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Strategischer Schulterschluss in der Biotech- und Chemiebranche: Die Brain AG aus Zwingenberg, ein Pionierunternehmen für industrielle Biotechnologie, übernimmt die Mehrheit am Naturstoffspezialisten Analyticon Discovery GmbH in Potsdam. Dies gaben die beiden Unternehmen am 3. Juli bekannt. Vor allem im Kosmetik- und Lebensmittelbereich wollen sie künftig mit einem gemeinsamen Angebot punkten, aber weiterhin unabhängig voneinander agieren. Brain war bisher darauf spezialisiert, Mikroorganismen mit für Industrieprozesse relevanten Enzymaktivitäten auszustatten. In den Substanzbibliotheken von Analyticon finden sich hingegen zahlreiche Naturstoffe mit definierten Eigenschaften.

In zahlreichen Industriesektoren wird der Ruf nach biotechnologischen Lösungen immer lauter. Die Produktion von komplexen Chemikalien in Mikroorganismen ist häufig umweltschonender und preiswerter als die chemische Synthese unter extremen Bedingungen in Großanlagen. Immer häufiger entscheiden sich Verbraucher gezielt für biobasierte Produkte. Die Halbzeitkonferenz Bioökonomie in Berlin zeigte Anfang Juni in einer großen Ausstellung, wo im .

„Blick über den Tellerrand hinaus“

Es steht außer Frage: In Zukunft dürfte die Biotechnologie in weitere Bereiche vordringen. „Die Suche nach biologischen Lösungen ist ein zentraler Trend in den verarbeitenden Industrien“, sagte Holger Zinke, der Vorstandsvorsitzende von Brain im Interview mit dem Branchenmagazin |transkript. „Um diese Lösungen zu finden, brauchen wir aber auch spezielles Chemie-Know-how.“ Daher also die Übernahme von Analyticon Discovery. Auch der Chef des Potsdamer Unternehmens sieht seine Firma durch die Transaktion gestärkt. „Gemeinsam können wir über den Tellerrand der Biologie hinaus nach möglicherweise besseren Lösungen mit Hilfe der Chemie suchen – oder eben auch umgekehrt“, so Lutz Müller-Kuhrt. Tatsächlich scheinen sich die Stärken der beiden Firmen optimal zu ergänzen. Auf der einen Seite Brain: Die Zwingenberger sind mit ihren Metagenom-Bibliotheken vor allem darauf spezialisiert, Mikroorganismen für Industrieprozesse mit relevanten Enzymaktivitäten auszustatten. Auf diese Weise lassen sich dann beispielweise Bakterien herstellen, die auf biologischem Wege Seltenerden-Metalle aus Erzen lösen. Erst im März hatte das Unternehmen eine strategische Partnerschaft mit der Seltenerden Storkwitz AG auf den Weg gebracht, . Auf der anderen Seite steht die  Analyticon Discovery GmbH. In den Naturstoff-, Mikroorganismen- und Pflanzenbibliotheken der Potsdamer schlummern tausende Substanzen mit definierten Eigenschaften.

Strategische Allianz zu bioaktiven Stoffen

Derzeit sucht das Unternehmen beispielsweise nach Stoffen, die Lebensmitteln zugefügt werden können, um bitteren Geschmack zu maskieren. Bereits in der Vergangenheit haben die beiden Unternehmen miteinander kooperiert, zum Beispiel im Rahmen der vom Bundesforschungsministerium geförderten  "Innovationsinitiative industrielle Biotechnologie". In der von Brain koordinierten strategischen Allianz Natural Life Excellence Network 2020 (NatLifE 2020) haben sich 22 Partner aus Wirtschaft und akademischer Forschung das Ziel gesetzt, eine neue Generation natürlicher, bioaktiver Wirkstoffe für die Lebensmittel- und Kosmetikindustrie zu entwickeln. Innerhalb von neun Jahren sind rund 30 Millionen Euro für Forschungs- und Entwicklungsprojekte in der Allianz vorgesehen.

Milliardenmärkte im Blick

Mit den kombinierten Substanzbibliotheken bedienen Analyticon und Brain Milliardenmärkte. So wurden im vergangenen Jahr nach Berechnungen des Marktforschungsinstitutes IAL Consultants rund 13,4 Millarden Euro im Bereich der Geschmacks- und Duftstoffe umgesetzt. Im Rahmen von NatlifE 2020 arbeiten sowohl Brain als auch Analyticon zum Beispiel an Antibitterstoffen. Für sie dürfte aber auch der Kosmetik-Markt interessant sein. Mit Kosmetik-Inhaltsstoffen und Aromachemikalien wurden im vergangenen Jahr rund 4 Millarden Euro weltweit umgesetzt. „Die Verbindung von Brains Wissen um biologische Aktivitäten mit Analyticons Schutzrechten an attraktiven Substanzen, ist eine Kombination, die uns gut gefällt“, bestätigt denn auch MIG-Vorstandsmitglied Matthias Kromayer. Die MIG-Fonds zählen . Die Analyticon-Beteiligung sei ein wichtiger Puzzlestein in der Strategie von Brain zum Aufbau neuer Unternehmensbereiche.

Einstieg bereits im November

Bereits im vergangenen November wurde Brain – unter dem Radar der Öffentlichkeit – Mehrheitseigner bei Analyticon. Die Analyticon-Gesellschaftsanteile wurden von den bisherigen langjährigen Investoren Berlin Capital Fund (BCF), Sobera Capital und der Kapitalbeteiligungsgesellschaft Berlin-Brandenburg sowie weiteren Gesellschaftern an Brain verkauft. Die nun herausgekauften VC-Fonds seien teilweise seit Gründung des Unternehmens vor 14 Jahren in Analyticon investiert gewesen, berichtet Firmenchef Müller-Kuhrt. Auch wenn es dabei nie Grund zur Klage gegeben habe – nun, da die Entscheidung zugunsten eines neuen strategischen Partners statt zusätzlicher Finanzinvestoren gefallen ist, sieht Müller-Kuhrt sein Unternehmen gestärkt: „Ich kann jetzt mit jemandem über die Entwicklung des Unternehmens sprechen, der etwas von der Branche versteht.“

Der französische Konzern Lesaffre übernimmt den Biokraftstoff-Spezialisten Butalco. Bisher verdiente Lesaffre sein Geld vor allem durch den Verkauf von Bäckerhefen und Hefeextrakten für die Lebensmittelindustrie. Mit Hilfe der neuerworbenen Butalco GmbH will das Unternehmen nun auch in der Bioethanol-Produktion weiter Fuß fassen. Gelingen soll dies unter anderem mit speziellen Hefestämmen, die in der Lage sind, Biomasse besonders effizient umzusetzen. Entwickelt wurden die Turbohefen von Butalco an der Universität Frankfurt.

Hefen sind die Arbeitspferde in der industriellen Biotechnologie. Sie werden genutzt, um Biomasse zu vergären und bei dieser Umwandlung wertvolle Plattformchemikalien oder Alkohole wie Bioethanol herzustellen. Damit das möglichst effizient gelingt, werden in der industriellen Biotechnologie fast ausschließlich speziell entwickelte Produktionsstämme eingesetzt. Sie werden maßgeschneidert für die jeweilige Anwendung entwickelt, um gezielt ein bestimmtes Produkt herzustellen oder einen bestimmten Stoff umzuwandeln.

Turbohefen für effizientere Fermentation

Butalco hat sich auf genau diese Arbeiten spezialisiert. Das in der Schweiz angesiedelte Unternehmen hat gentechnisch veränderte Hefestämme entwickelt, die in der Lage sind, verschiedene Zuckermoleküle aus pflanzlicher . Butalco wurde 2007 vom Frankfurter Biotechnologen Eckhard Boles gemeinsam mit dem Investor Gunter Festel in der Schweiz gegründet. An der Goethe-Universität ist Boles Professor für Molekulare Biowissenschaften. Bis heute verlässt sich Butalco für die Forschungsarbeiten auf eine Kooperation mit der Universität. Das Unternehmen finanziert Forschungsprojekte, Mitarbeiter und Geräte und darf im Gegenzug die Erfindungen nutzen, die sich daraus entwickeln. „Zwei Patentanmeldungen entstanden recht schnell, in denen es um Isobutanol geht. Vier weitere Erfindungen, die ich vorher zur Vergärung von Abfallzuckern gemacht hatte, kaufte Butalco der Uni ab“, erzählt Mitgründer Boles. Die Kooperation soll auch nach der Übernahme von Butalco durch Lesaffre weitergeführt und sogar ausgebaut werden, so Boles. Auch Butalco und Lesaffre verbindet eine mehrere Jahre währende Geschäftsbeziehung. Bereits Anfang 2012 sicherte sich Lesaffre die Rechte an einem Butalco-Patent für eine Hefe, mit der sich der Kraftstoff . Mehrere Millionen Euro sollen damals durch den Verkauf des Schutzrechts erlöst worden sein. Wie viel Geld für die nun erfolgte vollständige Übernahme geflossen ist, teilen die Geschäftspartner hingegen nicht mit.

Lesaffre: Neuer Fokus auf industrielle Biotechnologie

Der weltweit agierende Konzern Lesaffre mit seinem Stammsitz im nordfranzösischen Marcq-en-Baroeul setzte im vergangenen Jahr mit 7.700 Mitarbeitern rund 1,56 Milliarden Euro um, vor allem durch den Verkauf von Bäckerhefen und Hefeextrakten für die Lebensmittelindustrie. Durch die Übernahme könne sein Unternehmen das kommerzielle Angebot an Ethanol-Kraftstoffen der zweiten Generation optimieren, sagte Lesaffre-Manager Didier Masy in einer Pressemitteilung vom 23. Juli. Das Unternehmen hatte erst kürzlich seine Geschäftseinheit Lesaffre Advanced Fermentation (Leaf-) Technologies gegründet. Künftig soll auch die Butalco GmbH als eigenständiges Unternehmen zu diesem Geschäftsbereich gehören. Die Ausbaupläne für diese Biotech-Sparte sind ehrgeizig. In fünf Jahren will Lesaffre rund 30 Prozent seines Umsatzes in diesem Bereich erzielen. Dafür ist das französische Unternehmen gerade auf Einkaufstour in ganz Europa. Erst im Februar wurde Agrauxine übernommen. Die Firma in Angers ist auf die Herstellung von biobasierten Pflanzenschutzmitteln und Düngern spezialisiert. Im vergangenen Dezember wurde Lesaffre in Italien fündig und kaufte die Firma Omniabios. Das Unternehmen hat sich auf die Aufreinigung von S-Adenosyl-L-Methionin spezialisiert. Das natürlicherweise auch im menschlichen Körper produzierte Molekül wird als Nahrungsmittelzusatzstoff genutzt, und soll Osteoarthritis und Depression mildern.

Beim Kauf oder der Pachtung von großen Anbauflächen in Entwicklungs- und Schwellenländern spielt die Biokraftstoffproduktion eine dominierende Rolle. Rund 23 Prozent des bislang bekannten Landerwerbs mit Beteiligung internationaler Investoren zielten auf den Anbau von Pflanzen zur Gewinnung von Biokraftstoffen ab. Das hat eine Untersuchung von Wissenschaftlern des German Institute of Global and Area Studies (GIGA), einem Forschungsinstitut der Leibniz-Gemeinschaft, ergeben. Demnach habe es zuletzt um die Ölsamen-Pflanze Jatropha einen Hype gegeben, der aber mittlerweile abgeflaut sei.

Insgesamt sei der Hype um Landgeschäfte für Agrartreibstoffe vorüber, schreiben die Autoren in ihrer frisch erschienenen Studie. Grundlage dafür lieferte die „Land Matrix “, eine unabhängige Initiative, die großflächige Landinvestitionen beobachtet und dazu kontinuierlich Daten sammelt und auswertet. Die Informationen werden auf einer offenen Datenbank verknüpft und veröffentlicht. Die „Land Matrix“-Plattform dient der Transparenz und Nachvollziehbarkeit von Entscheidungen über Landerwerb. Die Initiative wird von mehreren internationalen Forschungseinrichtungen und Organisationen koordiniert, unter anderem vom GIGA.

23 Prozent der Flächen für Energiepflanzen gedacht

Derzeit werden in der „Land Matrix“ rund 956 abgeschlossene Bodendeals (36 Millionen Hektar Land) mit internationaler Beteiligung aufgeführt.

Auf 23 Prozent dieser Flächen sollen ausschließlich oder teilweise Pflanzen für die Biokraftstoffproduktion wachsen. Insbesondere Gebiete in Subsahara-Afrika sind dabei im Visier internationaler Geldgeber. Investoren aus Großbritannien haben mit weltweit 1,5 Millionen Hektar das größte Gebiet im Vergleich zu Firmen aus anderen Staaten unter Vertrag.

Jatropha-Projekte scheiterten

Einen regelrechten Hype hatte es zuletzt um den Anbau von Jatropha curcas, die Purgiernuss, gegeben. Jatropha ist eine Strauchpflanze, deren Samen viel Öl enthält. Sie wird als nachhaltige Alternative zu Biosprit aus Soja, Rohrzucker und Palmöl gepriesen, weil sie auch in trockenen Savannengebieten wächst. Dort soll sie dem Nahrungsmittelanbau keine Konkurrenz machen. Zeitweilig war Jatropha auch ins Visier von Flugzeugbauern und Airlines geraten, als Rohstofflieferant für Biokerosin. Die . Die Daten der „Land Matrix“ zeigen jedoch, dass Jatropha-Projekte verhältnismäßig oft scheitern.Biokraftstoffprojekte benötigen ein hohes Startkapital und einen langen Atem, um Rendite zu erzielen. Der Markt zog in den vergangenen Jahren viele Investoren an, die sich zeitnah Gewinne erhofften, aber kaum Erfahrung in der Biokraftstoffproduktion mitbrachten. Insbesondere beim Anbau von Jatropha scheint es nur wenig erfahrene Produzenten zu geben. 15 Prozent der Projekte wurden daher eingestellt.

