Mit Bakterien Abgase in Spezialchemikalien verwandeln

Mit Bakterien Abgase in Spezialchemikalien verwandeln

Bei der Produktion von Stahl entsteht tonnenweise ungenutzter Kohlenstoff. Fraunhofer-Forscher füttern Bakterien mit den Abgasen - und erhalten so interessante Chemikalien für die Industrie .

Das Fraunhofer IME füttert in seinen Fermentationsanlagen Bakterien mit Abgasen aus Stahlwerken. Die Mikroben wandeln den Kohlenstoff-Mix in interessante Chemikalien um.
Das Fraunhofer IME füttert in seinen Fermentationsanlagen Bakterien mit Abgasen aus Stahlwerken. Die Mikroben wandeln den Kohlenst

Durch die Schlote der Stahlwerke dringen täglich große Mengen Abgase, die Kohlenmonoxid (CO) und Kohlendioxid (CO2) enthalten. Etwa 1,8 Tonnen Kohlendioxid entstehen etwa bei der Produktion nur einer Tonne Stahl. Das Gas entweicht in der Regel ungenutzt. Doch in den berüchtigten Klimagasen steckt durchaus mehr Potenzial: Fraunhofer-Forscher erforschen einen Weg, um die Kohlenstoffmengen zu verwerten - mithilfe von Biotechnologie. Gentechnisch veränderte Bakterien nutzen hierbei die Abgase für ihren Stoffwechsel und verwandeln sie in Kraftstoffe und Spezialchemikalien.

Mit dem im vergangenen Jahr von der Bundesregierung verabschiedeten Klimapaket sollen die Treibhausgase bis 2020 um 40 Prozent reduziert werden. Neben der Vermeidung von CO2 ist eine alternative Strategie, die Abgase durch intelligente Verfahren stofflich weiter zu nutzen. Fraunhofer-Wissenschaftler haben nun einen vielversprechenden Weg gefunden,  die Abgase von Stahlwerken besser zu nutzen. Dafür entwickelten sie ein biotechnologisches Fermentierungsverfahren, das die kohlenstoffreichen Abgase in interessante Chemikalien verwandelt. 

Bakterien verputzen Abgase

Die Forscher nutzen sogenanntes Synthesegas - ein Mix aus Kohlenmonoxid, Kohlendioxid und Wasserstoff - um damit Mikroben zu füttern. Der Stoffwechsel von Bakterienstämmen der Gattung Clostridium wurden mit Methoden der Synthetischen Biologie so umfunktioniert, dass sie das Abgasgemisch nun verwerten können. So fermentieren die Zellfabriken die Stahlwerkabgase zu Alkoholen wie Butanol oder Hexanol sowie Aceton. Die Produkte werden in weiteren chemisch-physikalischen Schritten noch weiter umgewandelt, bis ein Zwischenprodukt aus längerkettigen Alkoholen und Ketonen entsteht. Dieses Zwischenprodukt eignet sich, um daraus Kerosin und Spezialchemikalien herzustellen. „Allein die Mengen an Kohlenstoff, welche in Form von Kohlendioxid aus den Duisburger Stahlwerken rauchen, würden aus unserer Sicht ausreichen, um den kompletten Kerosinbedarf einer großen Airline zu decken“, so Stefan Jennewein vom Fraunhofer IME in Aachen, der das Projekt koordiniert.

Weitere Anwendung im Blick

Dass tatsächlich Flugzeuge damit angetrieben werden, davon sind die Wissenschaftler noch ein ganzes Stück entfernt. Noch funktioniert das Verfahren nur im Labor. Doch schon jetzt zeichnet sich ab, welche Möglichkeiten die neue Verwertungsmethode mit sich bringt. „Neben den Abgasen der Stahlherstellung können auch Synthesegas-ähnliche Gasgemische aus der Haus- und Industriemüll-Verbrennung für das entwickelte Verfahren genutzt werden“, so Jennewein weiter. An dem Projekt sind die neben dem Fraunhofer IME in Aachen auch die Frauenhofer-Institute für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik UMSICHT in Oberhausen und für Chemische Technologie ICT in Pfinztal beteiligt.

Ersatz für Erdöl

Die IME-Forscher haben die molekularbiologische Seite des Verfahrens entwickelt und ihre Synthesegas-Fermentationsanlage ausgebaut. Am Oberhauserer UMSICHT wurde die noch restwasserhaltigen Fermentationsprodukte zu dem Zwischenprodukt umgewandelt. Daraus konnten die Forscher der Abteilung Umweltengineering am ICT schließlich Spezialchemikalien gewinnen. „Die von uns künstlich hergestellten Produkte können sowohl als Kraftstoffe als auch für Spezialchemikalien eingesetzt werden. Genau wie das bislang mit Erdöl als Rohstoffquelle funktioniert“, erklärt Jennewein. Nach dem Erfolg im Labor will das Fraunhofer-Trio zeigen, dass ihre neue Technologie auch für größere Mengen geeignet ist. „Unser Ziel ist es, die Kraftstoffe für Zertifizierungsprozesse anzumelden. Dort wird ihre Praxistauglichkeit von offizieller Seite bestätigt. Das dauert für Fahrzeugdiesel etwa ein und für Kerosin etwa drei Jahre", sagt Jennewein.