Biotechnologietage 2014: Branchentreff mit Besucherrekord

Biotechnologietage 2014: Branchentreff mit Besucherrekord

Volles Haus in Hamburg: 780 Akteure aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik trafen sich vom 9. bis 10. April in der Hansestadt zu den diesjährigen Biotechnologietagen.

Volles Haus beim Branchentreff: Mehr als 700 Biotechnologie-Akteure waren ins Congress-Centrum nach Hamburg gekommen.
Volles Haus beim Branchentreff: Mehr als 700 Biotechnologie-Akteure waren ins Congress-Centrum nach Hamburg gekommen.

Insgesamt 780 Teilnehmer aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik fanden am 9. und 10. April den Weg zu den diesjährigen „Deutschen Biotechnologietagen 2014“ nach Hamburg – so viele wie noch nie. Der Branchentreff wird damit seinem Anspruch als Familientreffen immer mehr gerecht. Viele nutzen die Veranstaltung, um Kontakte und Netzwerke zu pflegen. Anwesende Vertreter der Politik versprachen mit neuen Initiativen in der Innovationspolitik, sich der Probleme der Branche zu widmen.

Angesichts des neuen Besucherrekordes zeigten sich die Veranstalter um BIO Deutschland, dem Arbeitskreis der BioRegionen und Gastgeber Life Science Nord rundum zufrieden mit der nunmehr fünften Ausgabe des Events in seiner aktuellen Form. Hinrich Habeck, Geschäftsführer von Life Science Nord, betonte: „Hamburg war und ist traditionell ein Warenumschlagplatz. Für zwei Tage sind wir gern der Hafen für die Biotechnologie.“  Reichlich Gesprächsstoff boten die rund 20 parallelen Foren zu Themen wie Immuntherapie, Bioökonomie, Technologietransfer oder Marktzugang. Das Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) nutzte die „Deutschen Biotechnologietage 2014“, um Ergebnisse aus der Projektförderung zu präsentieren. Insgesamt 32 Projektleiter  – verteilt über vier thematisch unterschiedliche Symposien – berichteten über Ergebnisse aus der Pflanzenzüchtung, der Verfahrenstechnik, von neuen Plattformtechnologien  und therapeutischen sowie diagnostischen Ansätzen. So stellten Forscher der Tecnaro GmbH zum Beispiel, wie sich mithilfe biotechnologischer Verfahren Reststoffe aus der Zellstoffherstellung so weiterverarbeiten lassen, dass daraus interessante Biowerkstoffe für die Automobil- oder Möbelindustrie entstehen.

Mit Eiweißen aus Fischen das Auftauen von Eis verhindern

Als Gastgeber setzten Schleswig-Holstein und Hamburg thematische Akzente bei mariner Biotechnologie und Medizintechnik. Dies war nicht nur in der Begleitausstellung deutlich sichtbar – hier war u.a. die Fraunhofer-Einrichtung für Marine Biotechnologie sehr präsent – sondern auch im Programm. So stellte u.a. der niederländisch-britische Konzern Unilever diverse marinbasierte Ansätze vor: Etwa ein aus Fischen stammendes Anti-Freeze-Protein, das bei Eis dafür sorgt, dass es sich auch bei schwankenden Temperaturbedingungen länger hält. „Dies ist insbesondere für unsere Eissorten relevant, die wir in Asien und Südamerika verkaufen“, sagte Dietmar Lang, Biotechprojektleiter bei Unilever. Für alle Forschenden im Umfeld der ‚blauen’ Biotechnologie gab es zudem die Ankündigung einer ersten Ausschreibung im gerade gestarteten europäischen Forschungsnetzwerk ERA-NET marine Biotechnologie, die noch für diesen Sommer erwartet wird.

Norden will in Life Sciences investieren

Aber auch die Schnittstelle zwischen Biotechnologie und Medizintechnik wurde in einer Session beleuchtet. Hans-Peter Bruch vom Berufsverband der Deutschen Chirurgen zeigte sich begeistert: „Wenn es tatsächlich gelingt, rekombinante Proteine und damit ihre medizinische Wirksamkeit als Beschichtung auf Implantaten zu integrieren, dann wäre das ein faszinierender Ausblick.“ Von Seiten der Landesregierung in Schleswig-Holstein sollen die Life Science Aktivitäten in der Region weiter gestärkt werden. Ein Masterplan befindet sich derzeit in Arbeit, wie Landeswirtschaftsminister Ralph Müller-Beck auf den Biotechnologietagen berichtete. „Gerade mit Blick auf unsere Wettbewerbsfähigkeit müssen wir die Axt schärfen und künftig stärker investieren“, sagte er und betonte: „Das ist kein Modetrend.“