Biokraftstoffinvestitionen: Markt stabilisiert sich

Insgesamt scheint sich der Markt rund um die Herstellung von Biokraftstoffen zu stabilisieren. „Wir gehen davon aus, dass Cowboy-Investoren dem Markt aufgrund schwieriger Investitionsbedingungen den Rücken kehren. Investoren, die die Durststrecke überlebt haben, werden jedoch dauerhaft bleiben“, schreiben die GIGA-Autoren in ihrer Studie. „Die Förderung von erneuerbaren Energien hat in vielen Ländern weiterhin hohe Priorität. Die Nachfrage nach Biokraftstoffen wird voraussichtlich anhalten oder sogar zu einer neuen Welle von Biokraftstoffinvestitionen führen.“

Kosmetik, Biobergbau, Naturstoffchemie – in diesen Feldern ist die Brain AG in Zwingenberg bereits heute aktiv. Mit einer Beteiligung an der Weissbiotech-Gruppe kommt nun noch der Bereich Industrieenzyme hinzu. Brain übernimmt die Mehrheit an der Weissbiotech GmbH im münsterländischen Ascheberg und der Weissbiotech France Sarl in Chanteloup-en-Brie nahe Paris. „Brain ist seit Jahrzehnten im Feld der Enzymentwicklung tätig. Die Partnerschaft mit Weissbiotech bietet uns nun den direkten Zugang für ausgewählte Märkte “, beschreibt Jürgen Eck, Forschungsvorstand von Brain, die Vorteile der neuen Partnerschaft.

Für Enzymhersteller wie Weissbiotech liege die Zukunft im Bereich der Technologie, da ist sich Firmenchef Hans de Bie sicher. Bei dem profitablen Unternehmen in Ascheberg waren denn auch eher strategische als finanzielle Überlegungen ausschlaggebend für den neuen Partner, so de Bie. Mit Brain könne die Lücke zwischen der Identifizierung neuer Enzyme auf der einen Seite sowie Produktion und Vermarktung auf der anderen Seite geschlossen werden. „Durch diese Allianz werden wir zusätzlich gestärkt, aber dennoch als unabhängige Einheit weiter tätig sein“, so de Bie. Weissbiotech wurde 2002 unter dem Namen Add Food Services GmbH gegründet und spezialisierte sich bald darauf, Biokraftstoff- und Bioethanol-Hersteller mit Enzymen zu beliefern. Inzwischen vertreibt die Firma mehr als 100 Enzymprodukte, lieferte allein 2013 tausende Tonnen Material in alle Welt.

Brain: Paradebeispiel für ein Unternehmen in der Bioökonomie

Brain ist eines der deutschen Vorzeigeunternehmen in Sachen Bioökonomie. Die Spezialität der Hessen: Zusammen mit strategischen Partnern werden bislang unerschlossene, leistungsfähige Enzyme, Mikroben oder Naturstoffe entwickelt, um sie industriell nutzbar zu machen. Ob , oder , dass damit verfolgte Ziel ist jeweils das gleiche. Entweder sollen klassisch-chemische Prozesse durch ressourcenschonende biobasierte Verfahren ersetzt werden oder durch einen Griff in den Werkzeugkasten der Natur sollen gleich gänzlich neue Produkte mit überlegenen Eigenschaften geschaffen werden. Mit diesem Wissen ist Brain auch in vielen Forschungsprojekten ein begehrter Kooperationspartner. So koordiniert das Unternehmen beispielsweise die Allianz „Natural Life Excellence Network 2020 (Natlife2020). Die insgesamt 22 Allianzpartner, bestehend aus Technologie-Entwicklern, KMU und Industrieunternehmen fahnden nach Naturstoffen, die den bitteren Geschmack auf raffinierte Art und Weise überdecken . Die seit dem Jahr 2012 geförderte Allianz hat für die gesamte Projektzeit ein Volumen von rund 30 Millionen Euro, die Hälfte davon steuert das Bundesministerium für Bildung und Forschung im Rahmen der . Beim deutsch-französischen Bergbauprojekt Eco-Metals steht die Aufarbeitung von Kupferschiefer in Polen sowie kupferreichen Haldenmaterialien aus deutschen wie auch aus französischen . Unterstützt werden die Projektpartner in dem auf drei Jahre angelegten Projekt mit 4,2 Millionen Euro durch das BMBF sowie mit einer Million Euro durch die Agence Nationale de la Recherche (ANR), einer französischen Forschungsfördereinrichtung. Das Projekt ist Teil einer gemeinsamen Initiative für eine stärkere Vernetzung der Forschung und Entwicklung für neue Rohstofftechnologien in Deutschland und Frankreich.

Enzymmarkt: Rasantes Wachstum

Gemeinsam nehmen Brain und Weissbiotech nun den rasant wachsenden Merkt für Industrie-Enzyme in den Blick. „In der Zeit von 2006 bis 2013 hat sich das Marktvolumen auf rund 3 Mrd. Euro fast verdoppelt“, berichtet Eck. „Immer mehr Industrien entdecken das Enzym als Arbeitspferd für sich.“

Zunächst konzentriert sich die Allianz auf die Bereiche Stärke-Prozessierung sowie Getränke- und Lebensmittelenzyme. „Wir werden neue Enzyme entwickeln, mit denen sich beispielsweise chemische Prozesse ersetzen lassen. Es geht aber auch darum, die Anwendungsfelder von bereits bekannten Enzymen zu erweitern“, so de Bie. Brain entwickelt derzeit jährlich rund zwei bis vier Produktkandidaten für eine Vielzahl industrieller Anwendungen. Gemeinsam werden nun auch Wachstumsmärkte wie Pflanzengesundheit und Ernährung in den Blick genommen.

Die Brain AG bleibt auch mit der jüngsten Beteiligung ihrer Strategie zum Konzern-Aufbaut mit Tochterunternehmen in unterschiedlichen Bereichen der Bioökonomie treu. Wohl auch zur Freude der Investoren, den MIG-Fonds und dem Family Office Putsch – zeigt das Modell doch inzwischen Erfolge: Das Kosmetik-Geschäft, in das Brain durch die Übernahme von Monteil 2012 eingestiegen ist, macht inzwischen rund die Hälfte des Unternehmensumsatzes aus.

Der europäische Kapitalmarkt ist für die Biotech-Industrie wieder eine ernstzunehmende Finanzierungsalternative. Dies belegen Ergebnisse einer neuen Studie: Demnach haben sich insgesamt zwölf Firmen im Jahr 2014 für einen Börsengang an einem der 15 Handelsplätze in Europa entschieden. Weitere sechs sind an die US-Börse Nasdaq gegangen. Insgesamt drei deutsche Firmen haben sich neu notieren lassen, allerdings alle außerhalb ihres Heimatmarktes.

Das Börsenfenster ist im Jahr 2014 so weit offen wie schon lange nicht mehr. Das belegt eine vergleichende Analyse der Biocom AG, die Ende November auf dem Eigenkapitalforum in Frankfurt vorgestellt wurde. Demnach wurden allein in den ersten neun Monaten des Jahres 2014 rund 2 Mrd. Euro über die Börse eingesammelt (2013: 1,89 Mrd. Euro). Bis dahin hatten zehn Börsengänge stattgefunden – doppelt so viele wie im Jahr zuvor. Die meisten Unternehmen werden in Paris (32) und London (29) gehandelt. „Die Durststrecke ist vorbei. Der Kapitalmarkt in Europa hat sich der Biotech-Industrie wieder zugewandt“, sagt Studienleiter Boris Mannhardt.

Alle Indikatoren zeigen nach oben

Die Studie enthält eine Analyse der wichtigsten Handelsplätze in Europa hinsichtlich ihrer Relevanz für Biotech-Firmen. Fazit: Nach den Krisenjahren 2011 und 2012 zeigen die wichtigsten Indikatoren über alle Handelsplätze hinweg wieder deutlich nach oben. Einige Börsenstandorte haben besonders profitiert. „Steuerliche Vergünstigungen für innovative Firmen wie in Frankreich oder ein international sichtbares Wachstumssegment wie in London sind maßgeblich für die aktuelle positive Entwicklung verantwortlich“, so Mannhardt. Demnach steht die Mehrländerbörse Euronext – und hier insbesondere der Handelsplatz Paris – ganz oben im Ranking. Insgesamt 17 der 36 Börsengänge fanden dort statt. Die weiteren Plätze belegen der Alternative Investment Market (AIM) in London und der Main Market der nordischen Mehrländerbörse Nasdaq OMX. Die Frankfurter Wertpapierbörse und die Schweizer Börse SIX in Zürich überzeugen mit individuellen Stärken. So wartet die Deutsche Börse in Frankfurt zwar seit 2007 auf einen neuen Biotech-Börsengang. Im Vergleich der wichtigsten Börsenstandorte beweist sie sich jedoch als fruchtbarer Boden für Folgefinanzierungen: Seit 2009 fanden hier im Durchschnitt die meisten Finanzierungsrunden je Firma statt. Insgesamt wurden von den 15 hier notierten Unternehmen 1,3 Mio. Euro eingesammelt. Aber auch kleinere Standorte wie Zürich oder Amsterdam sind wieder attraktiv für Biotech-Firmen, wie die jüngsten, in der Studie noch nicht betrachteten Börsengänge der Molecular Partners AG (Zürich) und der in Halle ansässigen Probiodrug AG (Amsterdam) zeigen, die im Oktober stattgefunden haben.

Europa im Aufholprozess

Gegenüber den USA befindet sich Europa in einem Aufholprozess. Dies betrifft einerseits die Zahl spezialisierter Investoren und Analysten, die in den vergangenen Jahren deutlich zurückgegangen ist. „Interessanterweise dominieren heute große Investmentbanken und Pensionsfonds das Investitionsgeschehen, viele Banken haben ihre Biotech-Abteilungen abgeschafft“, sagt Mannhardt. Andererseits ist der Reifegrad der notierten Biotech-Unternehmen gering: Im Vergleich zu den rund 330 in den USA gelisteten Biotech-Firmen erwirtschaften die europäischen Unternehmen sieben Mal weniger Umsatz (10 Mrd. Euro) und haben eine zehnfach geringere Marktkapitalisierung (rund 60 Mrd. Euro).  Jede zweite Biotech-Firma in Europa wird mit weniger als 100 Mio. US-Dollar bewertet. Nur rund 10% überschreiten die Schwelle von einer Milliarde US-Dollar Marktkapitalisierung. Der deutsche Medikamentenentwickler MorphoSys gehört dazu. Firmen wie diese setzen längst nicht mehr nur auf den europäischen Kapitalmarkt, sondern haben es inzwischen auch jenseits des Atlantiks geschafft, Interesse bei Investoren zu wecken. Allerdings ist das eine Herausforderung. „Für ausländische Unternehmen ist es nicht leicht, in den USA Aufmerksamkeit zu erhalten“, lautet das Fazit von Jens Holstein, Finanzchef der Morhphosys AG.

Hang zum Lokalpatriotismus beim Börsengang

Tatsächlich zeigen viele Biotech-Firmen bei der Wahl ihres Börsenplatzes einen starken Hang zum Lokalpatriotismus. Laut Studie haben sich mehr als 95% der aktuell börsennotierten Unternehmen für eine Börse ihres Heimatlandes entschieden. Grenzüberschreitende Börsengänge wie beim italienischen Pharmaunternehmen Newron Pharmaceuticals SpA oder dem deutschen Alzheimer-Spezialisten Probiodrug AG sind bisher die Ausnahme. Die Hallenser fällten ihre Entscheidung zugunsten von Amsterdam unter anderem wegen der niederländischen Investoren, die Immer wieder nehmen europäische Firmen aber auch die US-amerikanische Technologiebörse Nasdaq für einen Börsengang in den Blick. 2014 waren es bereits fünf. Darunter auch der deutsche Wirkstoffentwickler Affimed. „Wir hatten schon in der frühen Planungsphase des Börsengangs positives Feedback von US-Investoren, da haben wir uns die europäischen Börsen gar nicht mehr näher angeschaut“, erläutert Firmenchef Adi Hoess in einem Interview in der aktuellen Ausgabe des Biotech-Nachrichtenmagazins transkript.

Börsenfenster weiter offen?

Ob der aktuelle Börsen-Boom in Europa weiter anhält, darüber gehen die Meinungen unter Experten auseinander. Während so manch Finanzier Europa weiter im Hintertreffen sieht, zeigt sich Naveed Siddiqi, Partner beim französischen Wagniskapitalgeber Edmond de Rothschild Investment Partners, optimistisch: „Sicherlich gibt es in Europa weniger Börsengänge mit niederigerem Volumen, aber immerhin gibt es wieder welche.“ Denn das sorgt unter Biotech-Firmen für eine bessere Ausgangsposition, wie auf der jüngsten Und auch Morphosys-Finanzchef Holstein sieht noch keine Verschlechterung der Gesamtstimmung. „Schon jetzt sehen wir einige US-Firmen, die sich auf einen Börsengang im Frühjahr vorbereiten. Das stimmt mich optimistisch, dass es auch 2015 noch weitere Börsengänge europäischer Firmen geben wird – hier oder jenseits des Atlantiks.“

1600 Aussteller aus rund 70 Ländern, 26 Hallen gefüllt mit bis zu 400.000 Besuchern: auch die 80. Internationale Grüne Woche in Berlin ist wieder ein Mekka für Freunde landwirtschaftlicher Produkte und Nahrungsmittel. Doch auch ein recht junger Begriff erobert zunehmend seinen Raum auf der großen Schau der Agrarbranche: die Bioökonomie – womit die Nutzung biologischer Ressourcen für die Erzeugung innovativer und nachhaltiger Produkte gemeint ist. Nicht nur die . Wo biobasierte Produkte bereits überall im Alltag drinstecken, lässt sich noch bis zum 25. Januar auf der besichtigen.


 

Gleich benachbart zur großen Tierhalle mit Pferden, Milchkühen und Alpakas und dem Erlebnisbauernhof hat die „nature.tec“ ihren Platz – in der Fachschau Bioökonomie geht es in diesem Jahr besonders wohnlich zu: So hat der Bioökonomierat, ein Expertengremium zur Beratung der Bundesregierung, eine im eleganten Weiß gehalten Wohnung im Mini-Format aufgebaut: „Bioökonomie auf 36 m2“ heißt die Ausstellung. Sie veranschaulicht 34 biobasierte Produkte, die es in die moderne Küche, Bad und Wohnzimmer geschafft haben

Bioökonomie begreifbar machen

Für die meisten Besucher erste Anlaufstation ist ein Designer-Fahrrad mit einem Rahmen aus Holz: Eine Dresdner Firma hat dünne Furnierschichten zu Leichtbaurohren verleimt, die außergewöhnlich stabil sind – und dazu noch edel aussehen. „Besucher aus der Agrarbranche interessieren sich zudem sehr für das aus Bakterien gewonnene Entrostungsmittel und das Kettenöl aus Sonnenblumen“, sagt Patrick Dieckhoff, Leiter der Geschäftsstelle des Bioökonomierates. Mit der Resonanz der Ausstellung ist sein Team sehr zufrieden. „Die Ausstellung bietet ein sehr gutes Forum, um das vielen noch unbekannte Konzept Bioökonomie begreifbar zu machen“, so Dieckhoff. Baumaterialen und Werkstoffe aus nachwachsenden Rohstoffen lassen sich auf der „nature.tec“ in ihrer ganzen Vielfalt besichtigen. Am Stand der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe (FNR) türmt sich ein großer Haufen überdimensionierter Legosteine – die nur darauf warten, aufeinandergestapelt zu werden. Sie sind aus sogenannten Wood-Plastic-Composites (WPC) gefertigt, rund 30 Prozent des Produkts bestehen in diesem Fall aus einer beigemischten Holzkomponente. In den Materialeigenschaften stehen diese Verbundwerkstoffe ihren rein erdölbasierten Vorbildern in nichts nach.

