Aktuelle Veranstaltungen

Ob Spülmittel oder Allzweckreiniger: Viele Putzmittel bestehen noch immer aus erdölbasierten Stoffen, die der Umwelt schaden. Doch die Nachfrage nach ökologischen Reinigungsmitteln steigt. Nicht nur Verbraucher kaufen zunehmend nachhaltige Produkte. Auch in der Industrie ist ein Wandel absehbar. Im Forschungsprojekt „ÖkoMoBiL“ wollen Partner aus Forschung und Wirtschaft daher ein ökologisches Reinigungssystem für den industriellen Einsatz entwickeln. Das Vorhaben, das soeben eine neue Förderzusage erhalten hat, wird im Rahmen des Kooperationsnetzwerkes biohymed vom Zentralen Innovationsprogramm Mittelstand (ZIM) des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) unterstützt.

Reinigungsmittel auf Molkebasis für Einsatz in der Medizintechnik 

Im Fokus der Entwicklung stehen Reinigungsmittel auf Basis von Molke und anderen nachwachsenden Rohstoffen, die über waschaktive Substanzen verfügen und daher als ökologischer Industriereiniger eingesetzt werden können. Das ÖkoMoBiL-Team will darüber hinaus durch die Optimierung automatisierter Waschanlagen in Verbindung mit dem Öko-Reiniger auch ein neues Reinigungsverfahren etablieren, das den Einsatz in der Medizintechnik ermöglicht. Hier geht es vor allem um die Reinigung von wiederverwertbaren Kunststoffbehältern, sogenannten Kleinladungsträgern, deren Einsatz in der Medizin an eine besonders wirtschaftlich effektive und qualitativ hochwertige Säuberung gebunden ist. Mithilfe eines automatisierten Analyseverfahrens soll hier der Verschmutzungsgrad und damit die Effektivität dieser Reinigungsmethode objektiv bewertet werden.

Spannende Synergieeffekte erwartet

Die BioRegio STERN Management GmbH leitet als Wirtschaftsentwickler für die Life Sciences das ZIM-Kooperationsnetzwerk. „ÖkoMoBiL ist unser neuestes Projekt, in dem sicherlich spannende Synergieeffekte aus der Verbindung von Logistik, Chemie und Medizintechnik gewonnen werden“, erklärt Projektleiterin Verena Grimm.

An dem Projekt sind das Naturwissenschaftliche und Medizinische Institut (NMI) an der Universität Tübingen, die Scheerer Logistik GmbH & Co. KG aus Villingen-Schwenningen und die Remsgold Chemie GmbH & Co. KG aus Winterbach in der Region Stuttgart beteiligt. Als Hygienespezialist ist die Remsgold Chemie GmbH für die Entwicklung der Reinigungsrezeptur verantwortlich, während die Anwendung des Reinigungssystems in den automatisierten Waschanlagen der Scheerer Logistik erfolgt und das NMI den gesamten Reinigungsprozess mittels analytischer Verfahren prüft und überwacht.

bb

Das internationale Projekt zu Wirbeltiergenomen „Vertebrate Genomes Project" (VGP) hat 15 neue Referenzgenome veröffentlicht.  Zwei davon, das Genom der Hufeisennasen-Fledermaus und das des Buntbarsches, wurden am Max-Planck-Institut für molekulare Zellbiologie und Genetik in Dresden entziffert.

Genome von 66.000 Wirbeltierarten

Ziel des VGP ist es, qualitativ hochwertige, nahezu fehlerfreie und vollständige Genome aller 66.000 Wirbeltierarten der Erde aus allen fünf Klassen von Wirbeltieren (Säugetiere, Vögel, Reptilien, Amphibien und Fische) zu erstellen. Daran arbeiten momentan drei internationale Forscherteams in den USA, Großbritannien und in Dresden. Die VGP-Genome sollen in Zukunft zu den wichtigsten Referenzquellen für diese Spezies werden und sind in einer öffentlich zugänglichen, digitalen Bibliothek für Genome, der „Genom-Arche", gespeichert.

Dresdner Forscher ermöglichen genaue Zuordnung

Die Dresdner Molekuarbiologen sowie die Bioinformatiker am Zentrum für Systembiologie Dresden (CSBD) sequenzierten in der ersten Phase des VGP-Projekts vor allem Fledermäuse und Fische. Als Mitglied des DRESDEN-concept Genome Center (DCGC) konnte das Team seine Erfahrungen zu verschiedenen „Long-read“-Sequenzierungstechnologien einbringen. Längere Sequenzstücke sind wichtig, da diese die sich wiederholenden Teile im Genom überspannen können und damit eine eindeutige Zuordnung erlauben. Das Dresdner Sequenzierungszentrum unter der Leitung von Eugene Myers entzifferte so zwei wichtige Genome: das der Großen Hufeisennase und das des Buntbarsches.

Diese und 13 weitere Mitte September vorgestellten Genome sind die bisher vollständigsten ihrer Spezies. Darunter sind auch jene von stark gefährdeten Arten wie dem Schnabeltier und dem Kakapo, einer Papageienart. In Dresden werden in Zukunft etwa 10% bis 20% der VGP-Arten sequenziert. 

ml/jmr

Algen werden wegen ihrer hochwertigen Inhaltsstoffe und ihres schnellen Wachstums längst als gesunde und nachhaltige Nahrungs- und Futtermittel geschätzt. Darüber hinaus werden sie zur Abwasserreinigung genutzt sowie als Quelle für neue medizinische Wirkstoffe und biobasierte Chemikalien. Mit der Entschlüsselung des Genoms der marinen Großalge „Ulva“ liefert ein internationales Forscherteam nun die Grundlage, um das vielfältige Potenzial des sogenannten Meersalates weiter auszuschöpfen.

