Escherichia coli, Aspergillus niger oder auch Saccharomyces cerevisiae: Die meisten der heute bedeutsamen Plattformorganismen in der Biotechnologie sind eher zufällig zu solchen geworden. Sie waren die ersten mit einer bestimmten Eigenschaft, die entdeckt wurden, und haben sich etabliert. „Diese Organismen sind heute gut bekannt und bequem zu handhaben“, erzählt die Biotechnologin Denise Bachmann von der RWTH Aachen, „doch das heißt nicht, dass sie für den jeweiligen Prozess auch die Besten sind.“ Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) hat daher das Förderprogramm „Mikrobielle Biofabriken“ aufgelegt, um neue, industriell relevante Mikroorganismen zu identifizieren. Ein Projekt darin ist „ParaCoquette“, in dem sich Bachmann gemeinsam mit ihrer Kollegin Upasana Pal unter der Leitung von Lars Blank mit der Bakteriengattung Paracoccus befasst.
Viele Stämme mit breitem Stoffwechselspektrum
„Zu Paracoccus gehören viele unterschiedliche Stämme, die einen sehr breiten Stoffwechsel besitzen“, begründet Bachmann die Wahl. Vielleicht entstehen dabei Produkte, die das Bakterium besser herstellen kann als etablierte Mikroorganismen. Es gibt aber auch einige praktische Vorteile, die schon jetzt sicher sind: Während E. coli unter anaeroben Bedingungen beginnt, Säuren zu bilden, die den Prozess stören, produziert Paracoccus auch dann noch weiter, wenngleich in geringem Umfang. Zudem sind einige Paracoccus-Stämme leicht alkaliphil, wachsen also bei erhöhten pH-Werten. Weil das viele Mikroorganismen nicht können, senkt dies die Gefahr von Kontaminationen im Produktionsprozess.
Allzu viel ist über Paracoccus noch nicht bekannt, deshalb bestanden die ersten Monate des Projekts, das das BMBF von Februar 2020 bis Januar 2023 mit 458.000 Euro fördert, auch zu großen Teilen aus Literaturrecherchen. Für die Art P. pantotrophus ist zwar das Genom annotiert, sind also manchen Genen Funktionen zugeordnet, und es ist auch untersucht, welche Kohlenstoff- und Stickstoffquellen dieser Typstamm nutzt. „Aber das wissen wir so genau eben nur über diesen einen Stamm“, sagt Bachmann. Und es sind mehr als 70 Arten von Paracoccus bekannt. Rund 100 Stämme und Unterstämme sollen im Projekt ParaCoquette untersucht werden. Einige wurden zwar schon als nützliche Mitglieder von Klärschlamm-Bakteriengemeinschaften identifiziert, aber gezielt industriell werden davon keine eingesetzt. Als Produzent von Chemikalien ist kein Paracoccus-Stamm etabliert.