Biologisch abbaubare Folienbeschichtung

Um Biopolymere und ihre Anwendung in der Industrie dreht sich die Ausstellung mehrerer Institute der Fraunhofer-Gesellschaft. So hat das Fraunhofer IAP Methoden entwickelt, mit denen sich Lignin aus Holz isolieren lässt und zu bestimmten Werkstoffen umgewandelt werden kann. Aus dem von Mikroorganismen hergestellten Baustein Polymilchsäure (PLA) wiederum lassen sich Verpackungsmaterialien herstellen. Ein Knackpunkt: Vielfach werden bei Verpackungen und Folien zusätzlich Barriereschichten eingesetzt, zum Beispiel in der Lebensmittelindustrie, Pharma und Kosmetik. Sie verhindern in der Regel, dass die Folien biologisch abbaubar sind. „Wir haben mit den sogenannten Orcomeren einen Nano-Komposit-Werkstoff entwickelt, der biologisch abbaubar ist und sich nach wenigen Wochen zersetzt“, sagt Mark Mirza vom Fraunhofer ISC.

Niedrigenergiehaus ausgezeichnet

Neben der „nature.tec“ macht auch die Sonderschau des Bundesministeriums für Landwirtschaft und Ernährung (BMEL) in Halle 23a Aspekte der Bioökonomie anschaulich – das Motto: „Hier wachsen Ideen“. Wie die Zier- und Gartenpflanzenproduktion in Gewächshäusern besonders energieeffizient und klimaschonend gestaltet werden kann, zeigt ein Modell des Niedrigenergiehauses ZINEG: In dem Verbundprojekt von HU Berlin, LU Hannover, TU München, HS Osnabrück, außeruniversitären Forschungseinrichtungen und Niedersachsens Landwirtschaftskammer wurden dazu besondere Hightech-Folienhäuser entwickelt, die ohne die Nutzung fossiler Energieträger klimatisiert werden können. Die Hülle schützt die Pflanzen zudem vor Schädlingen, sodass auch ohne chemische Pflanzenschutzmittel beste Fruchtqualitäten entstehen. Der Verbund erhielt dafür kürzlich den Deutschen Nachhaltigkeitspreis Forschung 2014 des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF).

In der deutschen Biotech-Branche kündigt sich ein heißes Frühjahr an: Das Martinsrieder Unternehmen Suppremol wird vom US-Konzern Baxter für die beachtliche Summe von 200 Millionen Euro gekauft. Es handelt sich um die größte nur mit Bargeld finanzierte Übernahme eines deutschen forschenden Biopharma-Unternehmens seit 2009. Die Pipeline der Martinsrieder soll in dem neuen Geschäftszweig Baxter Bioscience aufgehen. Der US-Konzern erhält so etwa Zugriff auf SM101, ein immunregulatorisches Therapeutikum, welches in einer  klinischen Phase IIa erprobt ist. Der Standort in München soll erhalten bleiben. Suppremol wurde mehrfach vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) unterstützt.

Suppremol ist als biopharmazeutisches Unternehmen auf neuartige Therapieansätze von Autoimmunerkrankungen und Allergien spezialisiert. Dabei setzen die Martinsrieder auf therapeutische Eiweißmoleküle, sogenannte lösliche Fc-Rezeptoren. Sie sind in der Lage, die gegen körpereigene Strukturen gerichteten Antikörper abzufangen. So bremsen sie überschießende Immunreaktionen ab. Der Wirkstoffkandidat SM101 wurde bereits bei zwei Krankheitsbildern, der primären Immunthrombozytopenie (ITP),  einer Blutkrankheit sowie der Autoimmunerkrankung Systemischer Lupus Erythematodes (SLE) erprobt. Suppremols präklinische Pipeline umfasst zudem zwei Antikörperprogramme, die sich den inhibitorischen Effekt von FcgRIIB zunutze machen und die für alternative Behandlungsstrategien bei Autoimmunerkrankungen und Allergien geeignet sind.

Standort bleibt erhalten

Neben dem Portfolio wird Baxter auch Suppremols Standort in der Nähe von München erwerben und weiterbetreiben. „Im Laufe der Übernahmeverhandlungen zeigte Baxter sich an all unseren Programmen sehr interessiert“, sagte Suppremol-Chef Klaus Schollmeier dem Branchenmedium transkript.de. Er gehe davon aus, dass zunächst alle Entwicklungsprogramme weitergeführt würden. Auch Entlassungen seien nicht geplant. In seinen Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten wurde Suppremol in den vergangenen Jahren mehrfach vom BMBF unterstützt, so im Rahmen der Förderinitiative „KMU-innovativ“ und als Partner im Münchner Spitzencluster m4, insgesamt beläuft sich die Fördersumme auf mehr als 3 Millionen Euro.

Attraktiver Exit für die Investoren

Die größten Investoren bei Suppremol waren bisher die Santo Holding, die den Strüngmann-Brüdern zuzurechnen ist, sowie die MIG-Fonds mit jeweils rund 30 Prozent. Weitere Mittel stellten BioMedPartners AG, FCP Biotech Holding GmbH, die KfW, Bayern Kapital GmbH, Max-Planck-Gesellschaft sowie die spanische Z-Cube bereit. Insgesamt konnte Suppremol in vier großen Finanzierungsrunden etwas mehr als 50 Millionen Euro an Eigenkapital einwerben. Allein die Gesamtinvestition der sieben beteiligten MIG-Fonds belief sich auf rund 17 Millionen Euro. Bei dem Exit konnte die Wagniskapitalgesellschaft insgesamt etwa 65 Millionen Euro vereinnahmen. Es handelt sich um den größten Exiterlös sowie den höchsten Rückfluss aus dem Verkauf eines MIG-Portfoliounternehmens. „Wir haben Suppremol seit 2008 begleitet und freuen uns, dass unser Beteiligungsunternehmen in Baxter einen attraktiven Käufer gefunden hat“, sagte Matthias Kromayer, Vorstand der MIG AG und für das Portfolio im Bereich Life Sciences zuständig.

Deutsches Know-how im Visier der US-Konzerne

Der Suppremol-Kauf markiert einen weiteren diesjährigen Höhepunkt für die deutsche Biotech-Branche und könnte ein heißes Frühjahr einläuten. Dass Know-how aus deutschen Biotech-Firmen hochattraktiv für US-Konzerne ist, hatte bereits im Januar die Phenex Pharmaceuticals AG gezeigt. Der Biotech-Riese . Zu den spektakulären Übernahmen der vergangenen Jahre zählt der .  Im selben Jahr hatte sich der US-Gigant Amgen das vor allem in München forschende Unternehmen Micromet mit 800 Mio € einverleibt. Für den einst von Micromet entwickelten Krebsantikörper Blinatumomab gab die US-Arzneizulassungsbehörde .

Der französisch-deutsche Konzern Global Bioenergies (GBE) hat sich ein zusätzliches Darlehen in Höhe von 4,4 Mio. Euro gesichert. Ende März hat das Unternehmen mit dem Bau der industriellen Demonstrationsanlage im Chemisch-Biologischen Prozesszentrum (CBP) in Leuna begonnen. Aus nachwachsenden Rohstoffen soll dort künftig von Bakterien der Kohlenwasserstoff Isobuten produziert werden.

Ende 2013 hatte das BMBF zugesagt, den Aufbau der Pilotanlage und ein wissenschaftliches Begleitprogramm mit rund 5,7 Millionen Euro zu fördern. Ein Großteil der Mittel soll nun in den eigentlichen Bau der Anlage fließen. Die restlichen Kosten finanziert Global Bioenergies durch einen Bankkredit. Wie das Unternehmen nun mitteilt, wurde das zusätzliche Darlehen in Höhe von 4,4 Mio. Euro von einem Konsortium der französischen Banken BNP-Paribas, la Société Générale, CIC und Bpifrance bereitgestellt. Der von Bpifrance verwaltete Garantiefonds der Region Ile-de-France bürgt zudem für den Kredit.  „Der Zugang zu einer Bankfinanzierung dieser Größenordnung illustriert das hohe Vertrauen, das Global Bioenergies heute bei seinen verschiedenen Partnern genießt“, betont François-Henri Sahakian, der Finanzvorstand von Global Bioenergies SA.

Erst Mitte März hatte der Konzern in Evry den Abschluss der Basic-Engineering-Phase für die mitteldeutsche Demonstrationsanlage verkündet. Gemeinsam mit dem deutschen Industriekonzern Linde wurde eine komplette Fermenter-Linie geplant, die sich aus einem Inokulationsfermenter, einem Propagationsfermenter sowie einem Produktionsfermenter mit einem Volumen von fünf Kubikmetern zusammensetzt. Im Jahr 2016 soll die Anlage in Leuna in Betrieb gehen, die speziell für die Produktion von gasförmigen Kohlenwasserstoffen konzipiert wurde.

Die Produktionskapazität von bis zu 100 Tonnen Isobuten pro Jahr ermöglicht es, interessierten Industrieunternehmen diesen Grundstoff zu eigenen Testzwecken anzubieten. Der Kohlenwasserstoff kann zum Beispiel für die Herstellung von Kunststoffen, Elastomeren und Treibstoffen verwendet werden. „Die ersten Lose werden auf bestimmten Nischenmärkten kommerzialisiert und werden die Qualifizierung unseres im Zuge des Fermentierungsverfahrens produzierten Isobutens für sämtliche Isobutenderivate ermöglichen. Dies entspricht heute einem Markt von 15 Millionen Tonnen“, erläutert Ales Bulc, Geschäftsführer der deutschen Tochterfirma Global Bioenergies GmbH. Bereits Anfang vergangenen Jahres hatte Global Bioenergies einen ersten Flottenversuch mit dem Dabei wurden Autos mit e-Benzin betankt, reinem Isooktan, welches aus Isobuten produziert wurde.

Das besondere am Herstellungsverfahren von Global Bioenergies: Das Isobuten wird gasförmig hergestellt und Statt komplizierter und teuerer Aufreinigungsverfahren kann es einfach abgesaugt werden. Die geplanten Produktionskosten liegen durch die verbesserte Ausbeute und einfache Weiterverarbeitung sogar unter den gegenwärtigen Marktpreisen von konventionellem Isobuten, haben die Entwickler bei GBE berechnet. Das französisch-deutsche Unternehmen ist dabei ein echter Vorreiter: Biotechnologisch konnten kurzkettige Kohlenwasserstoffe wie Isobuten, Propylen oder Butadien bisher nicht hergestellt werden. Von Natur aus existieren  entsprechende Stoffwechselwege in Bakterien nicht.  Doch mit den Methoden der Synthetischen Biologie haben die französischen Biotechnologen neue Stoffwechselwege konstruiert und die Erbinformation der dafür benötigten Enzyme in E.coli-Stämme eingeschleust. Neben Isobuten, dem am weitesten fortgeschrittenen Programm, hat Global Bioenergies auch andere kurzkettige Kohlenwasserstoffe aus der Gruppe der leichten Olefine im Visier. So wurden inzwischen auch Bakterien für die Herstellung von Propylen oder Butadien konstruiert und getestet. Sie könnten helfen, die Abhängigkeit vom Erdöl in Zukunft noch weiter zu reduzieren.

Jedes Jahr fallen in Deutschland Millionen Tonnen an Kunststoffabfällen an. Der größte Teil davon wird bisher verbrannt. Ein von der Europäischen Kommission gefördertes Konsortium unter deutscher Federführung der RWTH Aachen will nun einen neuen Weg etablieren: Mit Hilfe der Synthetischen Biologie sollen Bakterien dazu gebracht werden, den Plastikmüll in biologisch abbaubares Plastik umzuwandeln. Dadurch könnte ein ganz neuer Verwertungskreislauf entstehen. Insgesamt 7 Millionen Euro stehen in den nächsten vier Jahren zur Verfügung.

Insgesamt elf Partner aus Deutschland, Spanien, Irland, Großbritannien und Frankreich sind an dem Horizon 2020-Projekt „From Plastic waste to Plastic value using Pseudomonas putida Synthetic Biology“ (P4SB) beteiligt. Koordiniert wird das jetzt gestartete Projekt von Lars Blank, Nick Wierckx und Christine Kempchen. Lars Blank, Professor am Institut für Angewandte Mikrobiologie der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen, ist Experte in Sachen Metabolic Engineering und Genome Engineering. So nennen Experten der Synthetischen Biologie die Möglichkeit, Stoffwechselwege und genetische Schaltkreise von Mikroorganismen für ganz bestimmte Zwecke gezielt maßzuschneidern. Wie Ingenieure gehen sie daran, Zellen und biologische Systeme umzuprogrammieren oder von Grund auf neu zu gestalten. (Mehr Infos zur Synthetischen Biologie: ) Blank will dieses noch junge Forschungsfeld an der RWTH weiter etablieren. Seit 2007 gibt es bereits den durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft finanzierten Exzellenzcluster „Maßgeschneiderte Kraftstoffe aus Biomasse“, der sich ebenfalls aus dem Werkzeugkasten der Synthetischen Biologie bedient. Hier liegt der Schwerpunkt auf Biokraftstoffen der neuesten Generation. 

Alternative Recyclingwege für Plastikabfall 

Im neuen EU-Konsortium geht es nun darum, biobasierte Recyclingprozesse für die Industrie zu entwickeln. Das Ziel ist ambitioniert: Die Forscher wollen Bakterien dazu bringen, mit biokatalytischen Werkzeugen erdölbasierte Kunststoffabfälle in vollständig biologisch abbaubare Stoffe umzuwandeln. Aus ihrer Sicht ein wichtiger Beitrag, um die von der EU geforderten Recyclingquoten zu erreichen. „Wenn wir so weitermachen wie bisher, dann werden wir die Vorgaben nicht erfüllen können. Alternativen werden dringend gebraucht“, betont RWTH-Professor Blank. Denn Plastikmüll ist für die Umwelt ein großes Problem. Rund ein Drittel der weltweit jährlich produzierten knapp 300 Millionen Tonnen Kunststoffe werden für Verpackungen eingesetzt. Viele dieser Kunststoffe überdauern Schätzungen zufolge für mindestens 500 Jahre in der Umwelt – und richten zum Beispiel auf dem Meeresgrund unwiderrufliche Schäden an. Der größte Teil des Plastikmülls wird derzeit verbrannt.

