Was Plastik in Gewässern anrichtet

Was Plastik in Gewässern anrichtet

Carolin Völker

Beruf:

promovierte Ökotoxikologin

Position:

Wissenschaftliche Mitarbeiterin und Nachwuchsgruppenleiterin am Institut für sozial-ökologische Forschung Frankfurt am Main

Vorname
Carolin
Nachname
Völker

Beruf:

promovierte Ökotoxikologin

Position:

Wissenschaftliche Mitarbeiterin und Nachwuchsgruppenleiterin am Institut für sozial-ökologische Forschung Frankfurt am Main

Wie wirkt sich Plastikmüll auf Ökosysteme aus? Diesen Fragen geht die Biologin Carolin Völker gemeinsam mit Johanna Kramm in der Nachwuchsforschergruppe „PlastX“ nach.

Das Interesse war schon immer da – bereits in der Schule begeisterte sich Carolin Völker für die Natur und den Umweltschutz. Im Raum Frankfurt am Main aufgewachsen, studierte sie an der Goethe-Universität Biologie und spezialisierte sich anschließend auf das Fach Ökotoxikologie. In ihrer Doktorarbeit beschäftigte sie sich damit, wie gefährlich Silbernanopartikel im Wasserkreislauf sind, und wie sich dieses Risiko abschätzen lässt. Nach ihrer Promotion wechselte Völker als wissenschaftliche Mitarbeiterin an das Institut für sozial-ökologische Forschung (ISOE) in Frankfurt.

Ökologie und Sozialwissenschaften im Wechselspiel

Wie passen Ökologie und Sozialwissenschaften zusammen? Carolin Völker erinnert sich an ein wichtiges Aha-Erlebnis während ihres Studiums: „Auf einer Südfrankreich-Exkursion wurde mir zum ersten Mal die Bedeutung des Zusammenspiels von Mensch und Natur so richtig klar.“ Während der Exkursion hatten sich die Studierenden unterschiedliche Ökosysteme genauer angeschaut, etwa die Küstenregion oder alpine Regionen, und hatten den Einfluss und die Wechselwirkungen mit der dort lebenden Bevölkerung untersucht. Seitdem hat Völker ihre ohnehin schon anwendungsorientierte Forschung stärker auf dieses ganzheitliche Wechselspiel ausgelegt. Das Fachgebiet nennt sich Soziale Ökologie.

Bund fördert Nachwuchsgruppe mit Doppelspitze

Um genau dieses Feld der gesellschaftsbezogenen Nachhaltigkeitsforschung auszubauen, hat das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) als Teil der Fördermaßnahme „SÖF – Sozial-ökologische Forschung“ eine eigene Förderinitiative für junge Wissenschaftler im Rahmenprogramm „Forschung für nachhaltige Entwicklung (FONA)“ aufgelegt. Mit ausdrücklicher Unterstützung des Institutes bewarb sich Carolin Völker zusammen mit ihrer Kollegin Johanna Kramm bereits ein Jahr nach ihrer Promotion auf die BMBF-Ausschreibung – mit Erfolg.

Bis 2021 wird die Nachwuchsgruppe „PlastX – Kunststoffe als systemisches Risiko für sozial-ökologische Versorgungssysteme“ nun gefördert. „Wir werden die Ausbreitung und Auswirkung von Plastik und Mikroplastik in der Umwelt von verschiedenen Seiten beleuchten“, sagt Völker. Das Team hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Ergebnisse aus den Teilbereichen anschließend zu integrieren und für eine nachhaltige Nutzung im Alltag umzusetzen. Der Fokus von Völker lieg dabei verstärkt auf der Ökotoxikologie und der Bewertung des Umweltrisikos von Plastik, während ihre Kollegin Johanna Kramm sich auf die Wahrnehmung des Risikos und den gesellschaftlichen Umgang mit Kunststoffen konzentriert.

Immer mehr Plastikmüll sammelt sich in den Meeren und auch unseren Gewässern zu Plastikinseln an.

Mentorenkreis und Praxisbeirat unterstützen Forschungsgruppe

Das Frankfurter ISOE bietet dem jungen Team mit seinem transdisziplinären Ansatz den idealen Boden. Zur Nachwuchsgruppe gehören derzeit vier Doktoranden, die sich mit ihren Projekten auf vier verschiedene Themengebiete spezialisieren. Um den Doktoranden auf ihren speziellen Themengebieten eine fundierte wissenschaftliche Unterstützung zu gewährleisten, arbeiten Völker und Kramm mit einem Team aus Wissenschaftlern zusammen – dem Mentorenkreis. Außerdem steht ihnen auch ein Praxisbeirat bei, der die Projekte vor allem im Sinne einer gesellschaftsrelevanten praktischen Anwendung hinterfragt. Zu den Praxispartnern gehören unter anderem der WWF, der Verband PlasticsEurope sowie Vertreter des Lebensmitteleinzelhandels, des Verbraucherschutzes und der Wasser- und Abfallwirtschaft.

