Gesucht: Effizienter Bioreaktor für zellfreie Produktion

Gesucht: Effizienter Bioreaktor für zellfreie Produktion

Eiweiße gezielt für die Industrie herstellen, mit zellfreien Systemen – mit diesem Ziel war das Verbundprojekt „Biomoleküle vom Band – Zellfreie Bioproduktion“ der Fraunhofer Gesellschaft  als erste Maßnahme im Strategieprozess „Biotechnologie 2020+“ im Jahr 2011  gestartet. Am 14. März haben sich nun alle beteiligten Forscher des Konsortiums zum jährlichen Erfahrungsaustausch in Berlin getroffen. Fazit: Immer mehr kristallisiert sich inzwischen heraus, wo künftig weiterer Forschungsbedarf besteht – etwa bei der Etablierung von Bioreaktoren für eine zellfreie Produktion.

Michael Jewett hält einen Vortrag
Michael Jewett bezeichnete die Entwicklung von effizienten Bioreaktoren aktuell als größte Hürde einer zellfreien Bioproduktion.

Das Konsortium „Zellfreie Bioproduktion“ der Fraunhofer Gesellschaft vereint dafür Forscher von insgesamt acht Fraunhofer Instituten, um genau das zu erreichen. „Die Zusammenarbeit von Ingenieuren und Lebenswissenschaftlern hat hier besondere Bedeutung“, betonte Ulrich Buller aus dem Vorstand der Fraunhofer Gesellschaft bei der Eröffnung des zweiten Statusseminars, das Mitte März in Berlin stattfand. Und auch Frank Bier vom federführenden Fraunhofer-Institut für biomedizinische Technik (IBMT) in Potsdam unterstrich die große Rolle des interdisziplinären Austausches. 

US-Experte: Ausbeute und Reaktionsdauer sind zu verbessern

Den Anfang des Seminars bestritt dieses Mal Michael Jewett, Professor von der Northwestern University in Chicago und Experte für zellfreie Produktionssysteme. Aus seiner Sicht haben Entwicklungen weg von der Zelle als Reaktionsraum für Proteine ein großes Potenzial. „Ob Medizin, Chemie oder Energie – zellfreie Produktionssysteme werden einen Wandel in vielen Industriebereichen herbeiführen“, zeigte sich Jewett überzeugt.

Er selbst arbeitet an der Optimierung eines cytomimetischen Systems, das einerseits möglichst „natürliche“ Milieubedingungen für zellfreie Reaktionsvorgänge schafft und anderseits unerwünschte Nebeneffekte zellbasierter Systeme umgehen will. „Der Vorteil zellfreier Systeme liegt auf der Hand“, so Jewett und verwies vor allem auf die Möglichkeit, katalytische Synthesen in separaten, steuerbaren Schritten durchführen zu können. Auf diese Weise, so der US-Experte, könnten nicht nur Proteine hergestellt werden, die für Zellsysteme giftig sind, sondern auch völlig neuartige Proteine – etwa aus nicht-natürlichen Aminosäuren

Doch bis zur industriellen Produktion gibt es noch etliche Hürden zu nehmen. So seien die Kosten für Reagenzien noch relativ hoch und die korrekte Faltung von komplexen Proteinen schwer zu bewerkstelligen. „Darüber hinaus sind Ausbeute und Reaktionsdauer für industrielle Maßstäbe derzeit noch zu gering“, sagte Jewett in Berlin. Die Fraunhofer-Forscher können das bestätigen. So sei die Herstellung von Lysaten – also dem Ausgangspunkt der zellfreien Produktion – zwar bereits in kurzer Zeit machbar und auch ihre Lagerung längerfristig möglich. „Sowohl die Ausbeute als auch die Laufzeit der Systeme ist für industrielle Prozesse aber noch zu kurz“, berichtete Stefan Rupp vom Fraunhofer-Institut für Grenzflächen und Bioverfahrenstechnik. Was die Herstellung des Lysats angeht, so werden im Konsortium drei unterschiedliche Wege verfolgt. Sowohl Bakterienzellen als auch Insekten-  und Pflanzenzellen dienen als Ausgangsmaterial. „Die Insektenzellen haben als eukaryotisches System den Vorteil, dass sich mit dem entsprechenden Lysat auch Glykoproteine produzieren lassen“, sagte Stefan Kubick vom IBMT. 

Aktuell größte Hürde: effiziente Bioreaktoren

Die größte Hürde der zellfreien Bioproduktion besteht aus Sicht Michael Jewett allerdings in einer ganz anderen Tatsache. „Derzeit gibt es noch keine geeigneten Bioreaktoren für zellfreie Proteinsynthesen“, betonte Jewett. Dies ist daher auch im Fraunhofer-Konsortium ein großes Thema. "Wir sind noch ein gutes Stück von einem optimalen Reaktorkonzept für die Industrie entfernt“, berichteten Tobias Brode und Mario Bott vom Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung. Ähnlich wie Jewett sehen sie noch großen Forschungsbedarf auf diesem Gebiet. Zwar gebe es einen Prototypen, doch dieser liege mit seinem Produktionsvolumen von 100 Litern noch deutlich hinter industriellen Erfordernissen zurück. Außerdem stellt die Etablierung einer kosteneffizienten Sensorik zur Messung verschiedenster Produktionsparameter die Forscher vor eine große Herauforderung. „Hier sind noch zahlreiche Optimierungen notwendig“, so Bott.