Tüchtige Abfallverwerter aus der Natur nutzen

Diesen Ablauf wollen die Forscher unterbrechen und sich dabei zunutze machen, dass es in der Natur tüchtige Abfallverwerter gibt. Im Fokus des P4SB-Konsortiums stehen dabei Bakterien der Art Pseudomonas putida. Pseudomonaden sind Bakterien, die überall in unserer Umgebung vorkommen. Ihr wandelbarer und flexibler Stoffwechsel ermöglicht es ihnen, in unterschiedlichen Lebensräumen im Wasser, im Boden, an Pflanzen und in Tieren zu leben. Unter den Pseudomonaden gibt es Vertreter, die schon heute von Biotechnologen für industrielle Zwecke eingespannt werden. Dazu gehört Pseudomonas putida: Diese Bakterien produzieren Chemikalien und pharmazeutische Produkte, sie bauen Abfall- und Giftstoffe ab. Die Aachener Forscher wollen diese Fähigkeiten nun gezielt für das Recycling von erdölbasierten Kunststoffen nutzen. Am Ende soll zum Beispiel aus erdölbasierten Polymeren wie Polyethylenterephthalat (PET) Biopolymere wie Polyhydroxyalkanoate (PHA) entstehen, aus denen sich wieder neue Produkte herstellen lassen. „Wenn wir es schaffen, dass die Bakterien den Abfall so verwerten, dass sie Bioplastik in großen Mengen produzieren, dann könnten wir einen ganz neuen Recyclingprozess anstoßen“, ist sich Blank sicher.

Partner aus der Industrie an Bord

Noch stehen die Forscher allerdings am Anfang, selbst der Pilotmaßstab ist noch in weiter Ferne. Innerhalb der vier Jahre soll allerdings das übergreifende Konzept dargestellt werden. Das Interesse an neuen Recycling-Möglichkeiten für Plastikmüll ist jedenfalls groß. Insgesamt sieben Millionen Euro investiert die Europäische Kommission über Horizon 2020, dem Rahmenprogramm der Europäischen Union für Forschung und Innovation, in das Konsortium. Als einer von vier Industriepartnern ist der französische Abdichtungshersteller Soprema im Verbund vertreten. Allein 1,4 Millionen Euro sind für die RWTH Aachen vorgesehen. Aus Deutschland sind darüber hinaus Forscher um Wolfgang Zimmermann vom Institut für Biochemie der Universität Leipzig sowie Umweltbiotechnologen um Hermann Heipieper vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) in Leipzig beteiligt. Aus der Wirtschaft ist zudem die Biotech-Firma Bioplastech Ltd. aus Irland an Bord. Das Unternehmen wurde 2008 aus dem University College Dublin ausgegründet – Forscher um  Kevin O’Connor hatten damals ein Verfahren entwickelt, mit dem sich aus Abfall verschiedenster Art PHA herstellen lässt. Diese Expertise bringen sie nun in das Konsortium ein. Ebenfalls als Partner mit dabei ist die spanische Biotech-Firma Bacmine. Das 2011 gegründete Startup hat sich auf Technologien der Synthetischen Biologie spezialisiert.

Die Forscher sind sich sicher: Bei Erfolg von P4SB wird es möglich sein, Plastikabfall als alternatives Substrat in der industriellen Biotechnologie zu verwenden, um damit biologisch abbaubare Äquivalente herzustellen. Auf diesem Weg will das Konsortium einen wichtigen Beitrag dazu leisten, die europäische Bioökonomie voranzutreiben und die Umweltverschmutzung durch Plastikabfall zu reduzieren.

Ob Umsatz, Mitarbeiter oder Finanzierung – in der deutschen Biotech-Branche stehen die Zeichen auf Wachstum. Noch nie haben die Biotech-Firmen soviel Umsatz erwirtschaftet und soviele Mitarbeiter beschäftigt. Das geht aus der Jahresbilanz für 2014 von biotechnologie.de hervor, die zum Start der „Deutschen Biotechnologietage 2015“ am 22. April in Köln veröffentlicht wurde.  

Die zweitägige Veranstaltung wird jährlich vom Branchenverband BIO Deutschland, dem Arbeitskreis der Bioregionen und einer Bioregion, in diesem Fall von BIO.NRW, ausgerichtet und erwartet aktuell über 800 Teilnehmer aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik. Bereits im vergangenen Jahr konnte der wichtigste . Der Branchenreport wird jedes Jahr im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) nach den Leitlinien der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) durchgeführt. 

Umsatzmarke von 3 Milliarden Euro erreicht

Die wichtigsten wirtschaftlichen Kennzahlen der dedizierten Biotech-Unternehmen zeigen aktuell deutlich nach oben. So hat der Umsatz im Jahr 2014 erstmals die Marke von 3 Mrd. Euro durchbrochen. Gegenüber dem Vorjahr ist dies ein Plus von 5,8 %. Zum ersten Mal seit 2008 sind auch die Ausgaben für Forschung und Entwicklung (F&E) wieder gestiegen (+6,2 %). Sie erreichen nun 954 Mio. Euro und liegen damit über den Zahlen von 2013 (899 Mio. Euro) und 2012 (930 Mio. Euro). Einen Zuwachs gab es auch bei den Mitarbeiterzahlen: In den dedizierten, also hauptsächlich mit Biotechnologie beschäftigten Unternehmen wurden zum Ende des Jahres 2014 insgesamt 17.930 Arbeitsplätze gezählt (2013: 16.950), knapp 1.000 mehr als noch im Vorjahr (+5,8 %). Die Zahl dieser Firmen ist auf aktuell 578 gestiegen (2013: 570), darunter waren 13 Neugründungen.

Biotechnologie von Interesse in Großindustrie  

Als industrielles Thema ist die Biotechnologie weiterhin von großer Relevanz: Für  insgesamt 131 weitere Unternehmen stellt die Biotechnologie ein Teil ihres Geschäftes dar (2013: 130). Dazu gehören unter anderem Konzerne aus der Pharma-, Chemie- und Lebensmittelindustrie. In den biotechnologisch ausgerichteten Bereichen dieser Unternehmen waren 19.200 Mitarbeiter tätig (2013: 18.450). Zusammengerechnet ergibt das für 2014 insgesamt 37.130 Arbeitsplätze in der kommerziellen Biotechnologie in Deutschland. Dies bedeutet ein Wachstum um 4,9 %. (2013: 35.400)  

Auch im Finanzierungsbereich setzt sich ein Aufwärtstrend fort: Insgesamt rund 445 Mio. Euro wurde in die deutschen Biotech-Firmen investiert (2013: 401 Mio. Euro). Die privaten Firmen haben in 18 Finanzierungsrunden Gelder in Höhe von 172 Mio. Euro eingeworben (2013: 137 Mio. Euro), gegenüber dem Vorjahr eine Steigerung um 26 %.  „2014 war ein Wachstumsjahr für die deutsche Biotech-Branche, vor allem bei den privaten Finanzierungen ging es deutlich nach oben. Erfreulich ist, dass hier die Investorenbasis auch wieder breiter wird“, resümiert Boris Mannhardt, Vorstand der BIOCOM AG und Leiter der Studie bei biotechnologie.de.


Bewegung auf dem Börsenparkett

Auch auf dem Börsenparkett gibt es wieder Bewegung. Erstmals seit Jahren haben deutsche Biotechnologie-Firmen wieder den Gang an die Börse gewagt, allerdings fernab des Heimatmarktes. Zwei Firmen wählten die USA (Affimed, Pieris), eine die Börse in Amsterdam (Probiodrug). Über diese Börsengänge sind Finanzmittel in Höhe von 77 Mio. Euro geflossen. Bei den Folgefinanzierungen gab es im Vergleich zum Vorjahr indes einen deutlichen Rückgang um 30 %. So haben die börsennotierten Firmen lediglich 152 Mio. Euro eingeworben, 2013 waren es noch 218 Mio. Euro. Der Anteil der öffentlichen Förderung ist mit 44 Mio. Euro erstmals in den vergangenen zehn Jahren deutlich gesunken (2013: 49 Mio. Euro).

Klinische Pipeline gewachsen

Die Hälfte aller Biotech-Firmen (50 %) ist im Bereich Gesundheit aktiv. Bis heute haben deutsche Biotechnologie-Unternehmen zehn Therapeutika zur Zulassung gebracht. Die Gesamtzahl der Wirkstoffkandidaten in der klinischen Erprobung ist 2014 wieder leicht auf 97 gestiegen (2013: 91). Insgesamt 51 Unternehmen haben einen oder mehrere Medikamentenkandidaten in der klinischen Entwicklung (2013: 48). Die große Mehrheit der "roten" Biotechnologie-Firmen  (154) setzt auf Technologieplattformen oder hat Projekte in der präklinischen Forschung. Weitere 81 Firmen (2013: 77) entwickeln Diagnostika. Im Jahr 2014 waren vor allem verstärkt Aktivitäten in der Krebsimmuntherapie zu beobachten. So schloss die Merck KGaA eine Partnerschaft mit der Morphosys AG und Boehringer Ingelheim ging eine strategische Kooperation mit Curevac ein. „Die deutsche Biotechnologie-Branche profitiert vom internationalen Aufwärtstrend, dokumentiert durch einige substanzielle Pharmapartnerschaften und Finanzierungen, die im 1. Quartal verkündet wurden. Für ein weiteres nachhaltiges Wachstum brauchen wir aber ein politisches Umfeld, das Investitionen in Innovationen begünstigt", betont Peter Heinrich, Vorstandsvorsitzender des Unternehmensverbandes BIO Deutschland.

Die komplette Studie wird am 13. Mai auf biotechnologie.de veröffentlicht.

Das jährliche Familientreffen ist fest im Kalender der Biotech-Branche etabliert: Trotz Bahnstreik haben 860 Besucher den Weg zu den diesjährigen „Deutschen Biotechnologietagen“ in Köln gefunden – ein neuer Rekord. Die Veranstalter um BIO Deutschland, dem Arbeitskreis der BioRegionen und Gastgeber BIO.NRW zeigten sich rundum zufrieden mit der zweitägigen Konferenz, die vom 22. bis 23. April im Congress Zentrum der Messe Köln stattfand. Ob Finanzierung, Big Data oder Bioökonomie – an Gesprächsstoff mangelte es nicht.

„Wir haben hier das richtige Format für die deutsche „Biotechnologie-Community“ geschaffen“, bilanzierte Peter Heinrich, Vorstandsvorsitzender von BIO Deutschland. Mit zwanzig parallelen Foren war das Themenspektrum wieder breit aufgesetzt. Und auch Gastgeber BIO.NRW zeigte sich zufrieden.  „Wir wollen die 800-Marke bei den Teilnehmern knacken“, hatte Clustermanager Bernward Garthoff noch im Vorjahr angekündigt. Nun konnte er Vollzug melden. „Dabei war uns dieses Mal die Bioökonomie ein besonderes Anliegen“, betonte er. „Das Konzept der Bioökonomie feiert dieses Jahr zehnjähriges Jubiläum und das wichtige „Cologne-Paper“ dazu wurde 2007 hier in Köln vorgestellt.“

Definition der Bioökonomie erweitern 

Als einer der Keynote-Redner des ersten Tages warb der Vorsitzende des Bioökonomierates, Joachim von Braun, denn auch für eine möglichst umfassende Definition der Bioökonomie. So gehöre auch die medizinische Biotechnologie zur Bioökonomie, sagte er. Im vergangenen Jahrzehnt hätten sich die Voraussetzungen für den Ausbau der Bioökonomie erheblich verändert. Als vor acht Jahren unter deutscher Ratspräsidentschaft das Cologne-Paper „En Route to the Knowledge-Based Bio-Economy“ veröffentlicht wurde, seien die Erwartungen vor allem durch das vermeintliche Ende des Ölzeitalters und einen entsprechenden Preisanstieg geprägt gewesen. Angesichts der mittelfristigen Verfügbarkeit und der gesunkenen Preise für fossile Ressourcen stünden heute Innovation und Nachhaltigkeit stärker im Fokus als die bloße Substitution fossiler Ressourcen.

Gerade die Pharmaindustrie habe gezeigt, wie biologische Veränderungen einen Wirtschaftsbereich transformieren könnten. Therapeutische Proteine wie etwa Antikörper hätten neue Innovations- und Kooperationsmodelle hervorgebracht, wie sie für die Bioökonomie auch in anderen Branchen exemplarisch sein könnten. In Europa und Deutschland gehöre die medizinische Biotechnologie lediglich im Hinblick auf die Produktion zur Bioökonomie. Weite Bereiche blieben ausgeblendet – im Gegensatz zu Ländern wie den USA, Kanada, China oder Indien, die auch die medizinische Forschung und Therapien selbstverständlich in die Bioökonomie einbezögen. Die deutsche Position gelte es daher zu überdenken, forderte von Braun. Vor diesem Hintergrund betonte er auch die Bedeutung einer übergeordneten politischen Ebene, um die verschiedenen Bioökonomie-Ansätze auf globaler Ebene zu vernetzen. "Wir müssen die Basis für einen globalen Agendaprozess schaffen", sagte er mit Verweis auf den Global Bioeconomy Summit, zu dem der Bioökonomierat im November in Berlin einlädt.

Bioökonomie im Supermarkt

Dass Bioökonomie längst mit Alltagsprodukten aufwarten kann, darüber berichtete unter anderem die Firma Prolupin aus Mecklenburg-Vorpommern. Ihr auf der Basis von Lupinen hergestelltes Eis soll ab Mitte Mai in noch mehr deutschen Supermärkten erhältlich sein. Erst im November 2014 hatten die Macher für ihre Technologie Wie wichtig der konkrete Nutzen eines biobasierten Produktes ist und dass mitunter verschiedene Nachhaltigskeitsansprüche in Konkurrenz zueinander stehen, darüber wurde ebenfalls diskutiert. Umweltaktivistin und Greenpeace-Mitbegründerin Monika Griefahn unterstrich jedoch, dass die Bioökonomie in die internationalen Agenden zur Nachhaltigkeit und Klima aufgenommen werden sollte.  

