Pflanzenmerkmale per Temperaturregler steuern

Pflanzenmerkmale per Temperaturregler steuern

Nachwuchsforschern vom Leibniz-WissenschaftsCampus Halle ist es  gelungen, die Proteinherstellung in Pflanzen quasi per Knopfdruck zu steuern. Die Wissenschaftler nutzten dafür temperaturempfindliche Genschalter.

Per Rasterelektronenmikroskop ist zu sehen, wie sich Zellen auf der Blattoberfläche der Ackerschmalwand vermehrt haben.
Per Rasterelektronenmikroskop ist zu sehen, wie sich Zellen auf der Blattoberfläche der Ackerschmalwand vermehrt haben.

Die äußeren Merkmale einer Pflanze werden besonders von der Zusammensetzung und Aktivität der Proteine geprägt. Diese phänotypischen Merkmale quasi per Regler von außen zu steuern, ist nun einer Nachwuchsforschergruppe vom Leibniz-WissenschaftsCampus Halle gelungen. Wie die Wissenschaftler im Fachjournal Nature Communications (2016, Online-Veröffentlichung) berichten, nutzten sie dazu temperaturempfindliche Genschalter als Werkzeug.

Proteine sind das Fundament einer jeden Zelle eines lebenden Organismus. Die aus Aminosäuren aufgebauten Moleküle bestimmen je nach Art, Zusammensetzung und Struktur über Form, Aufbau und Funktion der Zellen und sind damit auch für die Ausprägung der phänotypischen Eigenschaften einer Pflanze entscheidend. Nachwuchsforscher am Leibniz-WissenschaftsCampus Halle - Pflanzenbasierte Bioökonomie (WCH) haben in den vergangenen Jahren die molekularen Regulationsmechanismen und biologischen Funktionen dieses Prozesses anhand der Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana) genauer untersucht.

Proteinmenge per Regler genau steuern

Ein Team um Nico Dissmeyer stieß  dabei auf einen Mechanismus, mit dessen Hilfe erstmals die Aktivität bestimmter Proteine „per Knopfdruck“ reguliert werden kann. „Mit unserer Forschung liefern wir der Synthetischen Biologie einen komplett neuartigen Baustein, mit denen Proteinfunktionen und Enzymaktivitäten "on demand" moduliert werden können. Ein Durchbruch ist meines Erachtens die Möglichkeit, Zellen auf der pflanzlichen Blattoberfläche ganz gezielt auszubilden. Diese wollen wir als zelluläres Gerüst von molekularen Mikrofabriken verwenden“, erklärt Nico Dissmeyer.

Zellfunktionen ein- und ausschalten

Bei dem Werkzeug handelt es sich um ein temperaturempfindliches Protein, das als eine Art „Sensor“ fungiert und in lebenden Pflanzen und Insekten, also mehrzelligen Organismen, die Herstellung anderer Proteine steuert, sodass deren Funktion oder biologische Aktivität innerhalb kürzester Zeit ein- und ausgeschaltet werden kann. Wie das Team in Nature Communications berichtet, kann dieses neue Biotechnologie-Werkzeug gezielt Zellen erzeugen, deren Zielproteinlevel zwischen dem Normalzustand und dem vollkommenen Funktionsverlust rangiert. Durch das Umlegen dieses molekularen Schalters war es beispielsweise möglich einzelne pflanzliche Zell- und Gewebetypen der Ackerschmalwand auszubilden und darüber hinaus Proteinfunktionen in Hefe und Fruchtfliegen zu steuern. Der WissenschaftsCampus Halle hat sich interdisziplinären Forschung zur Bioökonomie verschrieben. 2015 wurde die Einrichtung dafür mit dem Hugo-Junckers-Preis für Forschung und Innovation ausgezeichnet.