Globale Biodiversität: Weltatlas für ausgewanderte Pflanzen

Globale Biodiversität: Weltatlas für ausgewanderte Pflanzen

Welche heimischen Pflanzen sind „ausgewandert“ und in fremden Gefilden sesshaft geworden? Eine Antwort darauf liefert erstmals eine globale Datenbank, die unter Leitung deutscher Wissenschaftler erstellt wurde.

Stechginster (Ulex europaeus) im Naturschutzgebiet Hinewai auf der Banks-Halbinsel von Neuseeland wurde aus Europa eingeführt, in der frühen Phase der europäischen Besiedlung.
Stechginster (Ulex europaeus) im Naturschutzgebiet Hinewai auf der Banks-Halbinsel von Neuseeland wurde aus Europa eingeführt, in

Ginster ist in Europa eine weitverbreitete Pflanze. Die leuchtend gelben Blüten sind das Markenzeichen des Strauchgewächses und die ersten Sommerboten. Doch auch weit weg vom beheimateten Territorium ist der Schmetterlingsblütler zu finden: im mediterranen Afrika genauso wie in West-Asien. Für diese und andere Pflanzen liefert nun ein Weltatlas erstmals einen globalen Überblick. Die Datenbank gibt an, welche Pflanzenarten sich wo angesiedelt haben und wo sie eigentlich beheimatet sind. Die Datenbank „Global Naturalized Alien Flora (GloNAF) wurde in vierjähriger Forschungsarbeit von einem internationalen Biologen-Team unter Leitung der Universität Koblenz und unter Mitwirkung von Göttinger Nachwuchsforschern zusammengestellt. Mit Hilfe der Daten kann nun vorhergesagt werden, welche Pflanzenarten wo besonders dominant werden könnten. Die beteiligten Forscher berichten darüber im Fachjournal Nature (2015, Online-Veröffentlichung).

Pflanzen wie der Steckginster (Ulex europaeus) mit seinen typisch gelben Blüten prägen das Bild heimischer Wiesen und Felder.  Doch auch in Neuseeland gehören die leuchtend gelben Felder seit langem zum Landschaftsbild. Wie der in Europa beheimatete Stechginster sind auch andere zahlreiche Pflanzenarten inzwischen weit weg von ihrem ursprünglichen Territorium zu finden. Mithilfe der ersten globalen Datenbank, der „Global Naturalized Alien Flora“ (GloNAF)  konnten Forscher mindestens 13.168 Pflanzenarten identifizieren, die heute außerhalb ihres heimischen Lebensraums sesshaft sind. Das entspricht 3,9 Prozent der Flora weltweit.

Weltkarte zu eingewanderten Pflanzen

Die Datenbank ist eine internationale Gemeinschaftsarbeit, an der Wissenschaftler von 83 Forschungseinrichtungen beteiligt waren. Unter der Leitung von Mark van Kleunen von der Universität Konstanz wurden hier Daten aus 481 Festlandgebieten und 362 Inseln  - dies entspricht rund 83 Prozent der weltweiten Landfläche - zusammen getragen. „Die größte Herausforderung bestand darin, die Namen der Pflanzenarten zu standardisieren. Sie beschreibt, wo sich fremde Pflanzenarten weltweit ausgebreitet haben und wo sie herkommen“, berichtet van Kleunen.

Europa ist Pflanzen-Exporteur Nr. Zwei

Im Fachjournal Nature berichten die Forscher nun über erste Ergebnisse, die sich aus der Sammelarbeit ergeben. Demnach gibt es in Nordamerika mit knapp 6.000 gebietsfremden Arten die meisten eingebürgerten Pflanzen. Auf Platz Zwei folgt Europa mit über 4.000 Pflanzenarten, die ursprünglich aus anderen Gefilden stammen. Im Verhältnis zu ihrer Fläche verzeichnen jedoch die pazifischen Inseln den größten Zuwachs an fremden Pflanzenarten, während die Länder der nördlichen Hemisphäre die größten „Exporteure“ sind, angeführt von Europa und dem nicht-tropische Teil Asiens. „Mit dieser Datengrundlage können wir nun beginnen, stärker Fragen nach den biologischen Zusammenhängen zu stellen“, erklärt van Kleunen.

Die Wissenschaftler der Göttinger Universität Holger Kreft und Patrick Weigelt von der Free Floater-Nachwuchsgruppe Biodiversität, Makroökologie und Biogeographie stellten für die Studie Daten zu zahlreichen Inselfloren bereit. „Die große Zahl eingebürgerter Pflanzenarten auf Inseln ist besonders besorgniserregend, weil sie dort wegen vieler freier Nischen leichtes Spiel haben und die endemischen Arten zunehmend verdrängen“, erläutert Kreft.

Datenbank als Hilfsmittel für Vorhersagen

Mit der globalen Datenbank wurde nun erstmals eine wissenschaftliche Grundlage geschaffen, um offene Fragen wie nach den Faktoren, die zur Verbreitung der Pflanzenarten  beitragen oder den Eigenschaften, welche die Ausbreitung in den jeweiligen Gebieten begünstigen, beantworten zu können. „Die Daten können nun auch dazu genutzt werden, um Vorhersagen zu treffen, welche Arten in welchen Gebieten dominant werden könnten“, betont van Kleunen