Neue Einblicke in Entwicklung und Wachstum der Alge

An der Sequenzierung des Algen-Erbgutes waren auch Forscher der Friedrich-Schiller-Universität Jena beteiligt. Wie die Wissenschaftler im Fachjournal „Current Biology“ berichten, besteht das Ulva-Genom aus 98 Millionen Basenpaaren und 12.900 Genen. „Das entschlüsselte Genom des Meersalats ermöglicht uns neue Einblicke in entwicklungsbiologische Vorgänge und fördert unser Verständnis über Wachstum und Vermehrung der Alge. Gerade jetzt, da wir in Europa zunehmend Algen anbauen, ist es von großer wirtschaftlicher Bedeutung zu wissen, wie sie wachsen und sich vermehren“, sagt Thomas Wichard, einer der Co-Autoren der Studie.

Zusammenspiel von Algen und Bakterien im Blick 

Der Jenaer Chemiker erforscht seit Jahren das Zusammenspiel der Alge mit Bakterien, die für deren Entwicklung und Wachstum essenziell sind. „Ohne die richtigen Bakterien in der Nähe der Alge, entwickelt sich der Meersalat nur zu einem unvollständigen Zellhaufen“, sagt Wichard. Mit dem entschlüsselten Genom der marinen Großalge besitzen die Jenaer Forscher nun ein Handbuch, das ihnen helfen kann, die Ursachen biogeochemischer Zyklen an den Küsten zu erforschen, an denen Ulva durch die Produktion schwefelhaltiger Substanzen einen wesentlichen Anteil haben könnte. 

Die Arbeit der Forschergruppe um Wichard wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft im Rahmen des Sonderforschungsbereichs ChemBioSys seit Jahren unterstützt. Im Juli begann nun die zweite Förderperiode. Darin wollen die Forscher untersuchen, wie die Kommunikation zwischen den Organismen funktioniert. 

bb

Anders als Tiere können Pflanzen bei Kälte oder Wassermangel nicht einfach einen angenehmeren Ort aufsuchen. Sie müssen sich an die Gegebenheiten vor Ort anpassen. Pflanzengenetikern an der Carl von Ossietzky-Universität Oldenburg ist es nun gelungen, einen solchen Anpassungsmechanismus aufzudecken. Wie die Forscher im Fachmagazin „eLife“ berichten, verstärkt das Protein SERRATE das Ablesen und damit die Aktivierung bestimmter Gene unter Stress.

DNA durchzogen von Introns

Die genetische Information der DNA liegt nicht wie in einem Buch als durchgängiger Text vor. Es sind eher Bruchstücke der Gene, die von sogenannten Introns unterbrochen werden. Wird ein Gen abgelesen, müssen die einzelnen Introns aufwendig ausgeschnitten werden, denn diese enthalten keine Information für den Bau eines Proteins. Allerdings regeln sie unter anderem, in welcher Menge das Protein hergestellt wird. Wissenschaftler vermuten, dass Introns mehr Variationen in den entstehenden Proteinen haben und damit einen evolutionären Vorteil ermöglichen.

Gene ohne Introns werden schneller abgelesen

Trotzdem enthalten rund 20% der pflanzlichen Gene keine Introns. „Unsere Analysen und die Ergebnisse weiterer Studien zeigen aber, dass die Gene ohne Introns schneller reagieren, wenn Pflanzen Stresssituationen ausgesetzt sind“, erläutert der Oldenburger Pflanzengenetiker Sascha Laubinger. Ein möglicher Grund: Die Gene können ohne das Herausschneiden der Introns schneller abgelesen und so die jeweiligen Proteine schneller hergestellt werden. Unter Laubingers Leitung haben die Wissenschaftler nun diesen Mechanismus anhand molekulargenetischer Experimente an der Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana) genauer untersucht.

SERRATE steuert Translation

Das Ergebnis: Das Protein SERRATE reguliert, welche Gene wann und wie schnell abgelesen werden. Bisher war nur bekannt, dass dieses Molekül eine wichtige Rolle bei der Entwicklung der Ackerschmalwand spielt. Jetzt zeigt sich: „SERRATE bindet vor allem an die Gene, die keine Introns haben und auf Stress reagieren. Dabei verstärkt das Protein das Ablesen dieser Gene unter Stress“, sagt Laubinger. Dem Forscher zufolge kann die Pflanze damit sowohl schnell als auch wirkungsvoll auf geänderte Umweltbedingungen reagieren.

Ähnliche Regulierung auch bei Mensch und Tier

Darüber hinaus stellen die Forscher fest, dass ein ähnliches Protein bei der Fruchtfliege Drosophila melanogaster vor allem Gene ohne Introns bindet. „Das SERRATE-Protein scheint in Tieren und eventuell sogar Menschen die gleiche Funktion auszuüben wie in Pflanzen“, schlussfolgert Laubinger.

Die Ergebnisse der Studie könnten Laubinger zufolge nicht nur helfen, stressresistente Pflanzensorten zu entwickeln, sondern auch der Erforschung schnell wachsender Zellen und Gewebe wie bei Krebserkrankungen zugutekommen.

jmr

Quallen sind hierzulande nicht sonderlich beliebt. Vor allem am Strand oder im Wasser werden sie eher als störend empfunden. Doch die Meeresbewohner könnten durchaus sinnvoll genutzt werden – davon ist Jamileh Javidpour überzeugt. Im EU-Projekt "GoJelly" untersucht ein Team um die Kieler Meeresbiologin, ob sich die marinen Organismen ähnlich wie Algen auch als Mikroplastikfilter oder zur Herstellung von Dünger und Fischfutter eignen können. 

Jellyfish are not very popular. On the beach or in the water they are usually considered a nuisance. However, Jamileh Javidpour is convinced that the sea dwellers could very well turn out to be quite useful. In the EU project "GoJelly", a team led by the Kiel marine biologist is investigating whether marine organisms can also be used as microplastic filters or for the production of fertilizer and fish feed, similar to algae. 

