Biobasierte Kunststoffbausteine aus heimischem Pflanzenöl

Biobasierte Kunststoffbausteine aus heimischem Pflanzenöl

Bielefelder Forschende haben ein umweltschonendes Verfahren zur Herstellung von biobasierten Polyurethanen für Hochleistungsverbundstoffe entwickelt.

Die Sonnenblume ist äußerst anfällig gegen Krankheiten. Forscher wollen das ändern.
Ein spezielles Öl der Sonnenblume dient Forschenden als Rohstoff zur Herstellung biobasierter Hochleistungsverbundwerkstoffe.

Noch ist der Anteil biobasierter Kunststoffe am Weltmarkt mit knapp einem Prozent sehr gering. Doch die globale Kunststoffindustrie befindet sich im Wandel, nachwachsende Roh- und Reststoffe rücken immer mehr in den Fokus. Im Projekt Bio-Polyole haben Forschende der Universität Bielefeld nun gemeinsam mit einem Industriepartner ein Verfahren entwickelt, um die wichtige Kunststoffgruppe der Polyurethane aus heimischen Pflanzenölen herzustellen und für Hochleistungsverbundwerkstoffe nutzbar zu machen. Das Vorhaben wurde in der Sondierungsphase im Rahmen des Ideenwettbewerbes „Neue Produkte für die Bioökonomie“ vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) von Oktober 2020 bis März 2022 mit 78.000 Euro gefördert.

Biobasierte Kunststoffbausteine für Bodenbelege

Polyurethan (PUR) ist ein weicher Kunststoff, der in der Regel aus fossilen Bausteinen besteht. Diese werden in Verbindung mit Feuchtigkeit aufgeschäumt und vielseitig eingesetzt, zum Beispiel in Schuhsohlen, Klebstoffen, aber auch Autositzen und Fußböden. Im Projekt wurde der Einsatz der biobasierten Kunststoffbausteine für Bodenbelege anvisiert. Dafür arbeiteten die Forschenden mit der Windmöller GmbH aus Detmold zusammen.

High oleic sunflower oil als Ausgangsbasis

Um diese wichtigen PUR-Kunststoffe aus heimischen Pflanzenölen herstellen zu können, musste das Bielefelder Team um Projektleiter Harald Gröger zunächst ein geeignetes Pflanzenöl finden. Die Wahl fiel auf High oleic sunflower oil – ein Sonnenblumenöl mit einem hohen Anteil an ungesättigten Fettsäuren. „Diese ungesättigten Fettsäuren haben mindestens eine Kohlenstoff-Doppelbindung, die sich chemisch sehr effizient funktionalisieren lässt“, erklärt Gröger.

Damit die aus dem Pflanzenöl hergestellten Bausteine auch für die gewünschten Polymeranwendungen geeignet sind, mussten diese zunächst so funktionalisiert werden, dass diese Einzelmodule jeweils an den Enden der Verbindungen koppelbar sind.  Bei solchen Modulen handelt es sich um Moleküle, sogenannte Monomere, die in der Lage sind, durch chemische Reaktionen Polymere zu bilden. „Die heimischen Pflanzenöle können normalerweise nicht als Grundbausteine für die Monomere genutzt werden, weil dort eine funktionalisierbare Gruppe fehlt“, erläutert der Experte für organische Chemie und Biotechnologie. Für die nötige Klickreaktion zum Aufbau der PUR-Polymere mussten Gröger zufolge erst die benötigten funktionellen Gruppen zum Aufbau der Urethan-Gruppe in den PUR-Polymeren eingebaut werden.

Diese Hochdruckreaktoren wurden im Projekt bei der Hydroformylierung verwendet.
Diese Hochdruckreaktoren kamen im Projekt bei der Hydroformylierung zum Einsatz.

Pflanzen-Moleküle mit Hydroxygruppen funktionalisiert

„Die Idee des Projekts war es, mindestens zwei sogenannte Hydroxygruppen als solche funktionelle Gruppe in das heimische Pflanzenöl-Molekül einzuführen. Diese kann dann mit der komplementären Gruppe, der Isocyanatgruppe, unter Erhalt der PUR-Polymere verknüpft werden“, erklärt der Projektleiter. Mittels chemischer Katalyse erfolgte die Einführung von Hydroxygruppen, anschließend wurden die Monomerbausteine dann zu den passenden PUR-Schaumstoffen umgesetzt. „Wir konnten zeigen, dass wir mit einer praktikablen Katalysetechnologie in zwei Schritten – durch Hydroformylierung und Hydrierung – aus heimischem Pflanzenöl einen Polymerbaustein herstellen können, der sich als sehr vielversprechend für Polymeranwendungen im Fußbodenbereich erwies“, fasst Harald Gröger zusammen.

Chemisch-katalytischer Weg überzeugt

Der Schlüsselschritt dieses chemisch-katalytischen Wegs, die sogenannte Hydroformylierung, habe sich schnell als vielversprechend erwiesen, so der Projektleiter. Dabei werden die ungesättigten Fettsäuren mit Hilfe von Synthesegas funktionalisiert. „Ein großer Vorteil der Hydroformylierung ist, dass sie ohne die Verwendung von Lösungsmitteln durchgeführt wird. Wir haben nur das Pflanzenöl als Substrat, das wir mit dem Metallkatalysator und dem Synthesegas umsetzen können.“ Darüber hinaus hat sich gezeigt, dass das Syntheseverfahren auch eine attraktive wirtschaftliche Perspektive bietet, da nur geringe Abfallmengen anfallen. Die Nutzung erneuerbarer Energien in Kombination mit Kohlendioxid als Ausgangsverbindung zur Erzeugung des Synthesegases würde das Verfahren perspektivisch dann noch nachhaltiger machen.

Erste Produktmuster, die von dem Projektpartner Windmöller GmbH hergestellt und getestet wurden, überzeugten laut Gröger auch hinsichtlich der benötigten Materialeigenschaften. Sowohl die Zugfestigkeit als auch die Schnelligkeit der Aushärtung und die Formgebung des Polymers seien vielversprechend.

Gruppenbild Projektteam Bio-Polyole
Projektteam Bio-Polyole (Projektleiter Harald Gröger 4.v.r.)

Machbarkeitsphase läuft

Ob sich die biobasierten Polyurethane für eine Dämmschicht in Fußbodenbelägen eignen, wird die zweijährige Machbarkeitsphase zeigen, die im Herbst 2022 gestartet ist und vom BMBF mit weiteren insgesamt rund 242.000 Euro gefördert wird. In dieser Phase steht laut Gröger die Prozessoptimierung und weitere Produktentwicklung im Mittelpunkt. „Hier beschäftigt uns die Frage, wie effizient und nachhaltig wir dieses Produkt – das hydroxy-funktionalisierte Pflanzenöl – herstellen können, indem wir zum Beispiel den Katalysatorbedaf als auch die Abfallströme weiter minimieren. Außerdem wollen wir neben dem Scale-up die materialwissenschaftliche Seite so weiterentwickeln, dass das Produkt konkurrenzfähig ist und später mit den auf fossilen Bausteinen basierenden PUR-Polymeren mithalten kann.“

Autorin: Beatrix Boldt