Medizin aus dem Meer: Konferenz der Mikroben-Fischer

Medizin aus dem Meer: Konferenz der Mikroben-Fischer

Als Ressource für neue pharmazeutische Wirkstoffe rücken Ozeane und ihre winzigen Bewohner zunehmend in den Blickpunkt. Auf einer Konferenz in Berlin trafen sich Forscher, die die genetischen Schätze der Meere heben wollen.

Bei einer Fachkonferenz in Berlin trafen sich Meeresforscher, die die mikrobiellen Bewohner der Meere durchleuchten - auf der Suche nach neuen Medikamenten.
Bei einer Fachkonferenz in Berlin trafen sich Meeresforscher, die die mikrobiellen Bewohner der Meere durchleuchten - auf der Such

Das Meer wimmelt nur so vor Bakterien, Algen oder Pilzen. Sie gelten als vielversprechende  Quelle für neuartige Antibiotika oder Wirkstoffe gegen Erkrankungen wie Alzheimer oder Krebs. Doch bisher ist nur ein Bruchteil der marinen Biodiversität erforscht. Das wollen EU-finanzierte Verbundprojekte wie MaCuMBA oder PharmaSea ändern. Ende Juni kamen auf der Marine Microbiome Conference in Berlin mehr als 130 Forscher und Unternehmer aus aller Welt zusammen, um über die Ergebnisse ihrer Forschung zu berichten und zu diskutieren.

Das exotisch anmutende Kürzel MaCuMBA steht für „Marine Microorganisms: Cultivation Methods for Improving their Biotechnological Applications“. Die Veranstaltung in Berlin stellte den Höhe- und Schlusspunkt des vierjährigen europäischen Forschungsprojekts dar, in dessen Mittelpunkt die Entdeckung und Erforschung neuer Mikroorganismen aus dem Meer steht. Neben dem Wissensaustausch war es erklärtes Ziel der Veranstaltungsorganisatoren, Wissenschaftler und Unternehmer an einen Tisch zu bringen, um konkrete Kooperationsmöglichkeiten auszuloten und Forschungsergebnisse in die Industrie zu bringen.

Großes Potenzial für neue Antibiotika

Bereits am ersten Konferenztag stiegen die Wissenschaftler tief in die Thematik ein: Wie lassen sich marine Mikroben im Labor vermehren? Wie sehen die entdeckten chemischen Strukturen aus, die sie hervorbringen? Und wie kann die Forschung bestmöglich unterstützt werden? Denn dass Ozeane und Meere großes Potenzial haben, darüber waren sich alle einig. Sie bedecken etwa 70% des Planeten, aber bisher sind nur circa 5% des marinen Ökosystems überhaupt erforscht. Denn viele Mikroorganismen besiedeln extreme Lebensräume wie heiße Quellen, arktische Gewässer oder Salzseen am Boden des Mittelmeers. In Forschungskonsortien wie dem EU-Projekt PharmaSea wollen Forscher den Fähigkeiten dieser Mikroorganismen auf den Grund gehen und herausfinden, warum sie es in diesen unwirtlichen Gegenden aushalten. In Zeiten zunehmender Antibiotikaresistenzen bei Keimen rückt die Tiefsee auch als Quelle neuer Medikamente verstärkt in den Fokus von Wissenschaftlern. Auch in Deutschland wird hieran intensiv geforscht, zum Beispiel am Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie in Bremen.

Wie lassen sich Mikroben aus unwirtlichen Lebensräumen kultivieren?

Im MaCuMBA-Projekt wiederum geht es den Wissenschaftlern vor allem darum, die technischen Methoden zu verfeinern, mit denen sich die Mikroben im Labor kultivieren und in einem nächsten Schritt biotechnologisch nutzen lassen. Auf der Konferenz wurde in verschiedensten Sessions und Panels darüber diskutiert, welche Modelle und Lösungen es bereits gibt und wo noch Hürden zu überwinden sind. Auch rechtliche Aspekte zur Nutzung von Biodiversität als Ressource wurden angesprochen – wie sie beispielsweise im Rahmen des . In diesem Protokoll sind Regeln über den „Zugang zu genetischen Ressourcen und die ausgewogene und gerechte Aufteilung der Vorteile, die sich aus ihrer Nutzung ergeben“ definiert. Es soll verhindern, dass Länder nicht leer ausgehen, die zwar besonders arten- und ressourcenreich sind, aber nicht über das Wissen und die Kapazitäten verfügen, die Vielfalt zu erforschen und auch wirtschaftlich zu erschließen. Nachdem die EU das Protokoll 2014 unterzeichnet hat, ist es seit Anfang Juli 2016 auch in Deutschland in Kraft getreten.

Nagoya-Protokoll kontovers diskutiert

Auf der MaCuMBA-Konferenz wurde das Übereinkommen kontrovers diskutiert. Jörg Overmann vom Leibniz-Institut DSMZ (Deutsche Sammlung von Mikroorganismen und Zellkulturen) befürchtet, dass „die Vereinbarung die internationale Forschung trotz der guten Intention definitiv erschweren wird“. Lene Lange von der Technischen Universität Dänemark (DTU) begrüßte hingegen das Protokoll uneingeschränkt: „Können wir uns nicht darauf einigen, dass es einfach fairer ist, wenn auch die Herkunftsländer profitieren?“ Marcel Jaspers, Koordinator des EU-Forschungsverbunds PharmaSea und Professor an der schottischen University of Aberdeen, betonte indes, „dass die konkreten Auswirkungen des Protokolls auf die Wissenschaftslandschaft noch nicht klar abzusehen sind“. In einem waren sich die Wissenschaftler einig: das Nagoya-Protokoll wird umgesetzt und die Meeresforscher müssen sich darauf einstellen.

Ocean Sampling Day 2016

Wie sich genetische Informationen aus Meereswasser extrahieren lassen, das ließ sich Mitte Juni beim Ocean Sampling Day ausprobieren. Im Jahr 2014 hatten Bremer Mikrobiologen vom Max-Planck-Institut diese Veranstaltung ins Leben gerufen, um darüber Auskunft zu geben, welche Mikroben eigentlich im Meer leben und wie sich ihre Zusammensetzung über die Zeit ändert. Auch in diesem Jahr war es am 21. Juni wieder soweit: rund 1.000 Testkits konnten von jedem Interessierten geordert werden, sie kamen in ganz Deutschland zum Einsatz. Sobald die Proben wieder in Bremen sind, sollen sie aufbereitet und analysiert werden.