Im Rahmen der „Exzellenzstrategie des Bundes und der Länder“ wurden am 27. September die mit Spannung erwarteten Zuschläge für die Exzellenzcluster erteilt. Insgesamt wurden von Deutscher Forschungsgemeinschaft (DFG), Wissenschaftsrat und GWK aus 88 Förderanträgen insgesamt 57 Exzellenzcluster ausgewählt. Pro Jahr werden dafür 385 Mio. Euro für die kommenden sieben Jahre zur Verfügung gestellt.

Exzellenzcluster sind disziplin- und institutionenübergreifende Verbünde von zahlreichen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die gemeinsam an besonders relevanten Themenkomplexen forschen. Die interdisziplinären Forschungsvorhaben werden von Januar 2019 an für sieben Jahre jeweils mit jährlich bis zu 10 Mio. Euro gefördert. Eine Verlängerung der Förderung um weitere sieben Jahre ist auf Basis eines Fortsetzungsantrages möglich.

Ein Überblick über die gekürten Exzellenzcluster mit Bezug zur Bioökonomieforschung

  • TU Berlin: Vereinigung von Systemen in der Katalyse (UniSysCat). Es geht darum, Reaktionsnetzwerke in der chemischen und biologischen Katalyse in Raum und Zeit zu entschlüsseln und chemische und biologische Prozesse zu koppeln, um katalytische Systeme mit neuen Funktionen zu schaffen.
  • Universität Bonn: PhenoRob – Robotik und Phänotypisierung für Nachhaltige Nutzpflanzenproduktion. 
  • Universität Freiburg: CIBSS Zentrum für Integrative Biologische Signalstudien – Signalvorgänge über Skalengrenzen: Vom mechanistischen Verständnis zur Kontrolle der Funktion. Der Cluster wird Strategien entwickeln, um biologische Signalprozesse präzise zu steuern, sodass es möglich sein wird, die Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung in Innovationen zu übersetzen.
  • Universität Freiburg: Lebende, adaptive und energieautonome Materialsysteme (livMatS). Dieser Exzellenzcluster will bioinspirierte Materialsysteme entwickeln, die sich an unterschiedlichste Umgebungen anpassen können und sich selbst mit sauberer Energie versorgen.
  • Universität Jena: Gleichgewicht im Mikroversum („Balance of the Microverse“), hier geht es um Mikrobiom-Forschung.
  • Universitäten Köln/Düsseldorf: CEPLAS Exzellenzcluster für Pflanzenwissenschaften – SMARTe Pflanzen für die Anforderungen von morgen

pg

Eine nachhaltige, biobasierte Wirtschaftsweise ist eine wesentliche Grundlage für die Zukunft unserer Gesellschaft. Daher setzt die Bundesregierung mit einem umfassenden Bioökonomie-Konzept auf den verstärkten Einsatz biologischer Ressourcen und umweltschonender Produktionsverfahren in allen Wirtschaftsbereichen. Die Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL), Julia Klöckner, und die Bundesministerin für Bildung und Forschung (BMBF), Anja Karliczek, haben sich nun darauf verständigt, ihre strategischen Aktivitäten für den Wandel hin zu einer biobasierten Wirtschaft in einer Strategie politisch zu bündeln. So können konkrete Maßnahmen zur Forschung, Entwicklung und Umsetzung sowie verschiedene Akteure noch enger verzahnt werden. Bis dato existieren zwei Strategien der Bundesregierung, die "Nationale Forschungsstrategie Bioökonomie 2030" (unter Federführung des BMBF) und die "Nationale Politikstrategie Bioökonomie" (unter Federführung des BMEL).

Brücken bauen mit Bioökonomie-Strategie

Bundesforschungsministerin Karliczek sagte zu der neuen Gesamtstrategie: "Mit der neuen Bioökonomie-Strategie wollen wir eine Brücke zwischen Technologie, Ökologie und effizientem Wirtschaften schlagen. In den Lebenswissenschaften konnten durch Forschung bisher enorme Fortschritte erzielt werden. Wenn wir diese mit der Digitalisierung und weiteren Technologien wie der Nanotechnologie kombinieren, erhalten wir neues Wissen und neue Werkzeuge. Die Bioökonomie bietet so den Schlüssel zur nachhaltigen Nutzung und Wiederverwertung von Ressourcen."

Bundeslandwirtschaftsministerin Klöckner fügte hinzu: "Klima- und Ressourcenschutz, Ernährungssicherung und die Sicherung des Wirtschaftsstandortes Deutschland, das sind die vorrangigen Ziele, die ich mit einer Stärkung der Bioökonomie erreichen möchte. Die Bündelung der Politik der Bundesregierung in einer Gesamtstrategie dient dazu, die Maßnahmen der einzelnen Ressorts noch stärker miteinander zu verzahnen, wissenschaftsbasierte Grundlagen zu verfestigen und Nachhaltigkeit konkret und konsequent zu verfolgen."

Internationale Kooperationen verhelfen Bioökonomie zum Erfolg

Kernthemen der Gesamtstrategie zur Bioökonomie sind die nachhaltige Ausgestaltung der land- und forstwirtschaftlichen Produktion und die Entwicklung innovativer biobasierter Alternativen zu bestehenden Produkten und Prozessen. Außerdem werden auch länderübergreifende Kooperationen im Fokus der gemeinsamen Aktivitäten stehen. Denn die Ausgestaltung einer nachhaltigen Bioökonomie kann insbesondere angesichts globaler Märkte und Handelsbeziehungen nur im internationalen Kontext funktionieren. Die Bundesministerinnen kündigten an, die Gesamtstrategie im nächsten Jahr vorzulegen.

