewächshäuser für Lehre und Forschung

Mit dem Neubau auf dem Campus Seltersberg will die JLU die veralteten Gewächshausanlagen ersetzen und mehreren Fachbereichen ein neues Forschungsdomizil schaffen. Die 920 Quadratmeter große Anlage wird aus zwei gläsernen Gewächshaustrakten bestehen, die durch einen eingeschossigen Mittelbau verbunden sind. Hier sollen zukünftig Pflanzen für Forschungs- und Lehrzwecke in der Entwicklungsbiologie, der Pflanzenphysiologie und der Pflanzenökologie angezogen werden. Stresstoleranzuntersuchungen, aber auch morphologisch-anatomische Vergleichsuntersuchungen sowie reproduktionsbiologische botanische Forschungen werden in dem Neubau dann praktiziert. Auch Symbionten, die nur an Wirtspflanzenmaterial vermehrt werden können, wie nützliche Mykorrhizapilze, sollen in den Gewächshäusern gezüchtet werden.

Neben den beiden großen Gewächshauskammern, die teil- beziehungsweise vollklimatisiert sind, stehen kleinere Einzelgewächshauszellen zur Verfügung, die eine flexible Nutzung mit individuellen Verschattungs- und Lüftungsmöglichkeiten gestatten. Darüber hinaus können Pflanzen in einer sogenannten „Open-top-Anlage“ zeitlich begrenzt auch Freilandbedingungen ausgesetzt werden.

Insektenforschung integriert

Neben Untersuchungen zum biologischen sowie biotechnologischen Pflanzenschutz werden in den neuen Gewächshäusern Pflanzenschadpilze wie Fusarien aber auch Insekten wie die Schwarze Bohnenlaus angezogen. „Mit dem Neubau erhalten das LOEWE-Zentrum für Insektenbiotechnologie und Bioressourcen sowie die darin verankerte Fraunhofer-Projektgruppe Bioressourcen eine neue exzellente Forschungsinfrastruktur. Damit werden dieser Forschungsschwerpunkt und der Hochschulstandort Gießen weiter nachhaltig gestärkt“, so der hessische Minister für Wissenschaft und Kunst Boris Rhein.

bb

Nährstoffe wie Phosphor und Stickstoff sind für das Pflanzenwachstum lebenswichtig. Überdüngung allerdings schadet nicht nur dem Boden, sondern ebenfalls der übrigen Umwelt einschließlich des Grundwassers. Denn alles was in den Boden kommt, landet auch im Grundwasser und steckt dort für lange Zeit fest. Der aktuelle Nitratbericht 2016 zeigt: Obwohl die Stickstoffbelastung in Deutschland generell rückläufig ist, wurden bei rund 28% der deutschen Grundwassermessstellen die zulässigen Nitratkonzentrationen überschritten. Seit Mai gelten nun in Deutschland strengere Regeln für die Düngung in der Landwirtschaft. Mit der Überarbeitung der Düngeverordnung (DüV) setzt die Bundesregierung die Vorgaben der Europäischen Kommission um und will damit erreichen, dass der Nährstoff nur dort an kommt, wo er hingehört – bei den Pflanzen.

Düngepraxis sichtbar machen

Um die Auswirkungen des veränderten Düngeverhaltens in der Praxis zeitnah sichtbar zu machen, wird in ausgewählten Praxisbetrieben seit Kurzem ein sogenanntes Frühindikationssystem erprobt. Hier sollen die Zusammenhänge zwischen Nitrat-Düngung, Nitrat-Dynamik und Nitrat-Bilanz im Boden erfasst werden, um so auf Schlag- und Betriebsebene einen unerwünschten Transport ins Grundwasser frühzeitig zu bemerken und zu beobachten. Das Demonstrationsvorhaben wird vom Julius-Kühn-Institut (JKI) koordiniert und vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) bis Ende 2019 mit 3,4 Mio. Euro finanziert. „Unser Ziel ist es, herauszufinden, ob die Indikatoren, die wir aus dem Trinkwasserschutz bereits kennen, auch bundesweit dazu geeignet sind, frühzeitig Nitratfrachten im Ackerbau sichtbar zu machen“, sagt Oliver Stock vom JKI. Für das Vorhaben wurden Praxisbetriebe in Bayern, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein ausgewählt, die jeweils verschiedene Standort-, Klima- und Produktionsbedingungen bedienen. Insgesamt wurden Messparzellen auf 576 landwirtschaftlichen Flächen, sogenannten Ackerschlägen, eingerichtet.