Nachhaltiger Ersatz für Verpackungen gesucht

Eines der vier Projekte hat einen sozialwissenschaftlichen Schwerpunkt und befasst sich mit der Produktion und dem Verbrauch von Plastik im Lebensmittelbereich in Deutschland. „In diesem Bereich wird die Plastik oftmals schlicht produziert, um weggeworfen zu werden“, so Völker. „Wir wollen herausfinden, wo Verpackungen gespart werden können, ohne dadurch die Lebensmittelqualität zu beeinträchtigen.“ Aber der Verpackungsersatz müsse auch tatsächlich nachhaltig sein. „Plastiktüten durch Papiertüten zu ersetzen, ist nicht unbedingt zielführend.“

Ein weiteres Projekt beschäftigt sich mit innovativen Materialien für die Verpackung der Zukunft. In Zusammenarbeit mit Chemikern am Max-Planck-Institut für Polymerforschung in Mainz soll ein Polymer aus Lignin hergestellt werden, das biologisch abbaubar ist, sich aber zugleich auch als Lebensmittelverpackung eignet. Zwar würden dann in der Produktion keine fossilen Rohstoffe mehr verwendet, doch laut Völker wären auch Biokunststoffe kein Allheilmittel für das Müllproblem: „Ist Bioplastik wirklich die Lösung? Die Menschen könnten anfangen, diese Verpackungen verschwenderisch einzusetzen, denn sie wären ja biologisch abbaubar.“ Die Wissenschaftlerin betont: Die meisten der aktuell produzierten Biokunststoffe schnitten in der Gesamtökobilanz kaum besser ab als die konventionellen Pendants.

Blick auf Tierpopulationen ist wichtig

Ein weiteres PlastX-Projekt liegt thematisch sehr nahe an Völkers früheren Projekten: Hier werden die ökotoxikologischen Auswirkungen von Mikroplastik in Süßgewässern untersucht. „Es gibt zwar schon sehr viele Untersuchungen zum Thema Mikroplastik im Meer, doch die wurden oftmals mit so hohen Konzentrationen durchgeführt, dass ihre Aussagekraft für natürliche Verhältnisse relativ gering ist.“ In der öffentlichen Debatte und in den Medien wird häufig vernachlässigt, dass es in der Ökotoxikologie nicht um das einzelne Individuum, sondern um das Überleben einer gesamten Population geht. „Wenn ein Fisch von der Mikroplastik-Verschmutzung betroffen ist, ist das zwar tragisch, aber für das Ökosystem durchaus zu verkraften. Gerät jedoch eine ganze Fischpopulation in Mitleidenschaft, so kann das ökologische Gleichgewicht dadurch schnell aus den Fugen geraten“, sagt Völker.

Obwohl die Mikroplastikpartikel auch in den Süßgewässern in Verruf geraten sind, gebe es noch nicht genügend wissenschaftlich fundierte Erkenntnisse über die Auswirkungen auf das gesamte Ökosystem. Erschwert werden die Untersuchungen auch durch die vielen verschiedenen Kombinationsmöglichkeiten: „Mikroplastik umfasst so viele verschiedene Bestandteile unterschiedlicher chemischer Zusammensetzung – manche rund, manche eckig – und alle können im Zusammenhang mit unterschiedlichen Umweltbedingungen sowie anderen Umweltchemikalien unterschiedliche Wirkungen auf Fische und andere Organismen ausüben“, erläutert Völker. „Es sind die vielen verschiedenen Kombinationsmöglichkeiten der Giftcocktails, die unsere Gewässer zerstören.“ Projekt Nummer vier befasst sich mit dem Plastikmüll in den Weltmeeren und untersucht, wie mit dieser globalen Problematik umgegangen wird. Hier werden Managementstrategien analysiert, und wie diese regional umgesetzt werden.

Carolin Völker ist gespannt auf die Ergebnisse der erst kürzlich gestarteten Forschungsprojekte. Doch auch nach 2021, nach dem Ende der Förderung, hofft Völker weiterhin Teil des transdisziplinären Teams am ISOE zu sein: „Die problemorientierte Forschung am Schnittpunkt zwischen Gesellschaft und Natur macht einfach Spaß.“

Autorin: Judith Reichel