Zur Pressemitteilung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF)

Stahlbeton hat eine lange Lebensdauer. Dass diese dennoch endlich ist, davon zeugen bundesweit viele Baustellen, auf denen derzeit marode Brücken saniert werden. Mit den Jahren dringt Feuchtigkeit in den Beton ein und die Stahlbestandteile korrodieren - von außen oftmals kaum zu erkennen. Die Materialforschung hat daher schon länger Textilbeton als Alternative entdeckt. Er weist die gleichen statischen Eigenschaften auf wie Stahlbeton, ist aber deutlich länger haltbar. Forschern des Fraunhofer-Instituts für Holzforschung (Wilhelm-Klauditz-Institut, WKI) in Braunschweig ist es nun gelungen, dieses Ziel mit Textilfasern aus nachwachsenden Rohstoffen zu erreichen und so die Klimabilanz des Werkstoffs zu verbessern.

Nicht mal halb so dick wie Stahlbeton

Bislang wird Textilbeton meist mit Glasfaser-, Carbon- oder Kunststoffgeweben hergestellt. Diese Fasernetze ermöglichen es, dem Beton individuelle Geometrien bei gleichzeitig niedrigerem Gewicht zu verleihen. Die Fraunhofer-Forscher setzen nun auf Flachs als Textilfaser. „Eine Stahlbetonbrücke mit einer Spannweite von 15 Metern wäre etwa 35 bis 40 Zentimeter dick, das Pendant aus Flachs hingegen würde mit zwölf bis 16 Zentimeter deutlich flacher ausfallen“, veranschaulicht WKI-Experte Jan Binde die statischen Eigenschaften – und die mögliche Materialersparnis.

Mit Flachs nutzen die Forscher nicht nur einen erneuerbaren Rohstoff, sondern auch einen mit kurzen Transportwegen. Beides verbessert die CO2-Bilanz des resultierenden Betons. Abhängig von den jeweiligen Anforderungen an den Werkstoff können einzelne Stränge aus Polymerfasern das Gewebe ergänzen und zusätzliche Eigenschaften vermitteln. „Der Textilbeton aus Flachs ist höherwertiger als der in Stahlbetonbrücken verbaute Beton“, betont Binde.

Lebensdauer von mehreren Jahrzehnten

Um die Flachsfasern entsprechend verarbeiten zu können, verwenden die WKI-Forscher eine europaweit einzigartige Doppelgreifer-Webmaschine mit einem sogenannten Jacquard-Aufsatz für komplexe Webmuster. Natürliche Harze schützen das gewebte Textil, das lagenweise in den Beton eingebracht wird. Zum Einsatz kommt hierbei ein Hochleistungsbeton, dessen besondere Dichtheit die Fasern zusätzlich von Umwelteinflüssen abschottet. „Die Matrix, also das Gefüge, ist so dicht, dass schädliche Substanzen nicht in den Baukörper eindringen können. Somit ergibt sich eine deutlich höhere Lebensdauer von mehreren Jahrzehnten“, zieht Binde den Vergleich zum Stahlbeton. In Tests hinsichtlich Dauerhaftigkeit und Tragfähigkeit hat der Verbundstoff sehr gut abgeschnitten.

Vielseitige Formen möglich

Weil der Beton auf das zuvor in Form gebrachte Textilgewebe gegossen wird, können die Werkstoffexperten daraus problemlos Kuppeln oder gerundete Elemente erzeugen. „Die Naturfaser verzahnt sich sehr gut mit dem Baustoff, was auch daran liegt, dass wir steuern können, wie sich das Gewebe im Beton verankert“, erläutert Binde.

Eine bauaufsichtliche Zulassung des Flachsbetons steht zwar noch aus. Auf der Messe BAU im Januar 2019 in München wird aber bereits ein Prototyp einer Brücke aus dem neuen Material zu sehen sein.

bl

Nachhaltigkeit ist ein aktuelles und großes Thema für Industrie und Wirtschaft. Das Werkzeug für eine nachhaltigere Wirtschaft liefert die sogenannte grüne Chemie. Hier wird beispielsweise die Aktivität von Enzymen so modifiziert, dass sie in biotechnologischen Anlagen zur Vergärung von Reststoffen oder zur Produktion biobasierter Materialien eingesetzt werden können. Für den zugrunde liegenden Mechanismus für die zielgerichtete Modifikationen der Enzymaktivität wurden die Enzymforscherin Frances H. Arnold und die Molekularbiologen George P. Smith und Sir Gregory P. Winter kürzlich mit dem Chemie-Nobelpreis 2018 ausgezeichnet.

TU Berlin plant Vorgründungszentrum

Ganz im Sinne der grünen Chemie und einer nachhaltigen Wirtschaft plant die Technische Universität Berlin ein Vorgründungszentrum, die sogenannte Chemical Invention Factory – John Warner Center for start-ups in green chemistry (CIF). Das CIF wird Ausgründungen rund um das Thema grüne Chemie eine professionelle Labor-Infrastruktur zur Verfügung stellen, außerdem unterstützt die Universität durch Beratung mit internen und externen Experten. 

Nobel- und Turingpreisträger im Beirat

Im Rahmen der Feierlichkeiten zum 50jährigen Jubiläum der Nachhaltigkeitsorganisation Club of Rome, kamen am 02.10. erstmals alle Mitglieder des CIF-Beirates im Lichthof der Technischen Universität Berlin zusammen. Der Beirat ist mit Mitgliedern aus Wissenschaft und Industrie hochkarätig besetzt, darunter Chemienobelpreisträger Ben Feringa, Namensgeber des CIF, John Warner, Turing-Preisträger Vinton Cerf sowie Sonja Jost, Gründerin der DexLeChem GmbH, selbst eine Ausgründung der TU Berlin.