Digitalisierung als Treiber der Biotechnologie

Großen Zuspruch erfuhr in diesem Jahr auch das Thema Big Data. „Die Digitalisierung ist derzeit der entscheidende Treiber der Biotech-Branche“, sagte Peer Schatz, Vorstandsvorsitzender von Qiagen, in seinem Keynote-Vortrag am ersten Tag. Der Chef des größten deutschen Biotech-Unternehmens betonte, dass man schon jetzt 50 Mio. Euro Umsatz mit der Bioinformatik erwirtschafte und jede zweite Neueinstellung damit verbunden sei. Der Beruf des "Data Scientist" könnte nicht bedeutend genug eingeschätzt werden, so Schatz. Vor allem mit Blick auf neue Therapieoptionen müssten die Datenmengen schließlich passgenau gefiltert werden. „Ärzte wollen Handlungsempfehlungen, diese müssen wir liefern“, sagte Schatz. Dass die Digitalisierung von hoher Relevanz für Pharmafirmen ist, unterstrich auch Monika Lessl von der Leverkusener Bayer AG. Die Expertin für Open Innovation stellte unter anderem den Grant4Apps-Wettbewerb vor, in dem der Pharmakonzern erfolgsversprechende eHealth-Startups auf den Weg bringen will und der in diesem Jahr bereits zum zweiten Mal ausgelobt wird. Wie Pharma-,Biotech- und Medtechbranche immer mehr zusammenwachsen wurde erst jüngst in Berlin deutlich, als sich die Health-IT-Branche auf der Messe conhIT versammelte, um die neuesten

Finanzierungssituation in der Diskussion

Den größten Gesprächsstoff bot jedoch – wie auch schon in den Jahren zuvor – die aktuelle Finanzierungssituation der Branche. So fielen die jüngsten, von biotechnologie.de veröffentlichten Kennzahlen Noch nie wurde soviel Umsatz erwirtschaftet. Für Aufwind sorgten zudem der Einstieg von Bill Gates bei der und der Millionendeal von Viele Besucher nutzten auf den Biotechnologietagen die Gelegenheit, sich diese Erfolgsgeschichten von den Protagnosten noch einmal selbst erzählen zu lassen: Entsprechend groß war der Andrang bei den Vorträgen von Ingmar Hoerr  und Claus Kremoser. Mit Blick auf die allgemeine Finanzierungslage zog Michael Brandkamp vom High-Tech-Gründerfonds eine positive Bilanz: „Wir sehen für unsere Life-Sciences Firmen eine hohe Zahl an Anschlussfinanzierungen aus allen Kapitalquellen.“ So seien Business Angels, Corporate Venture Fonds und Wagniskapitalgeber zu gleichen Teilen bei Serie-A-Finanzierungen vertreten. Vor allem ausländische Investoren seien in Deutschland zunehmend aktiv.

Mehr Privatkapital mobilisieren

Einig waren sich die meisten Diskutanten, dass künftig noch mehr Privatkapital mobilisiert werden muss. „Das Interesse ist da“, sagte zum Beispiel Roland Oetker, allerdings hapere es an der breiten Aktzeptanz solcher Investitionen. „Sie müssen ihre Geldanlage abends ihrer Frau erklären können“, erläuterte er. Leider sei die Biotechnologie aber noch kein gutes Partygespräch, kritisierte Oetker. Jedoch könne der Einstieg von Gates eine Trendwende sein. Als zusätzliches Finanzierungsinstrument wurde auch Crowdinvesting diskutiert. Erst im April hatte die  Biotech-Firma Metabolomic Discoveries über die Crowdfunding-Plattform Indiegogo 50.000 Euro eingeworben. Damit wollen die Potsdamer mit Massenspektrometrie-Analysen  Seit September 2014 suchen die Rostocker Forscher der Firma Neuroproof auf der Crowdfunding-Plattform Es ist das zweite Mal, dass  die Rostocker mittels Crowdfunding Geld einsammeln wollen. Bereits im Herbst 2013 hatten die Neurospezialisten dieses Finanzierungsformat ausprobiert - damals mit Erfolg, wie Firmenchef Olaf Schröder in Köln berichtete. Bei der Plattform Deutsche Mikroinvest können sich Interessierte in Form eines Nachrangdarlehens am Erfolg des Unternehmens beteiligen. Der minimale Investionsbetrag sind 250 Euro. Bei einer Mindestlaufzeit von fünf Jahren erhalten Investoren einen Basiszins von 8,5 Prozent. "Wir sind regelmäßig mit unseren 300 Anlegern in Kontakt, berichten im Blog über unsere Fortschritte und laden sie auch immer wieder zu uns in die Firma ein", so Schröder. Auch neue Kunden seien über die Plattform bereits auf ihn aufmerksam geworden.

BMWi: Verlustvorträge in Angriff nehmen

Erstmals war auch das Thema Börse wieder konkret auf der Veranstaltung präsent: Stefan Höfer von der Deutschen Börse berichtete Details zur geplanten vorbörslichen Plattform, die im Sommer starten soll und wachstumsstarken Firmen mit Kapitalbedarf den Zugang zu Investoren erleichtern soll. Bei der Podiumsdiskussion am zweiten Tag stellte Matthias Machnig, Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, eine Änderung bei den gesetzlichen Regelungen zu Verlustvorträgen in Aussicht. Denn nur mit Neuregelungen wie diesen, so die weit verbreitete Meinung der Branchenvertreter, könnte der aktuelle Aufwärtstrend auch nachhaltig wirksam werden. „Die Bundesregierung will hierzu Gespräche mit der EU-Kommission in Brüssel aufnehmen“, sagte Machnig. Zudem kündigte er ein neues  Venture-Capital Gesetz noch in dieser Legislaturperiode an.  All zu große Hoffnungen in schnelle Schritte hatte jedoch kaum jemand. Vielmehr setzen die meisten darauf, trotz der aktuellen Rahmenbedingungen zu wachsen. Karsten Henco, erfahrener Biotech-Seriengründer und Investore, lobte die deutschen Gründer, dass sie inzwischen gelernt hätten, die richtigen Dinge zu tun und die Dinge richtig zu tun.

Fördergelder und Preise

Dass es an vielfältigen Ideen nicht mangelt, wurde in den Symposien  der Bundesregierung deutlich. Hier präsentierten rund 30 Projektleiter die Ergebnisse von Biotech-Projekten aus der Bioökonomie und Gesundheitswirtschaft, die durch das Bundesforschungs- oder Bundeswirtschaftsministerium gefördert wurden.  Verteilt über vier Sessions berichteten sie über Ergebnisse aus der Pflanzenzüchtung, der Verfahrenstechnik, von neuen Plattformtechnologien  und therapeutischen sowie diagnostischen Ansätzen. Darüber hinaus gab es Details zu aktuellen Fördermaßnahmen des BMBF - wie die siebte Runde des GO-Bio-Wettbewerbs und die zweite Runde des Wettbewerbs "Neue Produkte in der Bioökonomie". Auch die neue Richtlinie der BMWi-Fördermaßnahme Zentrales Innovationsprogramm Mittelstand (ZIM) wurde vorgestellt. Nicht fehlen durfte auch die Auszeichnung der Gewinner des diesjährigen Innovationspreises der Bioregionen. Die drei Preisträger wurden bei der Abendveranstaltung in der Flora Köln offiziell vorgestellt: Unter den 34 Einreichungen konnten sich ein Team um Professor Mack vom Universitätsklinikum Regensburg (Autoimmunerkrankungen), das Team um Dr. Schwarz von der Technischen Universität München (Biomasse) sowie ein Team um Prof. Hörauf vom Universitätsklinikum Bonn (Neues Antibiotikum gegen Wurm-Erkrankungen) durchsetzen.

Biotechnologietage 2016 in Leipzig

Die Messlatte für die Deutschen Biotechnologietage 2016 ist damit gesetzt, als nächster Gastgeber präsentierte sich das sächsische Biotech-Netzwerk biosaxony. Geschäftsführer André Hofmann gab sich hoffnungsvoll, auch im nächsten Jahr wieder ein attraktives Programm auf die Beine zu stellen. Es gilt, sich schon jetzt den 10. bis 11. Mai für einen Besuch in der traditionsreichen Messestadt Leipzig im Kalender zu markieren.

Beim Deutschen Innovationspreis sind diesmal gleich zwei Biotechnologie-Firmen ausgezeichnet worden. Die auf die bioinformatische Analyse von Krebspatientendaten spezialisierte Firma Alacris Theranostics aus Berlin punktete in der Kategorie für mittelständische Unternehmen. Das auf Messmethoden für Biomoleküle spezialisierte Münchner Unternehmen Dynamic Biosensors sicherte sich den Preis in der Kategorie Start-ups. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) hat beide Biotech-Unternehmen in ihren Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten unterstützt.

Mit dem auf Erkenntnissen der Systembiologie aufbauenden Simulationsprogramm Modcell konnte das Berliner Unternehmen Alacris die Jury überzeugen. Der Krebsspezialist wurde in der Kategorie „mittelständisches Unternehmen“ ausgezeichnet. Das individualisierte Modellierungsverfahren Modcell sagt auf der Grundlage einer detaillierten Analyse des Tumorgenoms und der gestörten Signalwege mögliche Wirkungen und Nebenwirkungen einer Therapie voraus. Damit unterstützt es den Arzt bei der Auswahl einer optimalen Therapie. Seit 2014 ist das Modell im Rahmen einer dreijährigen klinischen Studie an 30 Hautkrebspatienten im Einsatz. Zusätzlich kann das System für die Identifizierung von Biomarkern und die Wirkstoffforschung eingesetzt werden. Das Bundesforschungsministerium unterstützt die Erprobung und die Validierung des Systems im Rahmen des Systembiologie-Verbundprojektes „Treat20plus“ mit mehr als 3 Millionen Euro.

GO-Bio-Gründerteam bestes Start-up

In der Kategorie Start-up waren die Experten der Jury von der bioanalytischen Technologie von Dynamic Biosensors aus Martinsried überzeugt. Das Unternehmen hat basierend auf der hauseigenen Swichsense-Technologieplattform einen besonders empfindlichen Biochip entwickelt. Er kombiniert erstmals die Vorteile eines Chip-basierten Oberflächensensors mit einer dynamischen Messmethode. Möglich macht das eine Oberfläche mit definierten Fängermolekülen und ein sensitives Analysesystem. Das Gerät ist so empfindlich, dass sich selbst kleinste Änderungen, etwa durch Bindung eines Analyten, nachweisen lassen. Dabei werden nicht nur Bindungsaffinität und -kinetik bestimmt, sondern zusätzlich Informationen zu Konformationsänderungen oder zur Bildung von Aggregaten gemessen. Das Team von Dynamic Biosensors gehört zu den , mit dem das BMBF Gründerteams aus den Lebenswissenschaften fördert. Aus zwei GO-Bio-Förderphasen stehen dem Unternehmen aus Martinsried mehr als 4 Millionen Euro zur Verfügung.

Preis zum sechsten Mal vergeben

In der Kategorie „Großunternehmen“ wurde die Merck KGaA ausgezeichnet. Ausschlaggebend war diesmal jedoch nicht die Biotech- sondern die Flüssigkristall-Sparte. Sie hatte besonders effiziente Kristalle entwickelt, mit der sich der Stromverbrauch um 30 Prozent senken lassen kann. Der Deutsche Innovationspreis ist eine Initiative von Accenture, EnBW, Evonik und der Wirtschaftswoche. Er wird in diesem Jahr zum sechsten Mal an Unternehmen mit Hauptsitz in Deutschland verliehen.

Neben den Hochschulen und außeruniversitären Einrichtungen der vier Forschungsgemeinschaften haben sich in Deutschland über die vergangenen Jahrzehnte eine große Anzahl gemeinnütziger privater Institute etabliert, die eine anwendungsnahe Forschung betreiben und eng mit mittelständischen Firmen kooperieren. Ein gemeinsames Sprachrohr für diese Einrichtungen gab es bisher nicht. Das will die neu gegründete „Deutsche Industrieforschungsgemeinschaft Konrad Zuse“ ändern. Ihr erstes Strategiepapier macht auf Nachteile im aktuellen Fördersystem aufmerksam.

Der Verband „Deutsche Industrieforschungsgemeinschaft Konrad Zuse“ wurde  von zunächst 66 außeruniversitären Einrichtungen der institutionellen Forschung im Frühjahr gegründet und will sich nun als neuer Lobbyverband aktiv in die deutsche Förderpolitik einmischen. Dies ist auch für die stark mittelständisch geprägte Biotech-Branche von hoher Relevanz. Denn viele Firmen pflegen enge Kooperationsbeziehungen mit diesen Einrichtungen. So befinden sich unter dem Gründungsmitgliedern des neuen Verbands etliche Vertreter aus dem Bereich Lebens- und Biowissenschaften: das Dechema-Forschungsinstitut (DFI) gehört ebenso dazu wie das Biopos - Forschungsinstitut Bioaktive Polymersysteme aus Brandenburg oder die fzmb GmbH in Thüringen.  Weitere sieben Institute haben ebenfalls einen Biologie-Bezug. „Unseren Instituten fehlte im Vergleich zu den Mitgliedern anderer Forschungsvereinigungen bisher eine gemeinsame Sichtbarkeit und Interessenvertretung, daraus ergaben sich Nachteile im Wettbewerb“, betont Vizepräsident Bernd Grünler, hauptberuflich Vorstand im Verein Innovent-Technologieentwicklung Jena.

Anders als bei der Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen „Otto von Guericke“ (AIF) sind bei der Zuse-Gemeinschaft die Forschungsinstitute unmittelbar Mitglied und nicht etwaige Branchenverbände. Die Gemeinschaft geht auch über eine reine Forschungsallianz hinaus, betont Michael Schütze, Stiftungsvorstand des DFI: „Ziel ist es, diesen Instituten als Verbund in vielerlei Hinsicht ein stärkeres Gewicht in Politik und Wirtschaft zu verschaffen.“ Dies gilt insbesondere mit Blick auf die Förderung durch Bundesmittel.

Industrieforschung im Nachteil

Eine der ersten Forderungen der Zuse-Gemeinschaft, die in einem Strategiepapier veröffenticht wurden, zielt daher auf Änderungen in der Forschungsförderung. Kritik wird vor allem am derzeitigen Status der Großforschungseinrichtungen geübt. Die Kombination aus institutioneller Grundförderung und kostendeckender Projektförderung sei zwar ein Erfolgsmodell, heißt es, führe aber zu ungleichen Wettbewerbsbedingungen. „Zu beklagen ist, dass gemeinnützige Einrichtungen des Forschungsmittelstands unter den jetzigen Bedingungen öffentlich geförderte Innovationsprojekte nicht kostendeckend finanziert bekommen“, so Grünler. Sie seien gezwungen, eigene Mittel zur Kofinanzierung von öffentlich geförderten Forschungsprojekten einzusetzen.

