Langer Weg zu mehr Nachhaltigkeit

Langer Weg zu mehr Nachhaltigkeit

Die Bundesregierung hat keines ihrer ökologischen Nachhaltigkeitsziele erreicht, wie eine Studie der Hans-Böckler-Stiftung zeigt. Aber auch bei sozialen Faktoren gibt es Nachholbedarf.

Deutschland muss in Punkto Nachhaltigkeit vor allem bei ökologischen und sozialen Zielen aufholen.
Deutschland muss in Punkto Nachhaltigkeit vor allem bei ökologischen und sozialen Zielen aufholen.

Deutschland gilt als Vorreiter bei der Umsetzung der Agenda 2030 mit ihren insgesamt 17 Zielen zur nachhaltigen Entwicklung, den sogenannten Sustainable Development Goals (SDG). Die Ziele finden sich auf nationaler Ebene in der deutschen Nachhaltigkeitsstrategie wieder. Sie decken das breite Spektrum der Bedürfnisse von Mensch, Umwelt und Wirtschaft ab und betreffen den Kampf gegen die Armut und ein starkes Wirtschaftswachstum ebenso wie Klima- und Artenschutz sowie eine umweltfreundliche Energieversorgung. Wissenschaftler aus den unterschiedlichsten Bereichen stehen der Bundesregierung bei der Umsetzung ihrer Nachhaltigkeitsziele beratend zur Seite. Milliardenschwere Förderprogramme wurden aufgelegt, um den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wandel voranzutreiben.

Nachhaltigkeitsziele der Bundesregierung untersucht

Trotz allem: Die Umsetzung dieser Nachhaltigkeitsziele hat in Deutschland seit 2008 nur geringe Fortschritte gemacht. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung. IMK-Wirtschaftspolitik-Experte Fabian Lindner hat darin die Einhaltung der von der Bundesregierung festgeschriebenen Nachhaltigkeits- und Wohlfahrtsziele der vergangenen beiden Legislaturperioden bis 2016 untersucht. Die Eckpunkte waren: materieller Wohlstand und ökonomische Stabilität, Nachhaltigkeit der Staatstätigkeit und Staatsfinanzen, soziale und ökologische Nachhaltigkeit.

Ökologische Ziele nicht erreicht

Lediglich vier von insgesamt 13 Zielen wurden erreicht. Bei der Umsetzung zeigen sich derweil erhebliche Unterschiede. Während sich die Staatsfinanzen sehr gut entwickelt haben und der Staat seit 2013 Überschüsse verzeichnet, konnte bisher keines der ökologischen Ziele erreicht werden. Den Autoren zufolge besteht hier ein sogenannter Zielkonflikt zwischen dem wachsenden Bruttoinlandsprodukt (BIP) und ökologischen Nachhaltigkeitszielen. „Wenn die Wirtschaft nicht weiter verstärkt dekarbonisiert wird, erhöht das Wirtschaftswachstum für sich genommen die Treibhausgasemissionen“, heißt es in der Studie.

Klimaziel durch Ende der Kohleverstromung machbar

Demnach ist weder der Energieverbrauch in den vergangenen acht Jahren gesunken, noch sind die Treibhausgasemissionen ausreichend stark zurückgegangen, wie es nach den Beschlüssen der Pariser Weltklimakonferenz von 2015 sein müsste. Der CO2-Ausstoß ist von 2008 bis 2016 nur um 7% gesunken und müsste, um das Klimaziel noch zu erreichen, bis 2020 um weitere 17% sinken. Ein „Ende der Kohleverstromung“ würde der Studie zufolge hier den größten Effekt bringen. Das wäre allerdings „mit sozialen und wirtschaftlichen Kosten verbunden“, heißt es. „Es wäre falsch, das ökologische Nachhaltigkeitsziel auf Kosten des Beschäftigungsziels zu verfolgen“, sagt IMK-Direktor Gustav A. Horn. „Aber wenn die Strategie stimmt und entsprechend investiert wird, ist es möglich, in den betroffenen Regionen wegfallende Arbeitsplätze durch neue zu ersetzen. “

Insektensterben statt Artenvielfalt

Auch bei der Artenvielfalt hinkt die Bundesregierung dem Ziel hinterher, die Artenvielfalt bis 2015 wieder auf das Niveau der 70er-Jahre zu bringen. Tatsächlich stagniert die Zahl der Tierarten, was sich beispielsweise am sogenannten Vogelindex ablesen lässt, der ein guter Indikator für die Biodiversität ist. Hinzu kommt eine dramatische Abnahme des Insektenbestandes.

Armutsrisiko trotz Rekordbeschäftigung unverändert hoch

Große Defizite gab es auch auf dem Gebiet der sozialen Nachhaltigkeit. Trotz Rekordbeschäftigung ist die Armutsrisikoquote nicht zurückgegangen, die Ungleichheit der Einkommen stagniert weiter „auf hohem Niveau". „Wenn die nächste Bundesregierung die Nachhaltigkeit in Deutschland verbessern will, muss sie besonders bei der sozialen und ökologischen Nachhaltigkeit ansetzen“, sagt Studienautor Fabian Lindner.

Wohlstand im breiten Sinne schaffen

Mit dem Nachhaltigkeitscheck zeigen die Autoren der Bundesregierung, wo dringend nachgebessert werden muss, um die eigenen Ziele zu erreichen. Deutlich wird aber auch, dass der Wohlstand in Deutschland sich keinesfalls nur am Wirtschafswachstum bemessen lässt. „Unsere Untersuchung macht deutlich, dass in der praktischen Wirtschaftspolitik nach wie vor viel zu wenig getan wird, um Wohlstand in einem breiteren Sinn zu schaffen“, sagt Horn. Trotz einiger Anstrengungen und mutiger Reformen, so der IMK-Direktor, hinterlasse die scheidende Bundesregierung noch erhebliche Lücken.

bb