Berlin bietet perfekte Bedingungen

Zu Beginn der Veranstaltung überreichte Steffen Krach, Staatssekretär für Wissenschaft und Forschung des Landes Berlin, gemeinsam mit dem Präsidenten der TU Berlin, Christian Thomsen, den frisch gekürten Beiratsmitgliedern eine Urkunde als Anerkennung ihrer Mitgliedschaft. Krach betonte das gute Timing der Veranstalter, wurde doch erst wenige Tage zuvor die Vergabe der Exzellenzcluster mit Bezug zur Bioökonomie, unter anderem auch an die TU Berlin, bekanntgegeben. „Wir haben nicht nur den perfekten Zeitpunkt zur Gründung der Chemical Invention Factory gewählt, sondern mit Berlin und seiner lebendigen Start-up-Szene auch den perfekten Ort“, so Krach.

Anschließend hielten Vizepräsident des Club of Rome Anders Wijkman und Namensgeber des CIF, John Warner vor etwa 150 Teilnehmern elektrisierende Vorträge zur Dringlichkeit einer neuen, nachhaltigen Industrie sowie den nahezu unbegrenzten Möglichkeiten, die die grüne Chemie bietet.

Schluss mit Einwegprodukten

Wijkman stellte in seinem Vortrag Thesen aus seinem neuen Buch „Come on!“ vor. Das Buch, in der deutschen Fassung „Wir sind dran“ betitelt, hat Wijkman zusammen mit Ernst Ulrich von Weizsäcker, ebenfalls Vizepräsident des Club of Rome, verfasst. Die Kernaussage: Industrie und Wirtschaft arbeiten noch immer viel zu sehr mit relativ kurzlebigen Einwegprodukten. Um die Ressourcen trotz wachsender Weltbevölkerung zu schonen, bedarf es einer Kreislaufwirtschaft. „Die UN-Nachhaltigkeitsziele sind ein guter Ansatz auf dem Weg zu einer nachhaltigen Wirtschaft. Aber es kann nur funktionieren, wenn alle Ziele als Gesamtpaket angegangen werden“, so Wijkman.

Neue Lösungen durch neue Blickwinkel

John Warner wurde bereits im September 2017 von der Bundeswirtschafts- und Energieministerin Brigitte Zypries, Staatssekretär Steffen Krach sowie TU Berlin-Chemieprofessor Matthias Driess mit der symbolischen Übergabe eines Schlüssels zum Namensgeber der CIF gekürt.

Schon zehn Jahre zuvor gründete Warner zusammen mit Jim Babcock das „Warner-Babcock Institut für grüne Chemie“, das seit dem etliche (patentierte) Innovationen für eine nachhaltigere Wirtschaft hervorgebracht hat. Außerdem hatte Warner die zwölf Prinzipien für eine nachhaltigere Chemie entwickelt. Besonders wichtig ist ihm jedoch die Ausbildung und das Training der Studenten: „Studenten sind die Inkubatoren und Entwickler von morgen. Wir müssen ihnen die richtigen Techniken an die Hand geben!“ Dazu gehöre auch, so Warner weiter, die Studenten zu ermutigen, neue Blickwinkel und Lösungsansätze auszuprobieren.

Mutter Natur als Vorbild

Bei der anschließenden Podiumsdiskussion betonte Nobelpreisträger Ben Feringa, dass in der Natur eigentlich alle Vorraussetzungen für neue, nachhaltige Lösungen vorhanden seien. Das Reinheitsprinzip der modernen Chemie sei überholt, stimmte auch Peter Schuhmacher von der BASF zu: „In der Natur liegen alle Substanzen in Mischungen vor, kaum etwas existiert in Reinheit!" Die Studenten müssten nun angesichts dieser Erkenntnisse lernen, in neuen Bahnen zu denken, um so die Lösungen von morgen zu erarbeiten, schloss TU-Präsident Thomsen die Veranstaltung ab.

jmr

Sustainability is a major issue for industry and business right now. Green chemistry is the tool for a more sustainable economy. For example, the activity of enzymes can be modified in such a way that they can be used in biotechnological plants for the fermentation of residues or the production of biobased materials. The underlying mechanism for the targeted modification of enzyme activity was developed by the enzyme researcher Frances H. Arnold and the molecular biologists George P. Smith and Sir Gregory, who have just been awarded the 2018 Nobel Prize in Chemistry.

TU Berlin is opening start-up center

In the spirit of green chemistry and a sustainable economy, the Technical University of Berlin is opening the Chemical Invention Factory - John Warner Center for start-ups in green chemistry (CIF). The CIF will provide a professional laboratory infrastructure for spin-offs in the area of green chemistry, and the university also supports them with advice from internal and external experts.

Nobel Laureates and Turing Prize winners on advisory board

As part of the celebrations to mark the 50th anniversary of the sustainability organization "Club of Rome", for the first time, all members of the Advisory Board of the CIF met on October 2 in the Lichthof of the Technical University of Berlin. The Advisory Board is made up of high-ranking members from science and industry, including Nobel Laureate Ben Feringa, namesake of the CIF, John Warner, Turing Prize winner Vinton Cerf and Sonja Jost, founder of DexLeChem GmbH, a spin-off of TU Berlin itself.

Berlin offers perfect conditions

At the beginning of the event, Steffen Krach, State Secretary for Science and Research of the State of Berlin, together with the President of the TU Berlin, Christian Thomsen, presented the newly elected Advisory Board members with a certificate in recognition of their membership. Krach emphasised the good timing of the organisers, as only a few days before the awarding of the clusters of excellence related to bioeconomicy, including the TU Berlin, had been announced. "We not only chose the perfect time to found the Chemical Invention Factory, but also the perfect location given the lively start-up scene in Berlin," said Krach.

Subsequently, Vice President of the "Club of Rome" Anders Wijkman and John Warner, namesake of the CIF, gave passionate lectures to about 150 participants on the urgency of a new, sustainable industry and the almost unlimited possibilities that green chemistry offers.

