Mikroplastik: auch auf dem Land gefährlich

Mikroplastik: auch auf dem Land gefährlich

Ansammlungen von Mikroplastik im Boden sind offenbar eine noch viel größere Belastung als in den Meeren. Darauf deutet eine Meta-Studie von Berliner Forschern hin.

Im Erdreich findet sich vielerorts Mikroplastik wie diese Polyacrylfasern.

Der Große Pazifische Müllstrudel hat vor 20 Jahren den Blick der Welt auf die von Plastikmüll verursachten Probleme gelenkt. Insbesondere wenn sich der Müll mit der Zeit zu Mikroplastik zersetzt, gefährdet er das Leben in den Meeren. Eine Metastudie des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) und der Freien Universität Berlin im Fachjournal „Global Change Biology“ hat nun gezeigt, dass nicht nur die Meere stark belastet sind: Offenbar ist die Bedrohung an Land noch viel stärker als in Gewässern. Dies wiederum stellt für alle Landlebewesen eine Gefahr dar – von Mikroorganismen bis zum Menschen.

Regenwürmer ändern ihr Verhalten

„Die bisher beobachteten Effekte von Plastikpartikeln in Mikro- und Nanogröße auf terrestrische Ökosysteme weltweit lassen darauf schließen, dass auch diese stark gefährdet sind“, sagt IGB-Forscher Anderson Abel de Souza Machado, Leiter der Studie. Zerfallen Plastikteile, entwickeln sie neue physikalische und chemische Eigenschaften und geben ihre Zusatzstoffe in die Umwelt ab. Darunter sind beispielsweise Phthalate und Bisphenol A, die bei Wirbeltieren und einigen Wirbellosen das Hormonsystem stören können. So konnten bei Regenwürmern Verhaltensänderungen beobachtet werden, die nicht nur die Tiere, sondern indirekt die Bodenbeschaffenheit beeinträchtigten. Auch Hinweise auf negative Effekte auf Pilze und Bestäuberinsekten beschreibt die Studie.

Fakten zu Mikroplastik

Weltweit werden pro Jahr mehr als 400 Millionen Tonnen Plastik produziert. Schätzungsweise ein Drittel des gesamten Plastikmülls endet in der Natur und zerfällt in Mikroplastik (< 5mm) und weiter in Nanopartikel (< 0,1µm). Die Verschmutzung an Land ist dabei viel größer als in den Meeren – sie wird je nach Umgebung auf das Vier- bis 23-fache geschätzt. Ein wichtiger Faktor zur Verbreitung von Mikroplastik ist Abwasser. 80 bis 90% der darin enthaltenen Partikel, etwa von Kleiderfasern, verbleiben im Klärschlamm. Dieser wird häufig als Dünger auf Felder ausgebracht, wodurch jährlich viele Tausend Tonnen Mikroplastik auf den Äckern landen.

Plastikteilchen in Salz, Zucker und Bier

Teilchen in Nanogröße durchdringen sogar die Blut-Hirn-Schranke und die Plazenta und können Entzündungen auslösen. Außerdem beeinflussen sie die Genaktivität und biochemische Reaktionen in den Zellen. Die langfristigen Folgen davon sind noch weitgehend unbekannt. Auch der Mensch nimmt über die Nahrung und die Atmung Nano- und Mikroplastikteilchen auf. Sie wurden bereits in Fischen und Meeresfrüchten, aber auch in Salz, Zucker und Bier gefunden. „Kleinste Plastikteilchen sind praktisch überall auf der Welt vorhanden und können verschiedenste Beeinträchtigungen auslösen“, resümiert Machado.

Mögliche globale Bedrohung

Für eine genauere Bestandsaufnahme fehlen bislang allerdings standardisierte Methoden zur Erfassung von Mikroplastik in terrestrischen Ökosystemen, stellen die Forscher fest. Zudem sei es oft schwierig und arbeitsaufwendig, kleinste Plastikteile etwa in Böden nachzuweisen. Dennoch genügen die Daten den Autoren der Metastudie für eine deutliche Warnung: Mikroplastik könne ein neuer „Langzeit-Stressfaktor für die Umwelt“ werden und sich zu einer „globalen Bedrohung für terrestrische Ökosysteme“ entwickeln.

bl