Bionnale: Biobasierte Gesundheitstechnologien im Fokus

Bionnale: Biobasierte Gesundheitstechnologien im Fokus

Mehr als 800 Akteure und Interessierte hatte Bionnale nach Berlin gelockt. Bei dem Life-Science-Branchentreff war auch die Bioökonomie ein Thema.

Mehr als 800 Teilnehmer machen die Bionnale zum größten Branchentreff in den Life Sciences in der Hauptstadt. Schauplatz war 2016 erneut das Ludwig Erhard Haus.
Mehr als 800 Teilnehmer machen die Bionnale zum größten Branchentreff in den Life Sciences in der Hauptstadt. Schauplatz war 2016

Die Bionnale ist zum wichtigsten Networking-Termin zum Thema Life Sciences in der Hauptstadt avanciert: Die 14. Ausgabe der Bionnale am 25. Mai hat mehr als 800 Teilnehmer aus 28 Ländern nach Berlin gelockt. Die vom Cluster Gesundheitswirtschaft Berlin-Brandenburg organisierte Veranstaltung legt traditionell  den Schwerpunkt auf Pharma, Biotechnologie und Medizintechnik. Doch auch der Bioökonomie war eine eigene Vortragsreihe gewidmet. Viele Teilnehmer nutzten die Bionnale zudem, um sich in Einzelgesprächen oder bei Kurzpräsentationen von Start-ups und Forschungsinstituten aus Berlin und Brandenburg auf den neuesten Stand zu bringen.

Biobasierte Technologien für die Gesundheitsindustrie – die meisten denken hier an Biopharmazeutika wie Antikörper und Impfstoffe. Doch das Potenzial von Mikroorganismen und Enzymen reicht noch viel weiter, wie in einer eigenen Bionnale-Session klar wurde. Klaus Pellengahr von Organobalance betonte, welch großes Potenzial für die Bioindustrie in der natürlichen Vielfalt der Mikroorganismen steckt. In den Bioarchiven des Berliner Biotech-Unternehmens lagern viele hundert Hefestämme. „Von der Bierhefe Saccharomyces cerevisiae gibt es rund 600 Wildstämme in unserer Sammlung“, so Pellengahr. Einige davon haben bereits Fähigkeiten entwickelt, auf denen sich für die Produktion von Fein- und Spezialchemikalien weiter aufbauen lässt. Pellengahr nannte die Synthese von Terpenoiden für die Kosmetik und Pharmabranche als Beispiel. Mithilfe biotechnischer Verfahren wurden diese Naturtalente noch zusätzlich für die effiziente Produktion optimiert, etwa für die Herstellung der Substanz Squalen.

Innovatives aus Mikroben und Enzymen

Auch Martin Langer von der seit Jahresbeginn börsennotierten Brain AG verdeutlichte, wie die Mannigfaltigkeit der Natur zu innovativen und nachhaltigen Verwertungsstrategien führen kann. In der vom Bundesforschungsministerium geförderten strategischen Industrieallianz ZeroCarbFP ist es gelungen, Pilze aufzuspüren, die den in der Biodiesel-Industrie in großen Mengen anfallenden Reststoff Glycerin in Äpfelsäure umwandeln können. „Im Labor können die Pilze die zu den Top-12-Industriechemikalien zählende Verbindung bereits sehr effizient herstellen“, berichtete Langer. Marc Struhalla vom Leipziger Enzymhersteller c-Lecta wiederum erläuterte, wie sein Team Biokatalysatoren designt, die komplexe Milchzucker-Moleküle produzieren können. Solchen Milcholigosacchariden wird eine schützende Wirkung vor Infektionskrankheiten nachgesagt, weswegen sich die Lebensmittelindustrie sehr für die Herstellung der Naturstoffe interessiert. Bei dem Projekte arbeiten die Leipziger mit der Dänischen Glycom, einer Nestlé-Tochter, zusammen.

Nachhaltigkeit im Biohotel

Eine andere wirtschaftliche Perspektive auf das Thema Wellness und Nachhaltigkeit eröffnete der Unternehmer Michael Stober. Er ist Inhaber des nahe dem brandenburgischen Nauen gelegenen Hotelkomplexes „Landgut Stober“. Im 19. Jahrhundert hatte die Industriellenfamilie Borsig hier einst auf 3000 Hektar einen agrarischen Musterbetrieb auf dem neuesten Stand der Technik aufgebaut, um die Mitarbeiter ihrer Lokomotivwerke zu versorgen. Im Jahr 2000 kaufte Stober die als nicht mehr restaurierbar erachtete Backstein-Ruine, und setzte mit einigem Wagemut seine Vision um: Einen modernen Hotel- und Veranstaltungsstandort, in dem Nachhaltigkeit groß geschrieben wird. Und so gibt es eine eigene Stromversorgung über Biogasanlage, eine Holzpellet-Heizung, WC-Spülung mit Regenwasser. 2012 wurde das mehrfach zertifizierte Biohotel eröffnet.

Barcelona und Berlin: Translation in Superinstituten

Über neue Entwicklungen in der Medizin – insbesondere aus der Perspektive von Berliner und Brandenburger Unternehmen – wurde auf der Bionnale ausführlich berichtet. Im Fokus: die Translation von Forschungsergebnissen aus dem Biomedizinlabor in die klinische Praxis. Matthias Gottwald von Bayer Pharma betonte in seinem Abendvortrag die hohe Bedeutung von kooperativen Ansätzen. Wie auch Rolf Zettl, seit März Administrativer Vorstand des Berlin Institute of Health (BIH). Obwohl man über das ungeheuere Potenzial der Fusion von Charité Universitätsmedizin und Max-Delbrück-Centrum nicht lange nachdenken müsse, seien viele Forscher anfangs doch sehr verhalten und zögerlich gewesen. „Doch jetzt hat das Institut kräftig Fahrt aufgenommen“, sagte Zettl. Den hohen Erwartungen an die translationale Forschung, die am BIH mit einem öffentlichen Jahresbudget von 80 Millionen Euro geleistet werden soll, ist er sich bewusst: „Wir müssen liefern“, sagte er. Entsprechend breit will man sich aufstellen, sowohl therapeutische als auch diagnostische Ansätze voranbringen und die Expertise aus dem klinischen Umfeld der Charité sowie den direkten Zugang zu Patienten effizient nutzen. Ein ähnliches Translations-Superzentrum wie das BIH ist in Spanien entstanden: das Barcelona Institute of Science and Technology (BIST). Dessen Direktor Montserrat Vendrell stellte das BIST in Berlin vor. Es vereint seit einem Jahr sechs außeruniversitäre Spitzenzentren in Katalonien.

Forschung wird mit Kokospralinen greifbar

Für informative Häppchen am Abend sorgte auch in diesem Jahr der Speed Lecture Award. Sechs Nachwuchsforscher warben in dreiminütigen Vorträgen um die Gunst des Publikums. Besonders punkten konnte Anja Schenk von der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin: In drei Minuten erläutete die Biotechnologin, wie sie an einem nachhaltigen und mehrstufigen Biokatalysator tüftelt. Das Projekt wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) in der Fördermaßnahme "Biotechnologie2020+" gefördert. Plastisch machte sie das mithilfe von Kokospralinen, offenbar ganz nach dem Geschmack des Publikums, das ihr die meisten Punkte für ihre Präsentation gab.