Wenn es um den Klimawandel geht, ist schnell die Rede vom Treibhausgas Kohlendioxid. Bis 2020 soll Deutschland die Treibhausgasemissionen gegenüber 1990 um 40 Prozent senken, so lautet der Plan der Bundesregierung – eine Vorgabe, die das Umweltbundesamt inzwischen für nicht mehr umsetzbar hält. Um dennoch das Ziel der CO2-Neutralität ab 2050 erreichen zu können, könnte neben der Vermeidung des Treibhausgases ein weiterer Ansatz relevant werden: dessen Verwertung.
Kohlendioxid als Rohstoff
In der organischen Chemie sind zahlreiche Reaktionen bekannt, wie Kohlendioxid zu chemischen Grundprodukten verbaut werden könnte, die sonst meist aus der Petroindustrie stammen. Weil diese Reaktionen jedoch erhebliche Mengen Energie benötigen, gilt dieser Ansatz weithin als ökonomisch wie ökologisch uninteressant. Es gibt jedoch jemanden, der seit Millionen von Jahren davon lebt, Kohlendioxid in höherwertige Verbindungen zu verwandeln: bestimmte Bakterienarten. Dank ihrer perfekt adaptierten Enzyme gelingt es den Mikroorganismen, chemische Reaktionen mit einer Effizienz umzusetzen, die auf herkömmliche Weise unerreichbar ist. Die Biotechnologie macht sich diese Eigenschaften zunutze und versucht, Bakterien als Chemiefabriken zu verwenden.
Urtümliches Bakterium als Chemiefabrik
Hier setzt das europäische Forschungsprojekt „CO2Chem - Biologische Konversion von CO2 zur Plattform-Chemikalie 3-Hydroxypropansäure“ an. Es soll, wie der Name schon sagt, einen Weg realisieren, um aus Kohlendioxid mit biotechnologischen Mitteln 3-Hydroxypropansäure zu produzieren – eines der von der Industrie am dringlichsten gewünschten Verfahren. An dem internationalen Projekt mit Partnern aus Großbritannien, Dänemark und Deutschland ist auch die Arbeitsgruppe um Volker Müller von der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt beteiligt. Sie arbeitet seit vielen Jahren mit dem Bakterium Acetobacterium woodii. Es zählt zu den acetogenen Bakterien, die sich von Wasserstoff, Stickstoff und eben Kohlendioxid ernähren können. Sogar das für viele Lebewesen giftige Kohlenmonoxid verwertet A. woodii – ein Hinweis auf Stoffwechselwege, die wahrscheinlich aus der Frühzeit irdischen Lebens stammen.
„Es war lange vollkommen unklar, wie diese Bakterien damit ihre Biomasse aufbauen“, erläutert Müller. Er selbst hat dazu beigetragen, anhand eines Modellorganismus‘ zu zeigen, wie aus diesen Rohstoffen die Umsetzung zu Essigsäure erfolgt. Vor rund zehn Jahren folgte dann die Frage, ob sich Bakterien, die Kohlendioxid als Substrat verwenden, biotechnologisch nutzen lassen. „In Deutschland arbeiten daran nur wenige Gruppe, weil man die Mikroorganismen in einem anoxischen, mit Stickstoff gefüllten speziellen Zelt halten muss. Sauerstoff wäre für die Bakterien tödlich“, begründet Müller. „Das ist nicht einfach zu handhaben.“