Forderung nach besserer finanzieller Unterstützung

Dabei tragen sie aus Sicht der Zuse-Gemeinschaft zu einem großen Teil dazu bei, dass mittelständische Firmen innovative Produkte auf den Weg bringen können. „Die entscheidende Rolle unsere Einrichtungen beim Transfer anwendungsorientierter Forschungsergebnisse in die Wirtschaft wird vor Ort hoch geschätzt, in der Gesamtbetrachtung der deutschen Wissenschaftslandschaft werden sie aber noch zu wenig als effektive Wissenschaftsbrücke in die Industrie wahrgenommen“, erklärte der Präsident der Zuse-Gemeinschaft und Geschäftsführer des Thüringischen Instituts für Textil- und Kunststoff-Forschung, Ralf-Uwe Bauer am Rande der Gründungsveranstaltung.

Aus Sicht der Zuse-Gemeinschaft sei die Bedeutung der Arbeit der Mitgliedseinrichtungen am Innovationsgeschehen höher einzuschätzen als etwa die zumeist vorwettbewerblich angesiedelten F&E-Ansätze von außeruniversitären Einrichtungen der vier großen Forschungsgemeinschaften. Es gelte nun, die institutionelle Industrieforschung in Deutschland - die insgesamt über alle Technologiefelder hinweg rund 130 Einrichtungen umfasst - stärker als bisher in der aktuellen Förderlandschaft zu berücksichtigen. Vor allem vor dem Hintergrund sinkender F&E-Ausgaben der KMUs in Deutschland, wie sie erst jüngst im Innovationsbericht der KfW festgestellt wurde. „Zur Deckung dieser Innovationslücke muss der Forschungsmittelstand gestärkt werden“, fordert Grünler. Deutschland lebe vom Ideenwettbewerb. „Wenn Deutschland glaubt, sich diesen wichtigen Hebel zur Stärkung der Innovationsleistung nicht leisten zu können, wird es sich einem Preiswettbewerb stellen müssen, den es am Ende nur verlieren kann“.

Alle drei Jahre versammelt sich die globale Chemie- und Prozesstechnikindustrie auf der ACHEMA in Frankfurt/Main. Knapp 4.000 Aussteller und mehr als 160.000 Besucher fanden Mitte Juni den Weg in die Messestadt. Während sich die einen neueste Geräte in Labor, Produktion und Verpackung präsentieren ließen, tauschten sich Entwickler über aktuelle Forschungstrends aus. Der Zentralverband der Elektroindustrie beleuchtete in einer Roadmap zur industriellen Biotechnologie künftige Chancen für die Automatisierungsindustrie. In einer Podiumsdiskussion stellten sich Industrievertreter der Frage, in wieweit sich der Fracking-Boom auf den Aufbau einer biobasierten Wirtschaft auswirkt. Die Biotech-Firma 4Gene wiederum wurde mit dem Gründerpreis der ACHEMA ausgezeichnet.

Für eine Woche behauptete sich die Messestadt Frankfurt am Main erneut als Zentrum der weltweiten Chemie- und Prozessindustrie. Insgesamt 3813 Aussteller (2012: 3773) aus der Chemie-, Pharma-, Lebensmittel- und Prozessindustrie präsentierten sich vom 15. bis 19. Juni bei der diesjährigen ACHEMA dem Fachpublikum. Insgesamt 166.000 Besucher (2012: 167.000) zog es zur Messestand in Hessen. Inhaltlich gab es eine breite Palette an Produkten zu sehen: Von der Laborausrüstung über Komponenten und den Anlagenbau bis hin zur Verpackungsstraße war zu sehen, was in Chemie, Verfahrenstechnik und Biotechnologie derzeit gebraucht wird. Einen Blick in das Labor der Zukunft warf zum Beispiel die Initiative Nexygen: Arbeitsflächen sollen hier am besten gar nicht berührt werden, mit Handbewegungen in der Luft starten Geräte, öffnen sich Schubladen oder geben das Signal zum Start des Wasserhahns. Hinter Nexygen verbergen sich die Laborausrüster Sartorius, Köttermann, Memmert, 2mag und Hirschmann. "Unser Ziel ist es, Labormöbel und -oberflächen intelligenter, Laborabläufe effizienter und den Umgang mit Ressourcen schonender zu gestalten", sagt Tobias Thiele, Geschäftsführer von Köttermann. Gemeinsam soll in abgestimmten Geräten und Labormöbeln der gesamte Analyseprozess von der Probenaufbereitung bis hin zur Entsorgung und Dokumentation berücksichtigt werden. „Hier auf der ACHEMA stellen wir uns erstmals direkt unseren Kunden und zeigen erste Prototypen“, berichtet Katja Rosenke, Marketingleiterin von Memmert. Die erste Resonanz sei positiv. Auf Basis der Messeeindrücke sollen dann die nächsten Schritte beraten und konkrete Prototypen entwickelt werden.

Biotech-Firmen erfolgreich beim Gründerpreis

Beim erstmalig vergebenen ACHEMA-Gründerpreis holten sich zwei Biotech-Firmen – 4Gene in der Sparte Industrielle Biotechnologie und Ionera im Bereich Messtechnik – die mit je 10.000 Euro dotierten Hauptpreise. Außerdem durften sie ihre Produkte die gesamte ACHEMA-Woche an einem Gemeinschaftsstand in Halle 9.2 kostenlos präsentieren. 4Gene ist eine Ausgründung der TU München und wirbt mit dem Slogan „Duft auf Abruf“. Die biotechnologisch hergestellten Aromastoffe werden bei 4Gene an bestimmte Zucker – Glykoside – gekoppelt. Damit werden die äußerst flüchtigen Terpene stabilisiert und haltbarer gemacht. Die natürlichen, biotechnisch hergestellten Aroma-Glykoside können in Konsumartikeln eingesetzt werden. In Deodorants beispielsweise: Beim Schwitzen bilden sich auf der menschlichen Haut Enzyme, die Aroma-Glykoside spalten. Dieser Vorgang könnte es einem Deodorant ermöglichen, seine Duftstoffe erst dann freizusetzen, wenn sie am dringendsten gebraucht werden. Der aktive Wirkungszeitraum des Deodorants würde sich auf diese Weise verlängern. Ionera wiederum will den Alltag der Laboranalytik vereinfachen. So wurden in den letzten Jahren in Nanotechnologie, Chemo- und Bioanalytik vielversprechende messtechnische Methoden auf den Weg gebracht, deren gemeinsame Basis ein Ionenstrom ist, der durch einzelne Poren oder Kanäle in elektrisch isolierenden Membranen verläuft. Allerdings war eine solche Analyse bislang spezialisierten Forschungslabors vorbehalten. Ionera liefert nun einen neuen Ansatz, der Messungen schnell, einfach und mit erhöhtem Durchsatz ermöglicht. Ionera Technologies  hat eine Technologie zur Herstellung von Doppelmembranen („bilayer“) entwickelt. 16 von diesen stabilen Doppelschichten liegen auf dem Microelectrode Cavity Array (MECA) der Firma vor. Für Forscher besonders interessant: So ziemlich jedes (porenbildendes) Membranprotein kann in Ioneras Doppelmembranen integriert werden. Die mit den Chips von Ionera gewonnenen Daten lassen sich zudem mit den Geräten eines anderen Münchener Startups (Nanion Technologies) auslesen.

ZVEI stellt Roadmap industrielle Biotechnologie vor

Dass die Biotechnologie auch für die Automatisierungsindustrie zunehmend von Interesse ist, stellte der Zentralverband der Elektroindustrie (ZVEI) in einer neuen Roadmap zur industriellen Biotechnologie auf der ACHEMA vor. Hierin wurden neueste Trends und Entwicklungen analysiert. Demnach zählen die Bereiche Sensor-Messtechnik, Software und Modellierung sowie Leit- und Prozesstechnik zu den Schlüsseltechnologien, in denen biotechnologische Verfahren in der Automatisierungsbranche eine wesentliche Rolle spielen. "Mit der Roadmap verbinden wir keine politischen Forderungen", so Markus Winzenick, Geschäftsführer des Fachverbandes Automation im ZVEI. Vielmehr gehe es darum, den Mitgliedsfirmen Hinweise auf potentielle Marktfelder und künftige Herausforderungen zu geben. Vertreter von Siemens und Evonik stellten denn auch die Bedeutung der Biotechnologie für ihre Firmen heraus. Während Siemens bislang noch in kleinerem Umfang vor allem beim Aufbau von Bioraffinerien in den Bereichen Pharma und Bioenergie tätig ist, präsentierte Evonik sein breites Portfolio an biobasierten Produkten. "Bis zum Jahr 2019 wollen wir unseren Biotech-Umsatz um 6% steigern", sagte Thomas Böhland von Evonik.  

Hemmt der Fracking-Boom die Bioökonomie?

Inwieweit der aktuelle Fracking-Boom in der Industrie für ein nachlassendes Interesse an der Bioökonomie sorgt, darüber waren sich die Experten uneins. "Auch wenn es bei Bioraffinerien derzeit eine gewisse Investitionspause gibt, denken wir, dass wir hier uns hier als Anlagenbauer bereit halten müssen", betonte zum Beispiel Miguel Fernandez von der Siemens AG gegenüber biotechnologie.de. Bei der ACHEMA-Podiumsdiskussion „Bioökonomie in der Shale-Gas-Falle?“ waren die Meinungen deutlich zurückhaltender. Eugen Weinberg, Rohstoffexperte der Commerzbank, geht davon aus, dass sich Shale-Gas aufgrund des niedrigen Preises durchsetzen werde. Er hielt es zudem für fraglich, ob Kunden bereit sind, für biobasierte Produkte mehr zu zahlen. Holger Zinke, nicht nur Vorstandsvorsitzender der BRAIN AG, sondern als Mitglied des Bioökonomierates auch Berater der Bundesregierung, sieht die Bioökonomie indes als Gewinner: Womöglöich sei Shale-Gas kurzfristig erfolgreich, aber die Bioökonomie stehe auf Seiten des gesellschaftlichen Wandels. „Das politische und gesellschaftliche Denken hat sich in den letzten Jahren verändert“, erklärte Zinke. Das sei die eigentliche Revolution. Vor noch etwa 10, 15 Jahren sei Nachhaltigkeit etwas „Esoterisches“ gewesen. Heutzutage tauche die Frage der Nachhaltigkeit fast überall auf: Sowohl in Regierungserklärungen als auch in Präambeln von Dax-Konzernen. Sein Fazit: „Es findet ein Wandel im Bewusstsein statt.“

Sind die Potenziale der Bioökonomie begrenzt?

Eher wettbewerbsorientiert sah Wolgang Büchele von der Linde AG die aktuelle Situation: „Am Ende des Tages stehen biobasierte Produkte im Wettbewerb.“ Anlagen der Bioökonomie beispielsweise müssten kleiner sein als herkömmliche. Das allerdings habe Grenzen: Sinkt die Jahresproduktion unter 100.000 Tonnen, dann mache es aus seiner Sicht keinen Sinn: „Wie klein darf eine Anlage sein, damit sie noch wirtschaftlich arbeiten kann?“ Diesen Aspekt  ließ Holger Zinke jedoch nicht gelten: „Die Bioökonomie ist nicht die Lösung für alles.“ Aus seiner Sicht könnten bioökonomische Produkte im Premiumbereich durchaus auch mit kleineren Anlagen rentabel sein. Man müsse sich im System richtig aufstellen, gab aber auch er zu Bedenken. Aber, so Zinke: "Vieles ist lösbar, wenn man neu denkt."

Dass etliche biobasierte Produkte bereits im Verbraucheralltag zu finden sind, davon konnte sich jeder ACHEMA-Besucher sein eigenes Bild machen. Rund 40 Produkte wurden von der BIOCOM AG im Auftrag der Dechema in der Ausstellung "Bioökonomie im Alltag" präsentiert.  Vor allem das Mountainbike mit Leichtbauröhren aus Echtholzfurnieren lockte das Fachpublikum auf den Stand. Aber auch der Gummireifen aus Löwenzahn oder die Kleider aus Kaffee- und Milchresten sorgten immer wieder für Überraschung. Mit der neuen Messe "Biobased World" will die Dechema ihr Veranstaltungs-Portfolio künftig in Richtung Bioökonomie erweitern. Die BiobasedWorld wird am 15. bis 16. Februar 2017 auf dem Messegelände Köln stattfinden, gab Thomas Scheuring, Geschäftsführer der Dechema Ausstellungs-GmbH, in Frankfurt zum Ende der ACHEMA bekannt. Die nächste ACHEMA gibt es vom 11. bis 15. Juni 2018 in Frankfurt am Main.

Das Rennen um die zehn vielversprechendsten Geschäftsideen in den Lebenswissenschaften ist beendet: Beim Science4Life Businessplan-Wettbewerb 2015 eroberten Biotechnologen die Top 5. Sieger ist die Heidelberger TolerogenixX mit einer Immuntherapie, die Patienten mit einem Spenderorgan mehr Lebensqualität verschafft. Darüber hinaus war die Beteiligung an der Gründerinitiative noch nie so hoch.

Bei dem von der Hessischen Landesregierung und dem Gesundheitsunternehmen Sanofi seit 1998 veranstalteten Gründungsinitiative, werden die besten Ideen junger Unternehmen aus den Bereichen Life Science und Chemie von Spezialisten bei der Umsetzung ihrer Geschäftsideen begleitet. Mit 60 Hightech-Gründern aus Deutschland, Österreich und Schweiz war die Beteiligung am diesjährigen Businessplan-Wettbewerb so hoch wie noch nie. Nun wurden die zehn besten Gründerteams mit Preisgeldern von insgesamt 56.000 Euro prämiert. Dabei konnten vor allem Ideen junger Biotech-Unternehmen bei der Jury punkten und die Top 5  unter sich ausmachen.

Science4Life: Die Top 5

1. Platz (25.000 Euro)
tolerogenixX / Heidelberg
2. Platz (10.000 Euro)
Sulfotools / Darmstadt
3. Platz (5.000 Euro)
aquila biolabs GmbH / Aachen
4. Platz (3.000 Euro)
Polyneuron Pharmaceuticals AG   
Basel/Schweiz
5. Platz (3.000 Euro)
dextrinova / Jena
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Sieg für maßgeschneiderte Autoimmuntherapie

Sieger der 17. Auflage im Wettstreit um die beste Geschäftsidee und damit Gewinner eines Preisgeldes von 25.000 Euro ist die Heidelberger Firma TolerogenixX. Das junge Unternehmen überzeugte mit der Entwicklung einer Technologie zur Modifikation des Immunsystems bei Transplantationen und Autoimmunerkrankungen. Die bereits patentgeschützte Technologie ermöglicht, durch spezielle Behandlung von weißen Blutkörperchen, eine individualisierte Immunsuppression. Auf diese Weise können Autoimmunerkrankungen geheilt und das Risiko der Abstoßung von Organen bei Transplantationen verringert werden. „Wir haben sehr gute präklinische Daten vorliegen und einen erfolgreichen Heilversuch durchgeführt. Unser Ziel ist es, zügig mit Phase II zu starten, um den proof of concept zu erbringen“, so Geschäftsführer Matthias Schaier.