Einheitliches Monitoring für alle Bundesländer etablieren

Bei den Messungen konzentrieren sich die Forscher zum einen auf die Änderungen in den Nitratfrachten in bis zu drei Meter Tiefe, zum anderen auf die Entwicklung des Nitrat-Auswaschungspotenzials auf Betriebs- und Schlagebene auf Basis verschiedener Stickstoffbilanzen. „Es geht uns darum, ein Frühindikatorsystem zu entwickeln, das für ein einheitliches Monitoring in den Bundesländern eingesetzt und für die Nitratberichterstattung gegenüber der EU genutzt werden kann“, sagt Projektmitarbeiter Burkhard Schoo.

Änderungen der Düngung im Grundwasser nur verzögert messbar

Der durchschnittlich zu beobachtende Rückgang der Nährstoffbelastung in Deutschland spiegelt sich bislang bei Messwerten im Grundwasser noch nicht wieder. Dies liegt daran, dass die Fließzeiten des Sickerwassers bis zu 15 Jahre dauern und sich Änderungen in der Bewirtschaftung dort nur verzögert auswirken. Die Forscher rechnen jedoch damit, dass die neue Verordnung zu einer deutlichen Effizienzsteigerung bei der Düngung führen und damit auch die Belastung im Grundwasser sinken wird. „Die langfristig zu erwartenden Auswirkungen eines geänderten Düngeverhaltens auf die Belastung des Grundwassers sind daher auch der Kern des Demonstrationsvorhabens“, betont JKI-Wissenschaftler Martin Kücke. Mithilfe des Frühwarnsystems hoffen die Forscher, die Folgen der neuen Düngepraxis frühzeitig und präzise abschätzen zu können.

bb

 „Wir haben nur noch 34 Ernten, dann ist 2050 und wir haben zehn Milliarden Menschen auf dem Planeten – die Zeit für Veränderungen ist jetzt“, bringt Guido Ritter es auf den Punkt. In Mitteleuropa befinden wir uns in einer Überflussgesellschaft, während es an vielen anderen Orten mangelt. Der Ernährungswissenschaftler aus Münster fordert einen nachhaltigeren Umgang mit Lebensmitteln. Es geht ihm vor allem um die Wertschätzung von Lebensmitteln und um ein vorausdenkendes Handeln, sowohl für die Industrie als auch die Verbraucher - damit weniger Lebensmittel verschwendet und weggeworfen werden.

Interdisziplinäre Teams von Biologen bis Designern

Eigentlich wollte Guido Ritter Lehrer werden, ließ sich dann aber doch von der Chemie verleiten: „Schon als Kind habe ich mit einem Chemiebaukasten gespielt und wollte wissen, wie Dinge miteinander funktionieren.“ Genau solche Analysen standen dann auch im Fokus seiner Ausbildung als Lebensmittelchemiker. Anschließend promovierte er 1994 im Fachbereich Ernährungswissenschaften an der Universität Gießen und sammelte danach einige Jahre Erfahrung in der Lebensmittelindustrie: bei der Hoechst AG in Frankfurt und bei Nutrinova, einer Tochtergesellschaft der Hoechst AG. Im Jahr 2000 wechselte Ritter schließlich an die Fachhochschule Münster: „Seit meiner Berufung an die FH Münster kann ich nun doch noch als Lehrer arbeiten“, freut sich Ritter.

An der FH wurde ihm dann allerdings auch immer stärker bewusst: eine Fachdisziplin alleine wird die komplexen Fragen und Probleme bezüglich der Ernährung der Zukunft nicht lösen können. „In all unseren Projekten arbeiten wir immer in interdisziplinären Teams zusammen: von Mikrobiologen über Betriebswirte, Logistiker und Designer“, so Ritter. Um solch interdisziplinäre Forschung zu fördern und zu unterstützen, wurde 2005 dann auch das Institut für Nachhaltige Ernährung gegründet.

Stiftungsprofessur zum Thema nachhaltige Ernährung

Der eigentliche Anstoß, das Thema Nachhaltigkeit in den Ernährungswissenschaften mit in die Lehre an der FH Münster aufzunehmen, ging allerdings zu großen Teilen von den Studierenden selbst aus. Tatsächlich, so Ritter, war das Thema Nachhaltigkeit vor 2005 kaum präsent in Münster. „Der Begriff stammt ursprünglich aus den 1990er Jahren aus der chemischen Industrie und war relativ verbrannt.“

Auf das Drängen der Studierenden hin bemühten sich Ritter und seine Kollegin Petra Teitscheid um einen entsprechenden Lehrauftrag, und etablierten erfolgreich die erste Stiftungsprofessur auf dem Gebiet der nachhaltigen Ernährung an einer FH. „Die Oecotrophologie und nachhaltige Ernährung passen sehr gut zusammen, weil sich Oecotrophologie nicht nur damit beschäftigt, was wir essen, sondern auch wie wir essen“, erklärt Ritter.

