Fischfang wirkt sich auf Gene aus

Fischfang wirkt sich auf Gene aus

Größenselektiver Fischfang wirkt sich schon nach wenigen Generationen auf die Evolution der Fische aus. Das hat ein Langzeit-Experiment von Berliner Leibniz-Forschern ergeben.

Die selektive Abfischung großer Fische verändert bereits nach wenigen Generationen die Gene von Fischen.

Um den Fischbestand zu erhalten, gibt es bisher eine Mindestgröße, die Fische erreichen müssen, bevor sie gefangen werden dürfen. Dadurch wird verhindert, dass zu junge Tiere abgefischt werden und der Nachwuchs gefährdet ist. Daher sind die meisten Fanggeräte so konzipiert, dass die großen Fische ins Netz gehen, während die kleineren entkommen können. Diese größenselektive Fischerei schützt zwar zunächst die kleineren Fische, doch ist unklar, wie sich diese Selektion auf lange Sicht auf das Wachstumspotenzial, das Verhalten oder gar die Gene der Fische auswirkt. Forscher des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) und der Universität Turku (Finland) haben nun nachgewiesen: die stete Entnahme der größten Individuen aus einem Fischbestand zieht tatsächlich Veränderungen in der Aktivität von Tausenden Genen nach sich.

Nach fünf Generationen bereits Genom-Veränderungen

Unter kontrollierten Bedingungen wurde in einem fast zehn Jahre dauernden Experiment der Zusammenhang zwischen größenselektiver Fischerei und möglichen genetischen Veränderungen untersucht. Zwei Populationen des genetischen Modellorganismus Zebrafisch wurden über fünf Generationen hinweg mit zwei unterschiedlichen Strategien befischt: während bei einer Population nur die größten Individuen entnommen wurden, wurde die zweite Population zufällig befischt. Anschließend wurden beide Gruppen für eine Dauer von sechs Generationen gar nicht befischt, um sich von dem Fischereidruck zu erholen.

Die Ergebnisse der Studie haben die Wissenschaftler im Journal Molecular Ecology veröffentlicht: die Fische haben sich sehr schnell an die größenselektive Befischung angepasst. Nach nur fünf Generationen kam es zu Veränderungen in der Aktivität und Ausprägung von rund 4300 Genen. Diese Veränderungen im Ausprägungsmuster der Gene, gingen außerdem mit Veränderungen in Hunderten kleiner DNA-Abschnitte einher. Sobald veränderte Ausprägungsmuster bis in die Genorte (Allele) in der DNA nachgewiesen werden können, spricht man von Evolution. „Damit ist der Beweis erbracht, dass sich ein hoher, größenselektiver Fischereidruck sowohl in der DNA als auch in den davon gesteuerten Ausprägungsmustern vieler Gene nachweisen lässt – die Fischerei beeinflusst die Evolution“, erläutert Projektleiter Robert Arlinghaus vom IGB.

Genetische Veränderungen sind langanhaltend

Und nicht nur die Gene werden durch die selektive Fischerei beeinflusst. Eine bereits 2015 publizierte Studie hat gezeigt, dass an Fischerei angepasste Fische mehr Energie in Fortpflanzung investieren, ein langsameres Wachstum im Erwachsenenalter aufweisen und insgesamt scheuer sind. „Die beiden Studien belegen zusammengenommen, dass die genetischen Veränderungen tatsächlich auch veränderte Merkmale wie eine reduzierte Größe im Erwachsenenalter hervorbringen. Da die Veränderungen genetisch bedingt sind, lassen sich das verlangsamte Wachstum oder die Scheuheit selbst nach Einstellen der Fischerei nicht einfach so umkehren“, ergänzt Arlinghaus.

Fangfenster mindern Selektionsdruck

Damit wird die größenselektive Fischerei zu einem Evolutionsfaktor. Die großen, zutraulicheren Exemplare werden weggefischt, während die kleineren und scheueren Fische überleben, und so ihre Gene und Verhaltensmuster weitervererben können. Das bekommen auch Fischer und Angler zu spüren, deren Fänge immer kleiner ausfallen. Arlinghaus wirbt für eine nachhaltigere Fischerei: „Wir empfehlen statt der gängigen Mindestmaße sogenannte Entnahmefenster als Fangbestimmung einzusetzen. Durch die Vorgabe von Mindest- und Maximalmaßen, die zusammengenommen das Entnahmefenster bilden, werden sowohl die kleinen, unreifen als auch die stattlichen, großen Laichtiere geschont.“ Durch diese Maßnahme würde der Selektionsdrucks auf Wachstum, Geschlechtsreifung und Scheu verringert. Außerdem betont Arlinghaus, würde durch diese Maßnahme auch die Anpassungsfähigkeit der Population und so das langfristige Überleben der Fische unterstützt werden.

jmr