No more disposable products

In his lecture, Wijkman presented theses from his new book "Come on!". The book was written by Wijkman together with Ernst Ulrich von Weizsäcker, also Vice President of the Club of Rome. The core statement: Industry and business still use far too many relatively short-lived disposable products. In order to conserve resources despite a growing world population, a closed-loop economy is needed. "The UN sustainability goals are a good approach on the road to a sustainable economy. But it can only work if all goals are tackled as an overall package," says Wijkman.

New perspectives bring new solutions

In September 2017, the Federal Minister of Economics and Energy, Brigitte Zypries, State Secretary Steffen Krach and TU Berlin chemistry professor Matthias Driess, presented John Warner with a key, thereby symbolically making him the eponym of the CIF.

Ten years earlier, Warner founded the "Warner-Babcock Institute for Green Chemistry" together with Jim Babcock, which has since produced several (patented) innovations for a more sustainable economy. Warner also developed the twelve principles for more sustainable chemistry. However, education and training of students is particularly important to him: "Students are the incubators and developers of tomorrow. We have to provide them with the right techniques!" This also includes, Warner continues, encouraging students to try out new perspectives and solutions.

Using Mother Nature as a role model

During the subsequent panel discussion, Nobel Laureate Ben Feringa emphasized that nature actually offers all the prerequisites for new, sustainable solutions. The purity principle of modern chemistry is outdated, agreed Peter Schuhmacher from BASF: "In nature, all substances are present in mixtures, hardly anything exists in purity!" In view of these findings, the students now have to learn to think in new ways in order to develop tomorrow's solutions, TU President Thomsen concluded the event.

jmr

Die natürliche Photosynthese, mit der Pflanzen aus Sonnenlicht und Kohlendioxid chemische Bausteine für ihren Metabolismus bilden, inspiriert Chemiker seit vielen Jahren. Was die Pflanzen jedoch auch nach Millionen Jahren der Evolution nicht beherrschen, ist die effiziente Synthese von Molekülen, die als Kraft- oder Brennstoff genutzt werden können. Mit welchem Trick die Synthese von Wasserstoff mittels Sonnenlicht dennoch gelingt, beschreiben Chemiker der Ruhr-Universität Bochum und der University of Cambridge im Fachjournal „Nature Energy“.

Photosystem aus Cyanobakterien

Statt auf die pflanzliche Photosynthese zurückzugreifen, haben die Forscher das sogenannte Photosystem II aus Cyanobakterien verwendet. Ebenso wie Pflanzen können diese Mikroorganismen Licht als Energiequelle nutzen. Weil die Bakterien aber nur die roten und blauen Anteile des Lichts verwenden, erweiterten die Forscher die natürliche Photozelle um eine spezielle Photoanode, die auf grüne Lichtanteile anspricht.

Aus anderen Bakterien, die in der Lage sind, Wasserstoff zu produzieren, ergänzten die Chemiker das Enzym Hydrogenase. Dieses Enzym kann Protonen und Elektronen zu einem Wasserstoffmolekül zusammenfügen. „Von der Kombination der beiden Prozesse erhoffen wir uns langfristig eine nachhaltige Herstellung des potenziellen Energieträgers Wasserstoff“, sagt Marc Nowaczyk vom Lehrstuhl Biochemie der Pflanzen an der Ruhr-Universität Bochum.

Redoxpolymere als Energieüberträger

Ganz so einfach waren diese Prozesse jedoch nicht zu kombinieren. Nötig war dazu die Auswahl geeigneter Redoxpolymere, also chemischer Verbindungen, die die Energie aus dem Photosystem an eine Elektrode übertragen. Dort werden schließlich Wassermoleküle aufgespalten, und mithilfe der Hydrogenase entsteht Wasserstoff und Sauerstoff – alles angetrieben von der Energie des Sonnenlichts. „So konnten wir erstmals eine Biosolarzelle entwickeln, die direkt einen chemischen Energieträger, in unserem Fall Wasserstoff, erzeugt“, resümiert Adrian Ruff vom Bochumer Zentrum für Elektrochemie.

Baukastensystem eröffnet weitere Optionen

Um das System weiter optimieren und auch andere Moleküle mittels Sonnenlicht herstellen zu können, haben die Chemiker einen Baukastenansatz gewählt. Sowohl die einzelnen biologischen als auch die chemischen Komponenten lassen sich einfach austauschen. „Unser molekularer Legokasten bietet vielfältige Möglichkeiten für zukünftige Anwendungen“, betont Nowaczyk. „Denkbar wäre es zum Beispiel, flüssige Energieträger auf der Basis von Kohlenstoff aus dem klimaschädlichen Kohlendioxid herzustellen.“

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft förderte die Arbeiten im Rahmen des Exzellenzclusters Resolv. Weitere Förderung kam aus dem EU-Projekt „PhotoBioCat“.

bl

Seit Jahrtausenden züchten Menschen Nutzpflanzen wie Weizen, Mais oder Tomaten. Dabei bemühten sich Landwirte und Züchter vor allem um immer größere Ernteerträge. Durch die gezielte Züchtung gingen jedoch andere nützliche Merkmale und die genetische Vielfalt verloren. So sind moderne Zuchtpflanzen oft anfälliger für Krankheiten und haben einen verminderten Vitamin- und Nährstoffgehalt. Das Problem: Eigenschaften, die durch das Zusammenspiel zahlreicher Gene bestimmt werden, kann man durch klassische Zucht kaum oder gar nicht wiederherstellen. Einem internationalen Forscherteam mit Münsteraner Beteiligung ist es nun erstmals gelungen, mithilfe der Genschere CRISPR-Cas von einer „Wildtomate“ innerhalb einer Generation gleichzeitig mehrere Nutzpflanzen-Merkmale zu erzeugen, ohne die gewünschten ursprünglichen genetischen Eigenschaften dieser Wildpflanze zu zerstören.