Das Umweltministerium des Landes Nordrhein-Westfalen unterstützte diese Entwicklung und auch viele Unternehmen interessierten sich dafür. „Zehn Unternehmen und zwei Stiftungen haben zusammen 500.000 Euro investiert. Inzwischen läuft der Masterstudiengang zum Thema nachhaltige Ernährung und nachhaltiges Dienstleistungsmanagement sehr erfolgreich. Die Stiftungsprofessur ist ein Teil dieses Studiengangs und wurde bereits 2010 verstetigt“, erläutert Ritter.

Die Quadratur des Kreises

Doch trotz des gestiegenen Bewusstseins für die Nachhaltigkeit insgesamt und für eine nachhaltige Ernährung im Speziellen gilt es auch, einige Schwierigkeiten zu meistern. „Nachhaltigkeit ist kein Kuschelthema“, betont Ritter. „Die Themen Ökologie, Ökonomie und Soziales reiben sich gegenseitig. Da müssen Kompromisse ausgehandelt werden, und da versucht die Bioökonomie oft eine Quadratur des Kreises. Denn die Natur an sich ist nicht ökonomisch und umgekehrt.“ Genau diese Komplexität mache das Themengebiet aber für ihn so spannend und interessant, sagt Ritter.

Craftbier aus Brotresten

Für Ritter ließe sich ein Großteil des Abfalls durch ein besseres Management im kleinen wie im großen Maßstab vermeiden. Er selbst habe nach seinem letzten Urlaub ein paar Karotten im Kühlschrank gefunden, die nicht mehr verwertbar waren. Ansonsten bemühe er sich jedoch, so im Voraus zu planen, dass er keine Lebensmittel wegschmeißen muss.

„Das hat viel mit Planung und Organisation zu tun, und das haben wir auch direkt in den Lehrplan mit eingebunden.“ Die Wertschätzung von Lebensmitteln und Resteverwertung gehören da ebenso dazu. Deshalb hat er zusammen mit dem Bierbrauer Philipp Overberg und Studierenden aus Restbrot von einer Bäckerei Craftbier gebraut, denn man kann einen Teil des Gerstenmalzes im Brauprozess durch altes Brot ersetzen. „So konnten wir für die Studierenden die Themen Resteverwertung, Innovation und neue Produkte entwickeln direkt verbinden und diskutieren – und anschließend haben wir das Bier auch gemeinsam verkostet.“ 

Konsistenz, Effizienz, Suffizienz

Ein weiteres Thema von Guido Ritter ist die Verbesserung von Lebensmittelverpackungen. „Sind Verpackungen ein Teil der Lösung oder des Problems“, fragt er. Seine Projekte decken dabei drei Ansätze ab: Konsistenz, Effizienz und Suffizienz. Die Konsistenz beleuchte den Ersatz von Rohstoffen durch andere, umweltverträglichere Stoffe, beispielsweise die Verwendung von Insektenproteinen statt anderer tierischer Proteine für die Ernährung.

Bei der Effizienz geht es vor allem um die Entwicklung neuer, intelligenter Verpackungen, um Lebensmittel länger haltbar zu machen. „Wir untersuchen aber auch, welche Auswirkungen diese auf das Ernährungs- und Lebensverhalten der Menschen haben, denn technische Lösungen müssen auch gesellschaftlich akzeptiert werden“, erklärt der Nachhaltigkeitsexperte. Das Thema Suffizienz behandelt Angebot und Nachfrage: Was ist das Minimum an Angebot und Auswahl, um zufrieden zu sein? „Gerade dieses Thema ist jedoch eng mit dem Verbraucherverhalten verknüpft und daher besonders schwierig für Forscher. Denn die Effekte sind träge und langwierig“, sagt Ritter. „Aber ein soziales Umdenken ist nötig, und deshalb müssen wir schon in den Schulen anfangen, um Kinder für einen nachhaltigen Konsum zu sensibilisieren.“

Soziale Aspekte im Mittelpunkt der Bioökonomie

In Zukunft wird sich Ritter auch weiterhin mit Lebensmittelverpackungen und Strategien für die Abfallreduktion befassen. Zudem möchte er eine bessere Verknüpfung von Handwerk, Gastronomie und der Wissenschaft erreichen, ähnlich wie es das neugegründete food lab an der FH Münster versucht.  Außerdem müssen gesellschaftliche Auswirkungen von technischen Lösungen mehr in den Mittelpunkt von Forschungsarbeiten rücken, ist Ritter überzeugt. „Nur durch einen gesellschaftlichen Wandel können auch langfristige und nachhaltige Effekte erzielt werden.“  

