Muscheln als Klima-Archive

Muscheln als Klima-Archive

Muschelschalen sind zuverlässige Zeitzeugen für das Klima – aber nur, wenn sie nicht von Steinzeit-Menschen für Mahlzeiten erhitzt wurden, wie Bremer Forscher herausfanden.

Muschelschalen dienen heute als verlässliche Klimaindikatoren – wenn sie nicht zuvor erhitzt wurden.
Muschelschalen dienen heute als verlässliche Klimaindikatoren – wenn sie nicht zuvor erhitzt wurden.

Moderne Klimarekonstruktionen basieren in den meisten Fällen auf Ablagerungen, die mineralischen wie auch biologischen Ursprungs sein können. Wichtig ist, dass sie die Umweltbedingungen ihrer Entstehungszeit widerspiegeln und nachträglich nicht verändert wurden. Ähnlich wie bei Bäumen gibt es auch bei Muschelschalen Jahresringe, deren chemische Zusammensetzung durch die jeweiligen Umweltfaktoren beeinflusst wird. Da sich die Kalkschale nach und nach bildet, gibt sie Auskunft über jährliche oder saisonale Klimaschwankungen. Nun hat das Team um den Geologen Peter Müller vom Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung (ZMT) gezeigt: Die Muschelschalen dürfen nicht erhitzt worden sein, sonst kommt es zu einer Verfälschung der Ergebnisse und damit einer falschen Klimarekonstruktion. Die Studie veröffentlichte das Team im Fachjournal „Scientific Reports

Muschelschalen als Bioindikatoren für das Klima

Muscheln gibt es bereits seit Hunderten Millionen von Jahren. Die Schalen finden sich in natürlichen Ablagerungen wie beispielsweise Seesedimenten. Zudem wurden sie schon früh von Menschen gesammelt und werden als Anhäufungen in Kulturschichten bei archäologischen Ausgrabungen entdeckt. Oft handelt es sich dabei um Essenreste oder Schmuck. Sowohl Muscheln aus natürlichen Sedimenten als auch aus Kulturschichten werden bislang zur Klimarekonstruktion herangezogen.

Isotopen-Verhältnis gibt Auskunft

Das Team am ZMT untersuchte nun steinzeitliche Muschelansammlungen von der Küste Mauretaniens und Venusmuscheln aus heutiger Zeit. Die Schalen bestehen aus Kalk (chemisch Calciumcarbonat), der sich aus den Elementen Calcium, Kohlenstoff und Sauerstoff zusammensetzt. In der Natur gibt es verschiedene Isotope dieser Elemente mit einem unterschiedlichen Atomgewicht. Das Verhältnis der Isotopenmengen untereinander kann mittels sogenannter Massenspektrometrie ermittelt werden. Es ist charakteristisch für eine Zeit und spiegelt deren klimatischen Verhältnisse wider. Wichtig ist jedoch, dass das Material über die Jahrtausende unverändert geblieben ist.

Muscheln aus Ausgrabungen nur bedingt geeignet

Das Forscherteam vermutete, dass man in der Steinzeit Muscheln für den Verzehr zubereitet und dazu vorher erhitzt habe. Mit einem neuen Verfahren, der sogenannten Carbonate-Clumped-Isotops-Thermometry, lassen sich durch Hitze herbeigeführte Veränderungen im Isotopenverhältnis bei Carbonaten erkennen. So konnten die Bremer Forscher nachweisen, dass die steinzeitlichen Muscheln vor der Analyse erhitzt worden waren. Das neue Verfahren sei so präzise, dass sogar Aussagen über die Kochkunst der Steinzeit getroffen werden könnten. „Um die Muscheln zu öffnen, wurde sie damals wahrscheinlich auf Steine gelegt, die zuvor im Feuer erhitzt worden waren“, vermutet Müller. Messungen haben gezeigt, dass schon eine schwache Erwärmung die Zusammensetzung der Isotopen verändert. „Die Muscheln sind dann für eine verlässliche Klimarekonstruktion unbrauchbar“, so Müller weiter. Diese neue Erkenntnis zeigt, dass bisherige Isotopenanalysen an Muscheln aus archäologischen Ausgrabungen möglicherweise zu Fehlinterpretationen bei der Klimarekonstruktion geführt haben.

bp