„Tierisches Protein lässt sich schwer durch alternatives Protein ersetzen"

„Tierisches Protein lässt sich schwer durch alternatives Protein ersetzen"

Anja Wagemans

Beruf:
promovierte Lebensmitteltechnologin

Position:
Professorin (W3) am Lehrstuhl für Lebensmitteltechnik der Technischen Universität Dresden (ehemals Juniorprofessorin an der TU Berlin)

Anja Wagemanns, Professorin (W3) am Lehrstuhl für Lebensmitteltechnik der Technischen Universität Dresden
Vorname
Anja
Nachname
Wagemans

Beruf:
promovierte Lebensmitteltechnologin

Position:
Professorin (W3) am Lehrstuhl für Lebensmitteltechnik der Technischen Universität Dresden (ehemals Juniorprofessorin an der TU Berlin)

Anja Wagemanns, Professorin (W3) am Lehrstuhl für Lebensmitteltechnik der Technischen Universität Dresden

Anja Wagemans will Fleischersatzprodukten mehr „Biss“ geben. Dafür befasst sich die Lebensmitteltechnologin mit der Strukturbildung von alternativen pflanzlichen und mikrobiologischen Biopolymeren.

Auch wenn Fleischersatzprodukte aus Soja oder Weizen meist geschmacklich überzeugen, können sie hinsichtlich Textur und Mundgefühl oft mit dem tierischen Original nicht mithalten. Als Juniorprofessorin hat Lebensmitteltechnologin Anja Wagemans an der TU Berlin viele Jahre zur Strukturbildung von alternativen pflanzlichen und mikrobiologischen Biopolymeren geforscht, um den veganen Alternativen mehr "Biss" zu geben. Um die Ergebnisse ihrer Forschung in der Praxis zu bringen, arbeitet sie auch mit Unternehmen zusammen, die sich mit der Entwicklung zellbasierter Lebensmittel befassen. Für ihre Forschungsarbeit wurde Anja Wagemans im vergangenen Jahr mit dem Nachwuchspreis des Berliner Wissenschaftspreises ausgezeichnet. An der TU Dresden wird die Forscherin nun am Lehrstuhl für Lebensmitteltechnik ihre Expertise einbringen.

Frage

Was sind aktuell die größten Hürden in der Entwicklung von innovativen Lebensmitteln wie Fleischersatzprodukten?

Antwort

Tierisches Protein (Myofibrilläres Protein) ist sehr funktionell und lässt sich nur sehr schwer durch alternative Quellen wie pflanzliche Proteine und Kohlenhydrate ersetzen, da sich diese in ihrer Form, Größe und Eigenschaften stark unterscheiden. Sensorisch kommen wir daher nicht an die Originalprodukte heran. Aus diesem Grund wäre es wichtig, nicht in „Ersatzprodukten“, sondern in „neuartigen Produkten“ zu denken und diese entsprechend zu vermarkten. Leider wird die Mehrzahl der Verbraucher und Verbraucherinnen durch Altbekanntes angesprochen, weshalb hier viel Überzeugungs- und Aufklärungsarbeit geleistet werden muss. Aus diesem Grund laufen derzeit viele Bemühungen in Richtung „Ersatzprodukte“.

Frage

Noch können Fleischersatzprodukte nicht mit den sensorischen Eigenschaften des tierischen Originals mithalten. Wie lassen sich diese sinnlichen Erlebnisse beim Fleischkonsum auf Ersatzprodukte übertragen?

Antwort

Wir versuchen, die Struktur, die bei Fleisch von der molekularen bis hin zur makroskopischen Ebene stark hierarchisch ist, auch bei weniger strukturierten Proteinen wie etwa globulären Pflanzenproteinen aufzubauen. Dies erfordert zum Beispiel die Zugabe bestimmter Inhaltsstoffe oder die Anwendung strukturgebender Verfahren wie Extrusion oder 3D-Druck.

Frage

Auf welche Zusammensetzung kommt es dabei an? Welche Rolle spielt dabei die Struktur der pflanzlichen Proteine?

Antwort

Da die meisten pflanzlichen Proteine aufgrund ihrer globulären – also kugelförmigen – Struktur nicht so funktionell sind wie tierische Fleischproteine, werden häufig Gelier- und Verdickungsmittel zugesetzt. Dies führt zu einer längeren Zutatenliste, was oft mit einer negativen Assoziation verbunden ist. Häufig handelt es sich jedoch nur um modifizierte Stärke oder Ballaststoffe.

Frage

Wie lassen sich Parameter wie Textur und Mundgefühl messen?

Antwort

Es gibt viele Bemühungen, sensorische Wahrnehmungen durch instrumentell messbare Größen zu beschreiben. Einfache sensorische Attribute wie „Härte“ und „Elastizität“ können bereits gut durch Messgrößen beschrieben werden. Bei komplexen sensorischen Wahrnehmungen wie „Zartheit“ muss noch besser verstanden werden, was strukturell im Mund passiert und wie dies instrumentell erfasst werden kann.

Frage

In verschiedenen Forschungsprojekten arbeiten Sie seit Jahren mit Unternehmen an der Entwicklung innovativer Lebensmittel zusammen – darunter auch an kultiviertem Fleisch.
Was ist das Ziel des Projektes und wo sehen Sie die Herausforderungen bei der Entwicklung von sogenanntem zellbasiertem Fleisch?

Antwort

Ziel des Projekts ist es, vegane Trägerstrukturen für kultiviertes Fleisch aus pflanzlichen Proteinen und Alginat in einem Top-Down-Ansatz (Extrusion) und einem Bottom-Up-Ansatz (3D-Biodruck) herzustellen. Dabei sollen neue Produkte entstehen, die sowohl pflanzliche Komponenten als auch tierische Zellen enthalten. Eine große Herausforderung sehe ich darin, dass die Kultivierung von Fleischzellen unter sterilen Bedingungen erfolgen muss, was im großtechnischen Maßstab nur schwer umsetzbar ist. Außerdem ist die Differenzierung und Kultivierung von Fett-, Fleisch- und Bindegewebszellen sehr komplex. Ich bin jedoch zuversichtlich, dass Lösungen für diese Probleme gefunden werden.

Interview: Beatrix Boldt