Autorin: Judith Reichel

“There are only 34 harvests left until 2050, by which time there will be 10 billion people on the planet. The time for change is now,” says Guido Ritter. In Central Europe, we live in an affluent society, while other places are characterised by scarcity. The Münster-based nutritional scientist is calling for a more sustainable attitude towards food. Above all, he is advocating for a fuller appreciation of food, combined with a forward-thinking attitude – both in industry and on the side of consumers – with the overarching aim of reducing the amounts of food that are thrown away and wasted.

Interdisciplinary teams including biologists and designers

Guido Ritter originally wanted to become a teacher but was eventually swayed by the promise of a career in chemistry: “Even as a young child, I enjoyed playing with my chemistry kit and was always keen to know how things function when they come together.” Later, these kinds of investigations would be at the heart of his training as a food chemist. Ritter completed his doctorate in 1994 at the Faculty of Nutritional Sciences at the University of Gießen, before going on to gain several years of experience in the food industry, first at Hoechst AG in Frankfurt and later at the Hoechst subsidiary, Nutrinova. In 2000, Ritter moved to the Münster University of Applied Sciences: “Since my appointment in Münster, I can now finally also work as a teacher,” says a delighted Ritter.

Over the course of his work at the University of Münster, he became increasingly aware that one specialist discipline alone would not be sufficient in any attempt to solve the complex future questions and issues regarding nutrition. “For all our projects, we always work in interdisciplinary teams including, among others, microbiologists, business economists, logistics experts and designers,” says Ritter. In 2005, the Institute for Sustainable Development was founded to facilitate and support precisely this kind of interdisciplinary research.

Endowed professorship for sustainable nutrition

In fact, the students themselves brought forth the idea of including the topic of sustainability in the nutritional sciences courses offered at Münster University of Applied Sciences. According to Ritter, the issue of sustainability was barely present in Münster before 2005. “The term sustainability originally dates back to the chemical industry in the 1990s, and was relatively contentious.”

At the urging of the students, Ritter and his colleague Petra Teitscheid looked for a suitable teaching position and eventually established the first endowed professorship in the area of sustainable nutrition of any university of applied sciences. “Oecotrophology and sustainable nutrition are actually a good fit, because it’s not just about what we eat, but how we eat,” explains Ritter.

The Ministry for Environment, Agriculture, Conservation and Consumer Protection of the State of North Rhine-Westphalia supported this development, which also attracted the interest of numerous companies. “Ten companies and two foundations have invested a total of €500,000. By now, the master’s programme on sustainable nutrition and sustainable service management has proven extremely successful. The endowed professorship, which was already perpetuated in 2010, is one part of this programme,” explains Ritter.

The proverbial square peg in a round hole

Despite an increased awareness of sustainability as a whole and sustainable nutrition in particular, there have been important challenges to overcome along the way. “Sustainability is not a very grateful topic,” emphasises Ritter. “There’s a certain friction between the fields of ecology, economics as well as the social fields.” Compromises have to be negotiated, at which point the bioeconomy often attempts to put the proverbial square into a round hole. Indeed, nature is not intrinsically economical, and economy isn’t entirely natural neither.” In Ritter’s opinion, however, it is precisely this complexity that makes the subject area so exciting and interesting.

Craft beer made from leftover bread

For Ritter, it is possible to avoid most of food waste simply via improved management on both small and larger scales. After returning from his most recent holiday, he found a few carrots in the fridge that were no longer edible. Otherwise, he tries to plan in advance so that he is not forced to throw away any food.

“It’s a lot to do with planning and organisation, and we’ve included this directly in the curriculum.” A proper understanding of the value of food and the use of leftovers are equally important. With this in mind, Ritter and his students joined forces with the brewer Philipp Overberg to brew a craft beer using leftover bread sourced from a nearby bakery. A little known fact: a portion of the barley malt that is used in the brewing process can be replaced with old bread. “This has enabled the students to directly connect and discuss the topics of residue utilisation, innovation, and new products – and we ere also able to enjoy a beer together.”