Neuanfang für die Domestikation

Wie die Pflanzenforscher im Fachjournal „Nature Biotechnology“ berichten, wählten sie als Ausgangspflanze einen Vorfahren heutiger Kulturtomaten: die wilde Tomatenart Solanum pimpinellifolium aus Südamerika. Die Wildpflanze hat zwar nur erbsengroße Früchte und liefert einen geringen Ertrag, dafür sind ihre Früchte aromatischer und enthalten mehr Lycopin – der sogenannte Antioxidans gilt als sehr gesund. „Die neue Methode erlaubt es uns, bei null anzufangen und einen Domestikationsprozess noch einmal ganz neu zu starten. Wir können das genetische Potenzial und besonders wertvolle Eigenschaften der Wildpflanzen bewahren und gleichzeitig die gewünschten Merkmale moderner Nutzpflanzen in kürzester Zeit erzeugen“, sagt Biologe Jörg Kudla von der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, der mit seinem Team an der Studie beteiligt war. Die Arbeit der Münsteraner wurden vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert.

For thousands of years people have been breeding crops such as wheat, maize and tomatoes. When doing so, farmers and breeders have been particularly concerned with increasing crop yields. However, targeted breeding has resulted in the loss of other useful traits and genetic diversity, and modern cultivated plants are often more susceptible to disease and have a reduced vitamin and nutrient content. The problem: Characteristics that are determined by the interplay of numerous genes cannot be restored by classical breeding. An international team of scientists, including researchers from Münster, Germany, has now succeeded for the first time in using the CRISPR-Cas genome editing tool to produce several crop traits simultaneously within just one generation from a "wild tomato" - without destroying the desired original genetic traits of the wild plant.

Starting domestication all over again

According to the report by the plant researchers in the scientific journal "Nature Biotechnology", the starting plant was the wild tomato Solanum pimpinellifolium from South America, the ancestor of today's cultivated tomatoes. Although the wild plant only offers pea-sized fruits and produces a low yield, its fruits are more aromatic and contain more lycopene - the antioxidant is considered to be very healthy. "This new method allows us to start from scratch and begin a new domestication process all over again. We can preserve the genetic potential and the particularly valuable properties of wild plants and, at the same time, produce the desired features of modern crops in a very short time," says biologist Jörg Kudla from the University of Münster, who was involved in the study with his team. The researchers from Münster were funded by the German Federal Ministry of Education and Research (BMBF).

Die Wurzelknollen der Maniokpflanze – auch Cassava genannt – gehören aufgrund ihres hohen Stärkegehalts zu den wichtigsten Grundnahrungsmitteln auf der Erde. Weltweit wurden 2016 mehr als 275 Millionen Tonnen Maniok geerntet. Besonders groß ist die Bedeutung der wenige Meter hohen Pflanze in Afrika. Allerdings sind ihre nährstoffreichen Blätter und Stängel unverarbeitet ungenießbar. Anders als etwa Kartoffeln sind Maniokknollen auch schnell verderblich. In einem vom Bundesforschungsministerium mit 836.000 Euro geförderten Projekt wollen Agrarwissenschaftler der Universität Hohenheim diese Probleme angehen. „Bioökonomie International: CassavaUpgrade – Verwertung von Cassava-Kopplungsprodukten“ heißt das Projekt, das noch bis zum 30. Juni 2019 läuft. Unterstützt werden die Hohenheimer Forscher dabei von Lebensmitteltechnologen der Science University Malaysia.

Proteinreiche Blätter genießbar machen

„Würden auch die Cassava-Blätter verzehrt, würde dies nicht nur eine Steigerung der Lebensmittelproduktion auf gleicher Fläche ermöglichen, es wäre insbesondere auch ein Beitrag zur ausgewogenen Ernährung der Bevölkerung. Denn die Blätter enthalten genau das, was der Knolle fehlt“, erklärt Joachim Müller vom Institut für Tropische Agrarwissenschaften der Universität Hohenheim. Die Trockenmasse der Blätter besteht zu 30 Prozent aus hochwertigen Proteinen mit essentiellen Aminosäuren und einem hohen Gehalt an Vitamin A.

Ebenso wie die Knollen bilden die Blätter giftige Blausäure, wenn sie beschädigt werden. Traditionell werden die Blätter deshalb dort, wo sie heute schon genutzt werden, zerkleinert und lange gekocht. Das zerstört die Blausäure, aber auch die Nährstoffe. „Unsere Versuche haben jedoch gezeigt, dass der Cyanid-Gehalt beispielsweise auch durch schonendes Einweichen abgebaut werden kann, wenn man dabei Natron zusetzt, wie es zum Beispiel in handelsüblichem Backpulver enthalten ist“, erläutert Müller. „Dieses für den Hausgebrauch gut geeignete Verfahren schützt die wertvollen Inhaltsstoffe.“ Auch eine Fermentation der Blätter würde diese genießbar und zudem lange haltbar machen.

Mit Saftextrakt industrielle Lebensmittel anreichern

Einen dritten Ansatz bietet die Lebensmittelindustrie. Mit einer sogenannten Schneckenpresse oder im Ultrafiltrationsverfahren kann aus den Maniokblättern der Saft extrahiert werden und die Blausäure bleibt im Presskuchen zurück. Das so entstandene Konzentrat ist reich an Proteinen. „Dieses Konzentrat kann als Grundprodukt in vielfältiger Weise zur Anreicherung von industriell erzeugten Lebensmitteln genutzt werden – ganz ähnlich wie Palmöl im Fettbereich“, erklärt Müller. Seine Kollegen aus Malaysia haben auf dieser Grundlage bereits eine proteinhaltige Nudelsorte produziert.