Zeit-und kostensparende Innovationen überzeugen

Platz zwei mit 10.000 Euro belegt Sulfotools aus Darmstadt mit dem neuen Herstellungsprozess Clean Peptide Technology. Mit Hilfe dieser Methode können bei der Peptidsynthese giftige Lösungsmittel kostengünstig und umweltfreundlich durch Wasser ersetzt und der Chemikalienverbrauch deutlich reduziert werden.  Eine zeit- und kostensparende Innovation für die biotechnologische Forschung, Entwicklung und Produktion ist das neue Laborgerät der aquila biolabs GmbH aus Aachen. Mit der automatisierten Bioprozessüberwachung in Schüttelkolben kommt das Aachener Team auf Platz drei und wurde mit 5000 Euro belohnt. Auf den Platzen vier und fünf rangieren die Plattformtechnologie "Antibody-Catch" der Polyneuron Pharmaceuticals AG aus Basel und das Team von dextrinova aus Jena mit einem biologisch unbedenklichen, schadstofffreien Schmelzklebstoff, der auch in Kosmetik und Medizin zum Einsatz kommen kann.

Gute Zeiten für Gründer

Fast die Hälfte aller Businessplan-Bewerber peilt inzwischen die Selbstständigkeit an oder hat sie sogar schon umgesetzt. "Die Zeiten für Gründer waren nie besser als heute", so Forschungsgeschäftsführer von Sanofi, Jochen Maas. Zuletzt hätten Investoren in Deutschland zwar mehr Kapital zur Verfügung gestellt, um junge Unternehmen zu unterstützen. Allerdings könne Deutschland, so Maas, noch viel von den USA lernen.Dort seien die Finanzierungsbedingungen für Hightech-Unternehmen noch immer deutlich besser. Nach der Prämierung der Gewinner peilt die Gründungsinitiative Science4Life schon die nächste Runde an. Der offizielle Kick-off zur 18. Wettbewerbsrunde findet am 14. September 2015 in Frankfurt/Main statt.

In der Agrarchemie-Branche kündigt sich eine Mega-Fusion an: der Chemie- und Pharmakonzern Bayer will den US-Saatgutkonzern Monsanto für insgesamt 62 Mrd. US-Dollar (rund 55 Mrd. Euro) kaufen. Pro Monsanto-Aktie wolle man 122 US-Dollar zahlen, teilte das Leverkusener Unternehmen mit. Bayer würde damit zum weltgrößten Agrarchemie-Hersteller werden. Der geplante Zukauf reiht sich ein in die aktuelle Liste milliardenschwerer Übernahmen in der Agrarchemieindustrie. Umweltaktivisten warnen vor der Fusion und dem schlechten Ruf des US-Konzerns.

Seit Tagen war bekannt, dass Bayer in Übernahme-Verhandlungen mit Monsanto steht. Nun haben die Leverkusener offenbart, wieviel Geld sie für den Kauf des Agrarriesen auf den Tisch legen wollen: 62 Mrd. US-Dollar. „Bayer will durch die Übernahme von Monsanto ein weltweit führendes Unternehmen der Agrarwirtschaft werden“, heißt es in einer Mitteilung von Bayer vom 23. Mai. Zur Finanzierung setzt Bayer auch auf eine Kapitalerhöhung. Die Offerte entspreche einem Aufschlag von 37 Prozent auf den Schlusskurs der Monsanto-Aktie vor zwei Wochen. Der Eigenkapitalanteil soll voraussichtlich rund 25 Prozent des Unternehmenswerts abdecken, das der Transaktion zugrunde liegt. An der Börse sorgte die Bekanntgabe des gebotenen Kaufpreises zunächst für Kursverluste der Bayer-Aktie.

Weltgrößter Agrarchemie-Konzern würde entstehen

Bayer-Chef Werner Baumann verteidigt trotz der Vorbehalte der Aktionäre seine Übernahmepläne. Baumann ist gerade einmal drei Wochen im Amt und plant mit der Fusion die größte Investition der 150 Jahre alten Firmengeschichte der Leverkusener. Monsanto wird an der Börse derzeit mit etwa 45 Mrd. Dollar (ca. 40 Mrd. Euro) bewertet. Bayer ist etwa das Doppelte wert. Mit der Übernahme würde der deutsche Konzern, der sich immer mehr als Life-Science-Konzern mit den Sparten Pharma und Agrar profilieren will, zum weltgrößten Agrarchemie-Hersteller werden. "Die Agrarindustrie steht angesichts der schnell wachsenden Weltbevölkerung und der globalen Erwärmung vor gigantischen Herausforderungen. Durch die Kombination ihrer Fähigkeiten könnten Bayer und Monsanto hier wegweisende Antworten geben", betont Baumann.

Digitalisierung in der Landwirtschaft vorantreiben

Im Rahmen der Fusion von Bayer und Monsanto sollen die Plattformen in den Bereichen Saatgut und Pflanzeneigenschaften, Pflanzenschutz, Biologika sowie digitale Landwirtschaft zusammengeführt werden -  so sehen es die Pläne in Leverkusen vor. Aus deutscher Perspektive eine Win-Win-Situation: Monsantos Stärken liegen im Bereich Saatgut und Züchtung von Pflanzen mit besonderen Eigenschaften. Bayer verfügt wiederum über ein breites Portfolio im Bereich Pflanzenschutz. Damit würde der kombinierte Konzern zur weltweiten Nummer eins im Agrarchemiegeschäft aufsteigen. Auch geografisch würden sich die beiden Unternehmen gut ergänzen, heißt es bei Bayer. Die langjährige Präsenz von Bayer in Nord- und Südamerika könnte deutlich ausgebaut und die Position in Europa und Asien/Pazifik gestärkt werden, betonen die Bayer-Verantwortlichen. "Wir sind seit langem von Monsanto beeindruckt", begründete Baumann den Schritt. Nicht zuletzt die führende Rolle der Amerikaner in der Biotechnologie und bei der Nutzung digitaler Techniken für die Landwirtschaft mache den US-Konzern attraktiv für die Deutschen. Bereits nach drei Jahren rechnen die Leverkusener durch den Zusammenschluss mit Einsparungen von rund 1,5 Milliarden Dollar jährlich.

Elefantenhochzeiten in der Agrarchemie-Branche

Viele Pharmaanalysten betrachten jedoch mit Sorge, dass mit der Monsanto-Übernahme das Agrargeschäft von Bayer eine viel größere Rolle im Konzern spielen würde. Monsanto erlöst pro Jahr gut 15 Mrd. Dollar (etwa 13 Mrd. Euro) mit Saatgut und Pflanzenschutzmitteln. Bayer kam im vergangenen Jahr insgesamt auf einen Umsatz von 46,3 Mrd. Euro. Ob eine unzulässige Monopolstellung durch die Fusion entstehen würde, müssen Aufsichtsbehörden erst noch prüfen. Die Fusionspläne sehen weiterhin vor, dass die Saatgut-Sparte sowie die Nordamerika-Geschäfte des zusammengeschlossenen Unternehmens vom Monsanto-Hauptsitz in St. Louis im US-Bundesstaat Missouri aus gesteuert werden sollen. Der Pflanzenschutz soll seinen globalen Hauptsitz in Monheim am Rhein haben.

Kritische Stimme von Umweltschützern

Während der Bayer-Betriebsrat die geplante Fusion begrüßt, wird die Übernahme in der deutschen Politik eher kritisch bewertet. "Ein solcher Deal würde  noch mehr Marktmacht in wenigen Händen konzentrieren – zum Schaden der Bauern und Verbraucher“, heißt es bei Anton Hofreiter, Fraktionsvorsitzender der Grünen.  Ähnlich äußerte sich Renate Künast. "In Zeiten, in denen der Name Monsanto weltweit für rücksichtslose Agrarindustrie und wachsenden Chemieeinsatz auf dem Acker steht, kann man sich nur wundern, dass Bayer sich derart ins Zentrum der Debatte einer Ernährungswende stellen will", sagte die Grünen-Politikerin. Aus Sicht von Heike Moldenhauer, Gentechnik-Expertin des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), würde sich vor allem der schlechte Ruf des US-Konzerns auf die Deutschen übertragen. „Monsanto hat seine besten Zeiten hinter sich. Bricht jetzt auch noch sein Glyphosat-Geschäft ein, wird Bayer vor allem eines übernehmen: Das schlechte Image des US-Gentechnikkonzerns", sagt Moldenhauer.

Monsanto noch zurückhaltend

In der Chemiebranche brodelt seit langem die Gerüchteküche über die Zukunft der Unternehmen, die sich auf das Geschäft mit der Landwirtschaft spezialisiert haben. Dieses steht wegen niedrigerer Preise für Agrarrohstoffe, den Turbulenzen in den Schwellenländern und der Rezession in Brasilien seit einiger Zeit unter erheblichem Druck. Monsanto kappte jüngst die Gewinnprognose für dieses Jahr und baute Stellen ab. Monsanto war im Sommer 2015 zudem mit dem Versuch gescheitert, beim Pflanzenschutzspezialisten Syngenta einzusteigen. Das Schweizer Unternehmen schließt sich stattdessen für 43 Mrd. Dollar mit dem chinesischen Staatskonzern ChemChina zusammen. Zudem haben die US-Chemiekonzerne DuPont und Dow Chemical eine Fusion angekündigt, um den Branchenprimus BASF vom Thron zu stoßen. Noch steht Monsanto den Übernahmenwünschen der Deutschen jedoch skeptisch gegenüber.

Wie gefährlich ist das Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat? An dieser Frage scheiden sich die Geister von Naturschutzverbänden und Vertretern der Agrarindustrie. Routinemäßig steht nun eine Neubewertung des umstrittenen Pflanzenschutzmittels an. Für die Europäische Lebensmittelaufsicht EFSA hat das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) alle neuen Erkenntnisse zusammengetragen. Sie ist in der EU als Berichterstatter für den Wirkstoff Glyphosat zuständig. In ihrem aktuellen Bericht kommt die Behörde zu dem Schluss, dass von dem umstrittenen Pflanzenschutzmittel keine Gesundheitsgefahr ausgeht. Allerdings wird ein verbessertes Risikomanagement zum Schutz der biologischen Vielfalt empfohlen. Weil das Herbizid auch Pflanzen abtötet, die Insekten Nahrung bieten, könnte die Nahrungsgrundlage der Tiere beeinträchtigt werden.

Seit 2002 ist Glyphosat in der EU unter dem Markennamen Roundup erhältlich. Eine erste Zulassung wurde im November 2010 zunächst bis Ende 2015 verlängert. Die Phosphor-Verbindung ist ein sogenanntes Totalherbizid, das unspezifisch alle Pflanzen abtötet. Dies geschieht indem das Molekül das Pflanzenenzym 5-Enolpyruvylshikimat-3-phosphat-Synthase (EPSPS) blockiert. Die damit besprühten Pflanzen können keine aromatischen Aminosäuren mehr herstellen und sterben ab. 

Nutzpflanzen per Gentechnik resistent

Inzwischen wurden bestimmte Nutzpflanzen mittels gentechnischer Veränderungen resistent gegen Glyphosat gemacht, beispielsweise indem gezielt das Bakteriengen Agrobacterium CP4 EPSPS eingeschleust wurde. Bei den resistenten Sorten kann Glyphosat auch angewandt werden, wenn die Saat bereits aufgegangen ist. So lassen sich auf einfachem Wege alle unerwünschten Gewächse auf dem Feld beseitigen, argumentieren Befürworter des Mittels. In den vergangenen Jahren entwickelte sich Glyphosat so zu einem der weltweit am häufigsten eingesetzten Herbizide. Allein in Deutschland sind 75 glyphosathaltige Präparate zugelassen, beispielsweise im Acker-, Obst-, und Weinbau, 44 davon auch für den Haus- und Kleingarten. 

Kritiker warnen vor Gefahren von Glyphosat

Kritiker warnen inzwischen vor dem Gebrauch des Pflanzenschutzmittels. Erst kurz vor Weihnachten hatten das Umweltinstitut München und der Verein Rettet den Regenwald eine Petition zum Verbot von Glyphosat gestartet. Eine umstrittene Kampagne brachte auch der BUND ins Rollen: In einem Internetvideo wurden Babys, die in einem Acker in der Erde sitzen, von einem Flugzeug mit Pestiziden besprüht. Nach massiver Kritik zog der Verband das Video zurück, hielt an seiner Kritik, dass Glyphosat „inakzeptable Gesundheitsgefahren berge“, jedoch fest. So sei das Mittel beispielsweise im Urin von Menschen in mehreren europäischen Großstädten nachgewiesen worden.

Bewertungsbericht wird Ende Januar veröffentlicht

In dem neuen Bewertungsbericht wurden nun neben den bereits im ersten EU-Bewertungsverfahren verwendeten Unterlagen auch neue Studien berücksichtigt: Unterlagen vom Hersteller ebenso wie Beiträge von Umweltverbänden, außerdem mehr als 1.000 wissenschaftliche Veröffentlichungen zum Thema. Mit Teilberichten haben das Julius-Kühn-Institut, das Bundesamt für Risikobewertung (BfR) und das Umweltbundesamt an der Bewertung mitgewirkt. „Die Analyse der zahlreichen neuen Dokumente ergibt keine Hinweise auf eine krebserzeugende, reproduktionsschädigende oder fruchtschädigende Wirkung durch Glyphosat“, heißt es nun vom BfR. Aus Sicht der Experten gebe es keinen Anlass, die gesundheitlichen Grenzwerte (insbesondere der täglich duldbaren Aufnahmemenge (ADI) wesentlich zu verändern. Eine Einschränkung macht das BfR dann aber doch: Es könnte sein, dass „die Toxizität bestimmter glyphosathaltiger Pflanzenschutzmittel aufgrund der darin enthaltenen Beistoffe höher sein kann als die des Wirkstoffes.“ Dies gelte es bei der Bewertung zu berücksichtigen. 