Consistency, efficiency, sufficiency

Another of Guido Ritter’s favourite topics is the improving of food packaging. “Is packaging a part of the solution, or the problem?” he asks. His projects encompass three different approaches: consistency, efficiency, and sufficiency. The aspect of consistency examines the replacement of raw materials with other, more environmentally friendly materials, such as the use of insect proteins for nutrition in place of conventional animal proteins. Efficiency focuses above all on the development of new and intelligent packaging that increases the shelf life of food products. “Alongside, we are also investigating the effects of such packaging on people’s diets and lifestyles. This is because technical solutions must also always be socially acceptable,” explains the sustainability expert. The aspect of sufficiency deals with supply and demand: What is the minimum product range and selection that is needed for people to be satisfied? “This topic is closely tied to consumer behaviour and is thus particularly tricky for researchers. The effects are sluggish and protracted,” says Ritter. “But a change in mindset is needed at the social level, and that is why we need to start making children aware of sustainable consumption as early as during their school education.”

Social aspects a focal point of the bioeconomy

In the future, Ritter will continue to focus on food packaging and strategies for waste reduction. Alongside, he is working to improve the interfaces between the areas of craftmanship, gastronomy, and science. Such approaches are exemplified by the work of the newly founded food lab at the University of Münster. Above all, however, Ritter is convinced that the social impacts of technical solutions must return into the focus of research. “Long-term and sustainable effects can only be achieved through social change.”

Author: Judith Reichel

„Umweltpolitik ist ein Teil der Landwirtschaft." Diese Botschaft von Bundeslandwirtschafts-minister Christian Schmidt beim Zukunftsdialog „Agrar und Ernährung“ macht deutlich, wohin die Fahrt geht. Noch steht die Branche als CO2-Treiber stark in der Kritik und die Forderung nach mehr Nachhaltigkeit bei Ackerbau und Tierhaltung steht längst ganz oben auch auf der politischen Agenda. Indes gibt es viele Landwirtschaftsbetriebe, die ressourcenschonend und umweltbewusst wirtschaften und dem Tierwohl gerecht werden.

Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft fördern

Solche Musterbetriebe werden von Bayer CropScience im Rahmen der Initiative „ForwardFarming“ gefördert. Anfang September wurde mit der Agro-Farm GmbH in Nauen bei Berlin die zweite deutsche "ForwardFarm" eröffnet. Ziel der Bayer-Initiative ist es, nachhaltige Methoden in Partnerschaften zu entwickeln, sie in der landwirtschaftlichen Praxis umzusetzen und einer breiten Öffentlichkeit verständlich machen. Der Fokus liegt dabei besonders auf der Förderung der Biodiversität, der Erhaltung der Bienengesundheit sowie dem Gewässer- und Anwenderschutz.

Wirtschaftlichkeit und moderne Landwirtschaft funktionieren

„In Nauen erleben wir, wie unser Produkt- und Serviceangebot erfolgreich dafür eingesetzt wird, Landwirtschaft ökonomisch und ökologisch erfolgreich zu betreiben“, erklärt Helmut Schramm, Geschäftsführer der Bayer CropScience Deutschland GmbH, bei der Eröffnung. Schramm zufolge ist Nauen ein Beispiel dafür, dass Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit in der modernen Landwirtschaft durchaus zusammen funktionieren.

Verbrauchern nachhaltige Landwirtschaft näherbringen

Agro-Farm-Chef Dirk Peters ist Landwirt in vierter Generation und Inhaber eines 2.500 Hektar großen landwirtschaftlichen Betriebes im Havelland. Marktfruchtanbau für den Lebensmittelsektor sowie Biomasseerzeugung, Fotovoltaik und Windräder für die Erzeugung von erneuerbaren Energien sind die Säulen seines Betriebes. Durch ein- und mehrjährige Blühstreifen sowie Nistmöglichkeiten für Bestäuber und Vögel sorgt Peters für biologische Vielfalt auf seinem Acker. Darüber hinaus kommen Systeme von Bayer zum Einsatz, die Einträge von Pflanzenschutzmitteln ins Gewässer verhindern sollen. „Die Gesellschaft stellt an uns Landwirte immer neue Anforderungen. Um diesen gerecht zu werden, müssen wir den Verbrauchern nachhaltige Produktionsmethoden erklären und näherbringen“, erklärt Peters.

Im Rahmen der Initiative ForwardFarming fördert Bayer nachhaltig arbeitende landwirtschaftliche Betriebe in ganz Europa. Dafür konnten bereits Partner in den Niederlanden, Belgien, Italien und Frankreich gewonnen werden. Die Agro Farm im Havelland ist der zweite Landwirtschaftsbetrieb in Deutschland, den Bayer nach dem Damianshof in Rommerskirchen im Rheinland als Musterfarm fördert.

bb