Die Wirkstoff-Fabrik der Drüsenhaare

Die Wirkstoff-Fabrik der Drüsenhaare

Viele Pflanzen bilden Abwehrstoffe in Drüsenhaaren, um sich gegen Angreifer zu wehren. Woher die Energie zur Herstellung der Substanzen kommt, haben Hallenser Forscher geklärt.

Diese dicht stehenden reizenden „Silikathaare“ dienen dem Raubblattgewächs Ochsenzunge als Fraßschutz.
Diese dicht stehenden reizenden „Silikathaare“ dienen dem Raubblattgewächs Ochsenzunge als Fraßschutz.

Pflanzen haben im Laufe der Evolution verschiedene Taktiken entwickelt, um sich vor Fressfeinden zu schützen. Mit Dornen, scharfkantigen Blättern oder Gift verteidigen sie sich im Stillen gegen die Angreifer. Fast ein Drittel aller Landpflanzen haben sich dafür kleine Drüsenhaare auf der Blatt- oder Stengeloberfläche zugelegt, die wirksame Abwehrstoffe produzieren und so Fraßfeinde wie Insekten vertreiben. Die sogenannten glandulären Trichome sind hocheffiziente pflanzliche Wirkstofffabriken.

Energie- und Stoffwechselflüsse geklärt

Woher die Drüsenhaare für die Synthese der Inhaltsstoffe Energie und Kohlenstoff beziehen war bisher unklar. Forscher am Hallenser Leibniz-Institut für Pflanzenbiochemie haben die Quelle nun aufgespürt. Wie das Team im Fachjournal „Plant Cell“ berichtet, konnte es konkret die Energie- und Stoffwechselflüsse innerhalb der glandulären Trichome von Tomatenpflanzen nachverfolgen. Das Wissen um den trichomalen Stoffwechsel ist eine wichtige Voraussetzung für die Züchtung neuer resistenter Kultursorten, ist aber auch für die biotechnologische Herstellung wichtiger Pflanzenstoffe in Bakterien und Hefen bedeutsam.

Im Rahmen der Studie untersuchten die Hallenser sowohl Wildtomaten als auch deren kultivierten Verwandten. Dafür verglichen sie die Drüsenhaare der Tomate zunächst mit normalen haarlosen Blättern und untersuchten jeweils deren aktivierten Gene, als auch die vorhandenen Proteine, vor allem die dafür benötigten Stoffwechselenzyme sowie die produzierten Substanzen.

Glanduläre Trichome der Kulturtomate Solanum lycopersicum (A) und einer wildwachsenden Art, Solanum habrochaites (C). Die Aufnahmen zeigen: Wildtomaten bilden mehr Trichome aus, die mehr Volumen fassen können.

Glanduläre Trichome der Kulturtomate Solanum lycopersicum (A) und einer wildwachsenden Art, Solanum habrochaites (C). Rechts: mikroskopische Aufnahmen.

Trichome als Energieproduzenten

Das Ergebnis: Einen Großteil der benötigten Energie produzieren die Trichome selbst mithilfe der Photosynthese. Die Energie wird danach direkt für die Biosynthese von Sekundär- und Abwehrstoffen genutzt. Normale Blattzellen nutzen hingegen die Energie des Sonnenlichts, um das Kohlendioxid aus der Luft in organische Grundverbindungen des Primärstoffwechsels einzubauen, schreiben die Forscher. Der Studie zufolge bauen die sogenannten grünen Zellen also mithilfe der Photosynthese Zucker, Stärke und Zellwandbestandteile auf, sodass mehr Biomasse produziert wird und die Pflanze wächst. Trichome setzten dagegen weniger auf Wachstum. Hier ist die Produktion von Zucker und Stärke durch die entsprechenden Enzyme gedrosselt, wie die Hallenser Forscher beweisen konnten. Den notwendigen Zucker beziehen Trichome stattdessen von den angrenzenden Blattzellen.

Genetische Unterschiede durch Tomatenzüchtung

Mit ihrer Studie liefern die Leibniz-Forscher erstmals auch Hinweise auf die genetischen Unterschiede zwischen Kultur- und Wildtomaten. Diese haben sich offenbar während der Züchtung etabliert und sind ein Grund, warum die Produktion der Abwehrstoffe in den Trichomen von Kulturtomaten eingeschränkt ist. Im Unterschied zu den kultivierten Verwandten produzieren Wildtomaten in den Trichomen mehr aber andere Stoffwechselprodukte. Sie bilden daraufhin zwar weniger und kleinere Früchte aus als Kulturtomaten, sind aber andererseits wesentlich resistenter gegen Insektenfraß. Die Forscher gehen davon aus, dass im Laufe der Züchtung, die auf Ertrag ausgelegt war, die Kulturtomate jenes Erbgut, das zur Produktion bestimmter Abwehrstoffe führt, verloren hat. Dafür sprechen entsprechende Gene, die zwar in der Wildtomate, aber nicht mehr in den Kulturtomaten gefunden wurden.

bb