Heiß diskutiert: die Finanzierungssituation

Mit Blick auf die lag das Thema Finanzierung wie üblich hoch im Kurs: Befinden sich die Firmen hierzulande nur im Überlebensmodus und verlieren zunehmend an Wettbewerbsfähigkeit? Siegfried Bialojan von EY zeichnete ein eher düsteres Bild: Deutschland habe im internationalen Vergleich zu wenig Medikamentenentwickler, die Finanzierung der Firmen werde nur von wenigen Investoren gestemmt und auch an der Börse gebe es zu wenige Erfolgsgeschichten. Unter den Biotech-Entrepreneuren war die Stimmung gemischt. Während die einen neidisch auf den neuen Biotech-Börsenboom in den USA schauen und darauf hoffen, dass sich dieser Aufwärtstrend auch in Deutschland irgendwann zeigt, plädierten andere für ein deutsches Modell, das vor allem mit Blick auf das sogenannte ‚Valley of death’ bessere Finanzierungsmöglichkeiten bzw. Anreize für Investoren schafft. Für neue Hoffnung sorgten Vertreter der Politik. So kündigte Georg Schütte, Staatssekretär im Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF), spontan eine neue Initiative an, um Verbesserungen im Kapitalmarkt auszuloten. „Wir haben gerade hier die Idee für einen neuen interministeriellen Dialog mit dem Wirtschafs- und Finanzministerium geboren“, sagte Schütte. Sven Halldorn, Abteilungsleiter Industriepolitik im Bundeswirtschaftsministerium, berichtete über ein industriepolitisches Innovationskonzept seines Hauses, das noch vor der Sommerpause präsentiert werden soll und betonte: „Wir trauen uns inzwischen, Biotechnologie als Leitmarkt zu bezeichnen.“ Lutz Stroppe, Staatssekretär im Bundesgesundheitsministerium, wiederum stellte Pläne für einen neuen „Pharmadialog“ der Regierung vor.

Innovationspreis für Imfpstoffverbesserung

Wie jedes Jahr wurden die Biotechnologietage aber auch zum Geld verteilen genutzt. Neben den wurde der mit jeweils 2.000 Euro dotierte Innovationspreis (mehr...) der BioRegionen an drei Forscherteams verliehen. Der erste Preis ging an Wilfried Weber, Professor für synthetische Biologie an der Universität Freiburg. Er hat ein Wirkstoffdepot entwickelt, durch das ein Impfstoff über einen längeren Zeitraum im Körper gelagert und durch eine Tablette aktiviert werden kann. „Impfungen benötigen oft mehrere Injektionen, bevor sie ihren vollen Schutz entfalten. Die dafür nötigen Arztbesuche sind in Entwicklungsländern sehr schwer zu koordinieren und in der westlichen Welt werden sie von Patienten als zeitraubend und lästig empfunden“, erklärt Weber den Hintergrund seines Ansatzes. „Impfungen werden daher häufig nicht planmäßig abgeschlossen. Das ist schlecht für den Therapieerfolg und teuer für das Gesundheitssystem.“

Zeit zum Netzwerken

Ob Forscher, Unternehmer oder Regionalmanager – die Biotechnologietage erwiesen sich erneut als wichtiger Branchentreff. Neben den vielen kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) war in diesem Jahr die Pharmaindustrie stark vertreten. Hubert Haag von Sanofi warb zum Beispiel intensiv für eine größere KMU-Beteiligung bei der europäischen Innovative Medicines Initiative (IMI). Inzwischen gingen fast 20% der Fördergelder an KMUs, es könnte aber noch deutlich mehr sein. Andere wiederum nutzten die Veranstaltung zum Netzwerken. „Für die Kontaktpflege bieten die Biotechnologietage ein gutes Umfeld“, sagte Holger Schwarz von der Merck KGaA. Ein positives Fazit zog auch Viola Bronsema, Geschäftsführerin von BIO Deutschland: „Die Vielzahl an Besuchern verdeutlicht die zunehmende Relevanz der Veranstaltung für die Branche.“ Die Messlatte für die nächsten Biotechnologietage sind nun hoch: Sie sollen am 22. und 23. April in Köln stattfinden. „Wir wollen die 800-Marke bei den Teilnehmern knacken“, zeigte sich Bernward Garthoff von der dann gastgebenden Bioregion BIO.NRW kämpferisch.