Schälverluste minimieren

Darüber hinaus wollten die Agrarforscher die Nutzung der Knollen verbessern. „Wegen der hohen Blausäurekonzentration in der Schale werden die Knollen sehr großzügig geschält– zu großzügig: Auf diese Weise geht ein nicht zu vernachlässigender Teil der Ernte ungenutzt verloren“, bemängelt Müller. Sein Team hat daher eine Schälmaschine mit rotierenden Bürsten entwickelt, die die Schale praktisch ohne Fruchtverlust entfernt. Wenn sich in einem Dorf mehrere Familien zusammenschlössen, um eine solche Maschine zu nutzen, würde sich die Investition lohnen, so die Einschätzung der Forscher.

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Es ist ein Wettlauf mit der Zeit: Wenn ein Patient mit einer Blutvergiftung oder einer Lungeninfektion in die Notaufnahme kommt, wird zunächst ein Abstrich gemacht, um den Erreger zu identifizieren. Die Probe muss wachsen, bis genug mikrobielles Material für eine Analyse vorliegt. Dann erst können Ärzte das geeignete Antibiotikum bestimmen und die Therapie beginnen. Rund 24 bis 48 Stunden dauert diese Diagnose. Der Haken ist nur: Nach zwölf Stunden ohne Behandlung wäre bereits die Hälfte der Patienten mit einer invasiven Pilzinfektion und einem geschwächten Immunsystem verstorben.

Der Pilz ändert die Resonanzstruktur

„Wir haben nach einer Alternative gesucht, die deutlich schneller und so preiswert ist, dass die Krankenkassen sie auch bezahlen“, erzählt Patrick Leisching. Der Laserphysiker ist bei der Münchner Firma TOPTICA Photonics AG für Forschung und Entwicklung zuständig. „Die entscheidende Idee kam von Peter Haring Bolívar“, erinnert sich Leisching. Bolívar forscht an der Universität Siegen seit rund zehn Jahren auf dem Gebiet der Resonanzverschiebung von Biostrukturen und war auf der Suche nach Anwendungsmöglichkeiten, die einen gesellschaftlichen Nutzen bieten. In der Notaufnahme wurde er fündig.

„Trägt man den Pilz auf ein geeignetes Metamaterial auf, verändert er die Resonanzstruktur des Materials“, erläutert Leisching. Sogenannte Metamaterialien haben aufgrund ihrer Nanostruktur ungewöhnliche physikalische Eigenschaften und können als Resonanzverstärker wirken. Die Schwingungsänderung ist abhängig von der Eigenfrequenz der aufgebrachten Pilze, jener Frequenz, die deren Zellstruktur zum Schwingen anregt. Grob vereinfacht entspricht das dem Fell einer Trommel, deren Klang – also deren Schwingung – sich verändert, wenn man einen Gegenstand darauf legt. 

Ein hoher Proteingehalt, essentielle Aminosäuren, viel Eisen, Zink, Magnesium und Vitamine – aber kein Gluten: Quinoa-Samen gelten in Europa wegen ihres Nährstoffgehalts als „Superfood“ und sind dennoch ein Nischenprodukt. Das liegt vor allem daran, dass sich der sogenannte Inkareis evolutionär an die harschen Bedingungen in Südamerika angepasst hat: Kurze Sonnenstunden in den Tropen und karge Böden in den Anden. Große Forschungs- oder Züchtungsbemühungen hat die Pflanze bislang weder in ihrer Heimat noch in Europa erfahren. Pflanzenforscher der Christian-Albrechts-Universität (CAU) zu Kiel wollen das nun ändern.

350 Sorten getestet

Eben weil es bislang kaum kommerzielle Züchtungen gegeben hat, existiert eine große Vielfalt an Quinoa-Sorten – von niedriger, krautartiger Wuchsform bis zu meterhohen Pflanzen mit zahlreichen Ästen. 350 Sorten haben die Kieler nun in ihrem Zuchtgarten angebaut und bewertet. „Wir wollen eine Quinoa-Art züchten, die in Europa gedeiht und dabei sowohl wirtschaftlich als auch ökologisch eine Alternative zu heimischen Kulturpflanzen bietet“, erklärt Nazgol Emrani, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Pflanzenbau und Pflanzenzüchtung, den Ausgangspunkt der Forschungen.

„Die für die gemäßigten Breiten vorteilhaften Eigenschaften wollen wir in unserem Projekt durch Kreuzung der optimalen Pflanzen verstärken“, erläutert Emrani. Zugleich suchen die Kieler Forscher nach den Genen, die den Blühzeitpunkt steuern. Dabei kommt den Forschern entgegen, dass seit dem vergangenen Jahr das Quinoa-Genom entschlüsselt ist.

Geeignete Sorten identifiziert

Das erste Anbaujahr war bereits sehr erfolgreich. Die Pflanzenforscher konnten zahlreiche Arten aussortieren, die selbst im Herbst noch weit von der Reife entfernt waren. Aber auf den Versuchsfeldern standen auch Quinoa-Pflanzen, die im Juli erntereif waren. „Wir haben in unseren Untersuchungen schon Quinoa-Arten gefunden, die an die Tageslängen in Deutschland und Europa angepasst sind und eine kurze Vegetationsphase idealerweise von Mitte April bis Ende August aufweisen“, sagt Emrani. Bei der Wahl der richtigen Sorte wird es zudem auf die Wuchsform ankommen: „Möglichst wenige Äste und eine kompakte Blütenrispe sind von Vorteil für eine maschinelle Ernte“, erklärt Dilan Sarange, Doktorand an der CAU Kiel.

Großflächiger Anbau in fünf Jahren?

Kollegin Emrani ist optimistisch: „Durch unsere Versuche könnten wir bereits in fünf Jahren eine großflächige Kultivierung der Quinoapflanze in Nordeuropa ermöglichen.“ Bis dahin sei es an den Landwirten und Lebensmittelherstellern, sich an die neuen Möglichkeiten anzupassen.

bl