Bis Ende Januar könnte die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit nun den Bewertungsbericht veröffentlichen und ein Begutachtungsverfahren einleiten. Dort dürfte es erneut auch kritische Stellungnahmen geben.

Die Maissorte 1507 wird die dritte gentechnisch veränderte Pflanze, die auf den Äckern der EU angebaut werden darf: Bei einer Abstimmung des EU-Ministerrats am 11. Februar in Brüssel stimmten 19 EU-Länder gegen, und fünf für eine Zulassung. Vier Mitgliedsstaaten, darunter Deutschland, hatten sich eines Votums enthalten. Dadurch liegt die Entscheidung nun wieder bei der EU-Kommission. Der zuständige Gesundheitskommissar Tonio Borg kündigte indes an, grünes Licht für den Anbau von Mais 1507 zu geben. Die Enthaltung der Bundesregierung hatte sich wegen unterschiedlicher Positionen im Kabinett abgezeichnet. Bundesagrarminister Hans-Peter Friedrich will nun ein nationales Anbauverbot durchsetzen.

Deutschland hatte bereits im Vorfeld der Brüsseler Abstimmung seine Stimmenthaltung angekündigt. Der Grund: die Große Koalition konnte sich nicht auf eine klare Linie zum Gentech-Mais 1507 einigen. Während das von der SPD geführte Ministerien für Wirtschaft als auch das von CSU-Politiker Hans-Peter Friedrich geführte Agrarministerium den Anbau von gentechnisch veränderten Mais ablehnten, hatten sich Bundeskanzlerin Angela Merkel und die von der CDU-geführten Ministerien für Gesundheit (BMG) sowie Bildung und Forschung (BMBF) für die Zulassung des Gentechnik-Gewächses ausgesprochen.

EFSA hat keine Bedenken

EU-Gesundheitskommissar Tonio Borg kündigte nach der Abstimmung dann auch an, entsprechend des Vorschlags der EU-Kommission, für eine Zulassung zu stimmen. Sollten keine neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse auftauchen, scheint der Weg für eine Zulassung der umstrittenen Maissorte 1507 in der Europäischen Union damit frei zu sein. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA), welche die EU-Kommission dazu beraten hatte, hatte bisher keine negativen Auswirkungen auf die Gesundheit von Mensch oder die Umwelt gesehen. Mit Gentech-Mais 1507 würde die EU zum dritten Mal nach der Maislinie MON810 und der Stärkekartoffel „Amflora“ eine gentechnisch veränderte Pflanze zum Anbau auf europäischen Äckern erlauben.

Bauernverband warnt vor Anbau

CSU-Minister Hans-Peter Friedrich hofft, trotz der zu erwartenden EU-Zulassung, mittels einer Ausstiegsklausel den Anbau der gentechnisch veränderten Maispflanze in Deutschland noch stoppen zu können. Friedrich hatte seine Haltung mit dem Misstrauen der Verbraucher gegenüber Grüner Gentechnik begründet. 88 Prozent der Deutschen hatte sich in einer von Greenpeace in Auftrag gegebenen Umfrage der Gesellschaft für Konsumforschung gegen den Anbau gentechisch veränderten Pflanzen ausgesprochen. Der Deutsche Bauernverband hat indes seinen Mitgliedern abgeraten, den Mais 1507 anzubauen, schon allein aus Haftungsgründen. Denn nach bisherigem Recht muss der Landwirt für die Verunreinigung von gentechnikfreien Äckern des Nachbarn aufkommen. Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) geht mit seinen Forderungen noch einen Schritt weiter. Er verlangt eine genaue Kennzeichnungspflicht für alle Bereiche der Gentechnik, um die Wahlfreiheit sicherzustellen

Mais produziert Bt-Toxin

Bei der umstrittenen Maissorte handelt es sich um die Pflanzenlinie 1507 der Firmen Pioneer Dupont und Dow Agroscience. Sie wurde im Labor mit zwei artfremden Genen ausgestattet, so dass sie gegen das Unkrautvernichtungsmittel Glufosinat resistent ist und zugleich ein Insektengift produziert, welches sie vor dem Schädling Maiszünsler schützt, gegen den die Bauern ankämpfen. Das Glufonisat-Resistenzgen in der Pflanze diente einst bei der Entwicklung der Pflanze vor allem als technisches Hilfsmittel. Für den Einsatz auf dem Acker spielt es keine Rolle, zumal die EU-Kommission den Gebrauch des Herbizids verbieten will. Umstritten ist vielmehr das zusätzliche Bt-Gen, durch das die Pflanze ein giftiges Eiweißmolekül produziert, das Maiszünslerlarven den Garaus macht.  Auch der in Europa für den Anbau zugelassene Mais MON810 funktioniert nach diesem Prinzip. Anbaugegner kritisieren, die Auswirkungen des Bt-Toxins auf Umwelt und andere Insekten seien immer noch nicht genügend geprüft. Das sieht die EFSA indes anders: Sie hat bereits mehrfach die Wirkungen von Bt-Mais auf Tiere und Umwelt geprüft. Fazit: Die Risiken seien vernachlässigbar, wenn bestimmte Anbauregeln berücksichtigt würden. Frankreich, Italien oder Österreich haben bereits angekündigt, auch nach der europäischen Zulassung auf nationale Anbauverbote für Mais 1507 zu drängen. Bisher haben die Länder sich auf die sogenannte Safeguard-Klausel gestützt, so auch Deutschland. Demnach können EU-Zulassungen ausgesetzt werden, sollten neue, zum Zeitpunkt der Zulassung noch nicht bekannte wissenschaftliche Resultate vorliegen, die Zweifel an der Sicherheit begründen. Da die Sorte 1507 nach aktuellem Erkenntnisstand zugelassen wird, dürfte es jedoch schwer werden, sich erneut auf die Safeguard-Klausel zu berufen.

bb

Die EU-Umweltminister haben am 2. März in Brüssel erneut über nationale Anbauverbote für gentechnisch veränderte Pflanzen diskutiert. EU-Zulassungen sollen beschleunigt werden, den EU-Mitgliedsstaaten wird allerdings eine neue Ausstiegsoption offen gehalten. Laut einem eingereichten Entwurf des griechischen EU-Ratsvorsitzes sollen die wissenschaftlichen Legitimierungen für ein nationales Verbot um sozioökonomische Kriterien erweitert werden. Ob des Kompromisses zeichnet sich nach jahrelangem Stillstand nun eine Einigung in der Kommission ab. Sowohl Gentechnik-Gegner als auch Befürworter kritisieren den Entwurf jedoch als halbherzig. 

Nachdem Mitte Februar der Europarat von Pioneer Dupont mobilisieren konnte, gilt die Zustimmung durch die EU-Kommission als reine Formsache. Sie muss auf Grundlage der insgesamt sechs positiven Bewertungen der Lebensmittelbehörde EFSA für den Anbau votieren. Der damalige Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Hans-Peter Friedrich (CSU) hatte sich unmittelbar nach der Abstimmung für eine Ausstiegsklausel stark gemacht. Auf Initiative der griechischen Ratspräsidentschaft diskutierten die EU-Umweltminister in Brüssel nun erneut über Verbotsregelungen, die auf Gesetzentwürfen von 2012 basieren.  

Entwurf ermöglicht Verbot trotz Unbedenklichkeit

Im Kern des griechischen Kompromiss-Vorschlages geht es darum, auch dann den einzelnen Mitgliedsstaaten Anbauverbote für transgene Pflanzen zu gestatten, wenn zuvor die wissenschaftliche Unbedenklichkeit von der EFSA bescheinigt wurde (Safeguard-Klausel). Die zentrale EU-Zulassung soll beschleunigt, den Staaten jedoch eine Verbotsoption offengehalten werden. Der Vorschlag basiert inhaltlich auf einem Gesetzentwurf, der dänischen Regierung von 2102. Diesen hatte sie ins Spiel gebracht, nachdem die Kommission 2010 nationale Anbauverbote angeregt hatte. Den bisherigen Vorschlag blockierten Deutschland, Belgien, Großbritannien und Frankreich. Der neue Entwurf wird jedoch von Großbritannien befürwortet, sodass die Sperrminorität aufgehoben wäre. Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) befürwortet indes den jetzigen Vorschläge. Sie gehe davon aus, dass die Änderungen übernommen werden, so Hendricks am Rande des Ministertreffens. 

Wissenschaft als Maß der Dinge

Die bislang einzige legitime Begründung einer nationalen Regierung für ein Verbot sind neu gewonnene wissenschaftliche Erkenntnisse, die auf eine Gefährdung für Mensch und Umwelt durch den Anbau hinweisen. Diese soll laut der Kommission nun durch andere Kriterien erweitert werden: Dabei geht es unter anderem um Landnutzungsziele oder sozioökonomische Gründe. In einer kleinteiligen Landwirtschaft etwa ist die Auswirkung von unerwünschtem Pollenflug größer als bei großflächigen Monokulturen. Während des Zulassungsprozesses sollen die Länder mit den Agrarkonzernen darüber beraten, ob sie den Anbau wünschen und die Konzerne gegebenenfalls entsprechende Länder aus dem Vertrag entfernen. Verweigern die Konzerne die Zustimmung, wird den Staaten aus oben genannten Gründen ein Anbauverbot zugesagt. Eine Übergangsregelung soll es auch ermöglichen, nachträglich den MON810-Anbau zu verbieten. 

Kritik aus beiden Lagern

Gegner und Befürworter von Grüner Gentechnik sind mit dem Kompromiss indes nicht einverstanden. Gentechnik-Kritiker halten die Verbote für juristisch nicht wasserdicht. Harald Ebner, Gentechniksprecher der Grünen, hält es für „undenkbar, dass Staaten mit Saatgutkonzernen über die Nutzung ihrer Äcker verhandeln“, hieß es in Medienberichten. Es handle sich um ein „vergiftetes, rechtlich fragwürdiges Angebot, das ein Gentech-Chaos erzeugen werde“, so der Politiker auf seiner Homepage.  

DIB: Sicher ist sicher ist zulässig

Für die Deutsche Industrievereinigung Biotechnologie (DIB) sind nicht-naturwissenschaftliche Legitimationen für regionale Verbote subjektiv und daher nicht justiziabel. Eine positive Sicherheitsbewertung durch die zuständigen Behörden per se verpflichte zur EU-weiten Zulassung, heißt es in einer Stellungnahme. Untermauert werde dies durch den Europäischen Gerichtshof. Der argumentiert, dass wirtschaftliche Gründe keine Rechtfertigungen für Eingriffe in die Warenverkehrsfreiheit und damit für Nutzungsbeschränkungen sind.

bb

In einem neuen Strategiepapier fordert der Bioökonomierat ein „richtig dosiertes“ Engagement der Politik für die biobasierte Wirtschaft. Erdöl und Erdgas sind nach den letzten erfolgreichen Funden noch jahrzehntelang verfügbar. Um mit Blick auf den Klima- und Umweltschutz dennoch einen Umstieg auf nachwachsende Rohstoffe voranzutreiben, sind politische Eingriffe des Staates nötig. Wie das geschehen soll, hat das Beratungsorgan der Bundesregierung in Sachen biobasierte Wirtschaft nun in zehn Thesen formuliert.

Im Vorfeld der , die am 5. Juni in Berlin stattfinden wird, bilden die zehn Thesen der Experten eine richtungsweisende Diskussionsgrundlage für den Weg in eine biobasierte Wirtschaft. Unter anderem fordert der Rat, Zielkonflikte früh zu erkennen und gegenzusteuern, Standards und Labels zu entwickeln sowie Bildungs- und Forschungskapazitäten auszuweiten. Zudem müsse die Gesellschaft zur Mitgestaltung aufgerufen werden.

Grundsätzliche Überarbeitung

Hart gehen die Experten mit der bisherigen deutschen Bioenergiepolitik ins Gericht. Sie soll „grundsätzlich überarbeitet werden“. International solle Deutschland Technologie- und Rohstoffpartnerschaften eingehen sowie eine handelspolitische Agenda und globale Steuerungsmechanismen entwickeln, sagen die Experten. Zudem müsse die Zivilgesellschaft in den Transformationsprozess eingebunden werden.

Nach wie vor notwendig und dringend

Aus Sicht des Beratergremiums, das aus 17 Wissenschaftlern und Unternehmern der unterschiedlichsten Disziplinen besteht, sind steigende Preise für fossile Rohstoffe heute angesichts weiter erschließbarer Ressourcen von Erdöl, Erdgas und Kohle nicht mehr das vorrangige Argument für die Bioökonomie. Sie betonen jedoch, dass die Notwendigkeit für einen Umstieg auf nachwachsende Rohstoffe nichts an seiner Dringlichkeit verloren hat. „Der Ausstoß von Klimagasen und die damit verbundenen Veränderungen der klimatischen Verhältnisse führen ohne deutliche Kurskorrektur zur Störung des globalen Ökosystems mit unkalkulierbaren Risiken auch für die Menschen und die Volkswirtschaft. Dem kann mit der Bioökonomie begegnet werden“, betont Joachim von Braun, Vorsitzender des Bioökonomierates

Keine bloße Erdölersatzstrategie

Für die Experten ist klar: Die Bioökonomie ist keine Erdölersatzstrategie. "Veränderte Verbraucherpräferenzen und technologische Innovationen bringen die Bioökonomie weltweit voran", heißt es im Strategiepapier. Vor diesem Hintergrund fordert der Rat "gut dosierte technologie-, ordnungspolitische und gesellschaftspolitische Eingriffe des Staates". Denn allein werde sich die ökologische Transformation der Wirtschaft nicht vollziehen. Der Einsatz fossiler Rohstoffe kann in vielen Industriebereichen für lange Zeit wirtschaftlich bleiben, so der Rat – sofern Umweltkosten unberücksichtigt bleiben. Der Handlungsbedarf ist daher groß, aber komplexer Natur: Einerseits dürfe die Politik die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft nicht gefährden, andererseits müssen jedoch Maßnahmen zum Klima- und Umweltschutz weiter vorangetrieben werden. „Zu hohe nationale Expansionsziele und Subventionen könnten der Industrie erhebliche Lasten aufbürden. Im Zentrum einer erfolgreichen Bioökonomie-Strategie müssen Effizienzüberlegungen, reduzierte Umweltfußabdrücke und ein geringerer Ressourcenverbrauch stehen“, so Christine Lang, Vorsitzende des Bioökonomierates. Neue Technologien  sowie die Entwicklung von Produktionsanlagen auf der Basis geschlossener Stoffkreisläufe können hier einen wichtigen Impuls liefern. Wichtig sei zudem ein Dialog zwischen Gesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft über den besten und sinnvollsten Weg für einen ökologischen Wandel in der Industrie.