Das Problem Mikroplastik im Meer anpacken

Das Problem Mikroplastik im Meer anpacken

Mikroplastik im Meer ist eine Form der Umweltverschmutzung, die vor allem für viele Meerestiere tödlich ist. Gemeinsam mit neun anderen EU-Ländern will Deutschland diesem Problem mit einer Forschungsinitiative auf den Grund gehen.

Mikroplastik-Fetzen, wie sie in Meeressedimenten vor der belgischen Küste vorkommen. Dem Ausmaß dieser Umweltverschmutzung geht ein EU-Forschungsprojekt nun auf den Grund.
Mikroplastik-Fetzen, wie sie in Meeressedimenten vor der belgischen Küste vorkommen. Dem Ausmaß dieser Umweltverschmutzung geht ei

Plastik wird zunehmend zum Umweltproblem.  Zwar gibt es kaum verlässliche Zahlen zur Müllflut, aber mindestens 270.000 Tonnen Plastikmüll treiben schon heute in den Ozeanen und bedecken deren Grund, schätzt das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF). Für viele Meerestiere werden die fein zerriebenen Mikroplastikteilchen zur lebensgefährlichen Bedrohung. Deutschland hat nun gemeinsam mit neun weiteren EU-Ländern die Initiative „Mikroplastik in marinen Systemen“ angestoßen. Darin sollen Forscher  die Menge, Verbreitung und gesundheitlichen Folgen der Mikropartikel auf Mensch, Tier und Meeresflora ergründen. 7,5 Millionen Euro stehen dafür zur Verfügung.

Rund ein Drittel der jährlich produzierten knapp 300 Millionen Tonnen Kunststoffe werden für Verpackungen eingesetzt. Hauptsächlich wird dabei Polyethylen eingesetzt. Aber auch andere für Verpackungszwecke eingesetzte Kunststoffe überdauern Schätzungen zufolge für mindestens 500 Jahre in der Umwelt. Der größte Teil der Plastikflut wird unsachgemäßem Umgang mit Plastikmüll zugeschrieben. In vielen Schwellen- und Entwicklungsländern gibt es zum Beispiel weder Plastikrecycling noch -verbrennung. Schätzungen zufolge sinken rund 70 Prozent des im Laufe der Zeit immer feiner verriebenen Plastiks auf den Meeresgrund. Nur 15 Prozent treiben an der Wasseroberfläche oder werden an Strände gespült.

Ökologische Selbstreinigung überfordert

„Die Grenzen der ökologischen Selbstreinigung sind längst überschritten“, mahnte Bundesforschungsministerin Johann Wanka bei der Vorstellung des europaweiten Forschungsprogrammes Ende Februar in Berlin. „An Stränden wie in Sylt sieht man nicht mehr soviel Plastik, denn dort wird der Müll aufgesammelt“, ergänzte die Bremer Geomikrobiologin Antje Boetius. „Dafür finden wir immer mehr auf dem Meeresgrund.“ Ein besonderes Problem dabei ist das sogenannte Mikroplastik. Egal ob die winzigen Kunststoffpartikel von Kunstfaser-Texitilien während des Waschens abschilfern oder als Bestandteil von Zahncremes durch den Abguss ins Abwasser gelangen – sie lassen sich nicht filtern und erst recht nicht nachträglich aus dem Meer entfernen.

Mikroplastik in 690 Meerestierarten

Mikroplastik entsteht auch durch den Zerfall größerer, unachtsam entsorgter oder unsachgemäß deponierter Plastikmüllteile, die fortgeweht und unter dem Einfluss von Meereswasser und UV-Strahlung immer feiner zermahlen werden. Zuletzt landen sie in den Mägen von Meerestieren. „Bisher sind solche Partikel in 690 Spezies gefunden worden“, erklärte die Tiefsee-Expertin Melanie Bergmann vom Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung in Berlin.

Das alarmiert auch die Vereinten Nationen: Bereits auf der Rio+20-Konferenz vor drei Jahren wurde die Vermüllung der Meere durch biologisch nicht-abbaubare Kunststoffe wie Polyethylen, Polypropylen, PVC, Polystyrol, PET und Polyurethan als Top-Priorität erkannt, „die die Welt bekämpfen müsse“. Vor diese Hintergrund betonte Wanka die Bedeutung neuer Forschungsinitiativen, um schädliche Effekte von Mikroplastik zu erkennen, zu lokalisieren und zu beziffern. Darauf aufbauend könnte dann gezielt und effektiv gegengesteuert werden.

7,5 Millionen Euro für JPI Oceans

Helfen dabei soll die mit 7,5 Millionen Euro Fördergeld ausgestattete, dreijährige EU-Forschungsinitiative „Joint Programming Initiative on Healthy and Productive Seas and Oceans“ – kurz JPI Oceans. Beteiligt sind insgesamt zehn EU-Länder: Belgien, Deutschland, Frankreich, Italien, die Niederlande, Norwegen, Portugal, Schweden und Spanien. Die erste Ausschreibung (mehr Informationen: hier klicken) soll vor allem Forschungsarbeiten in drei Bereichen anstoßen:

  • Forscher sollen Verfahren entwickeln, um Mikroplastik vollständig aus dem Meeresboden, aus Meeresorganismen und dem Meereswasser zu extrahieren. Ziel ist es, die Menge, Verteilung von der Oberfläche bis zum Meeresboden und Aufnahme durch Meeresorganismen zu erfassen. Insbesondere sollen mikroskopische Verfahren verbessert werden, um auch Schätzungen aussagekräftiger zu machen.
  • In Laborvergleichsstudien, sogenannten Ringversuchen, soll die Menge an Mikroplastik im Meeressediment bestimmt werden, denn laut AWI-Expertin Bergmann gebe es bisher „keine standardisierte und damit keine vergleichbare Methodik.“
  • In einem dritten Schwerpunkt geht es darum zu erfassen, wie giftig Mikroplastik tatsächlich für Tier und Mensch ist – und wie dessen Anreicherung in der Nahrungskette gemessen und für die Risikobewertung genutzt werden kann. Besonders unter der Lupe: die toxikologischen Wirkungen von Mikroplastik auf die Meeresorganismen. 

Wanka betonte, dass die in JPI Oceans erzielten Ergebnisse in einen Aktionsplan der G7-Wissenschaftsministerkonferenz zu Forschung und Innovation gegen Meeresvermüllung einfließen sollen. In diesem Jahr hat Deutschland den Vorsitz der G7-Länder, im Herbst ist ein Treffen der Forschungsminister geplant. „Mikroplastik im Meer ist ein grenzüberschreitendes Problem, das ein international abgestimmtes Vorgehen erfordert“, so Wanka.